Schönberg (37)
Wie man die Ursachen der Verseuchung des Lübecker Grundwassers
verschleiert, private Investoren unterstützt und dem "kleinen Mann"
wieder einmal kräftig in die Tasche greift:
Rangenberg. Die Ökologie verbietet eine Untertunnelung der Trave. Das
erklärte Bausenator Dr. Volker Zahn beim kommunalpolitischen
Frühschoppengespräch des SPD-Ortsvereins Rangenberg gegenüber Vertretern
verschiedener Verbände und Vereine.
Eine Tunnel‑Lösung, die
die marode Herrenbrücke ersetzen soll, sei aus seiner Sicht "nicht
darstellbar," konstatierte Zahn und erläuterte: Es müßte mit
"heftigen Einbrüchen in die Baulandschaft gerechnet" werden. Aus
ökologischen Gründen sei nicht mit einem Tunnelbau zu rechnen, da der
Grundwasserleiter in Mitleidenschaft gezogen würde. Und noch deutlicher:
"Mit der Stadt Lübeck ist eine nördliche Travequerung und die dazugehörige
Autobahn nicht machbar." (...)
Quelle: Lübecker Nachrichten vom 2.3.1993
(...) Eine
Gefährdung des Lübecker Grundwassers im Bereich der Travequerung ist gegeben.
Laut "UVS" (Umwelt-Verträglichkeits-Studie) S. 134/144 wird aus diesem
Haupttrinkwasserreservoir der Hansestadt mehr als 2./3 der Trinkwasserversorgung,
jährlich ca. 9,5 Mio kbm entnommen. Die "UVS" bezeichnet (S. 133/144
u. 134/144) sowohl die Oberflächengewässer als auch die Grundwässer als
"sehr hochempfindlich". Es soll hier lediglich auf die Gefahr der
Kontaminierung des unteren Grundwasserleiters eingegangen werden. Zwei Quellen
der Verschmutzung sind dabei die Oberflächengewässer bzw. der obere Grundwasserleiter
mit Belastungen durch Kohlenwasserstoffe, Schwermetalle, dem steigenden
Pharmazeutikapegel sowie Bakterien und die von der nur ca. 5 km entfernt
liegenden Giftmülldeponie Schönberg/Mecklenburg ausgehenden zum großen Teil
unbekannten Gefahren über den oberen und den unteren Grundwasserleiter.
Wir Lübecker sind derzeit in
unserem Bereich nur durch die zu großen Teilen unerforschte
Geschiebemergelschicht geschützt. Dabei ist noch nicht einmal 100%ig
sichergestellt, daß es im (politischen) Lübecker Gebiet nicht bereits zu
Verletzungen des unteren Leiters gekommen ist bzw. wie hoch die Gefahr einer
Verletzung durch andere Ursachen als den Tunnelbau bereits ist. Für die Deponie
Schönberg ist offensichtlich ‑ dies kann anhand von vielen
Presseberichten aus mehreren Jahrzehnten belegt werden ‑ daß der untere
Trinkwasserleiter bereits vor über 10 Jahren durch Sickerstoffe jedweder
Provenienz verseucht wurde. Seitdem wurde immer wieder von interessierter Seite
versucht, das Gefahrenszenario zu minimieren und aus der öffentlichen Diskussion
zu eliminieren. Es ist mehrfach nachgewiesen worden, daß es eine Verbindung
zwischen dem Gebiet unter der Deponie und dem Lübecker
Haupttrinkwasserreservoir gibt. Es ist fast schon unglaublich, mit welcher
Ignoranz die Politik verhindert, daß offensichtlich verbrecherische Aktivitäten
auf der weltweit größten Giftmüllhalde gestoppt werden. Auch der nachgewiesene
Einsatz von mindestens drei Geheimdiensten (DDR, BRD, USA), Rechtanwälten und
hohen Schmiergeldern sollte die lokale und die Landespolitik nicht davon
abhalten, endlich Maßnahmen einzuleiten, bevor es zu spät dazu ist. Fast ein
Jahrzehnt trügerischer Ruhe ist vergangen, in welchem die Giftstoffe auf Lübeck
zukriechen konnten. Durch den geplanten Tunnelbau wird die Transportgeschwindigkeit
des Wassers zweifellos erhöht werden. Wie auf S. 131/144 "UVS"
dokumentiert, ist während des Tunnelbaus "das Absenken des gespannten
unteren Grundwasserspiegels erforderlich"! D.h., der unter Druck stehende
untere Leiter wird einer Druckabsenkung unterworfen. Das erreicht man in der
Regel nur durch Abpumpen riesiger Mengen Trinkwassers ‑ wohin, wenn keine
Speichermöglichkeit besteht?: in die Trave! Es könnte sich dabei um Mengen in
der Größenordnung einiger Mio. Kubikmeter handeln. Neben dieser ungeheuren
Vergeudung (auch finanziell) entsteht jedoch ein gefährlicher Nebeneffekt: Durch
das Abpumpen ergibt sich ein Gefälle des Wasserdrucks, also z.B. beim Bohrloch
herrscht ein Druck von 1 bar und 5 km entfernt der ursprüngliche Druck von 2
bar. Wie auf S. 134/144 "UVS" für das Wasserwerk Kleinensee/Kücknitz
beschrieben, bildet sich ein sog. "Absenktrichter", der die
Fließrichtung des Grundwassers ändern kann ‑ aber auch die
Fließgeschwindigkeit erhöht. Für Lübeck heißt das, die Vielzahl unbekannter
Gift‑ und Gefahrstoffe im unteren Trinkwasserleiter unter der Deponie
wird beschleunigt in Richtung Lübeck in Bewegung gesetzt. Eventuelle
Verletzungen der trennenden Geschiebemergelschicht im Bereich Schönberg führen
durch die Reduzierung des Drucks im unteren Leiter dazu, daß zudem nun vermehrt
weitere unbekannte Chemikalien in die Trinkwasserschicht eindringen können. Zu
den kriminellen Taten von Politikern und Geschäftemachern mit dem Resultat einer
unverantwortlichen Kontaminierung durch die Deponie Schönberg im nächsten
Einzugsgebiet von ca. 300.000 Menschen addiert sich nun die von erheblicher
Dummheit dominierte Entscheidung zugunsten eines Bauwerks, das leicht (und
kostengünstiger) durch eine ungefährliche Variante ersetzt werden könnte.
Die Beschreibung der Vorgänge
bei einer Absenkung des Wasserdrucks beinhalten noch nicht die möglichen
Gefahren beim zweimaligen Durchbohren der Schluff/Mergelschicht mit einem
Bohrer des Durchmessers 10 oder 12 m. Es ist von der Baufirma wiederholt stark
betont worden, gerade bei diesem Vorgang würde größte Sorgfalt aufgewendet
werden. Das ist auch dringend erforderlich, denn bisher ist bei allen (!)
neueren Tunnelprojekten gerade dieser Vorgang nicht unter Kontrolle gebracht
worden! Bei Bohrarbeiten in Berlin, in Hamburg und in München gab es in
jüngster Vergangenheit schwerste Havarien, die angeblich nicht vorhersehbar
gewesen sein sollen. Es wurden sog. "Sandlinsen" angebohrt deren "Zerfließen"
bei dem (relativ kleinen) Tunnel in München zu dem spektakulären Verschlucken
eines kompletten Busses führte, in Hamburg knapp an einer Katastrophe mit dem
Verlust vieler Menschenleben vorbeiführte und in Berlin enorme Zusatzkosten
verursachte. Obwohl es sich bei der Tunneltrasse in Lübeck um ein kleines Areal
von weniger als 1000 m Länge und ca. 30 in Breite und Tiefe handelt, liegen
bisher keine so genauen Kenntnisse über den Grund vor, daß man über jeden Meter
die Beschaffenheit dokumentieren könnte (siehe auch S. 144 "UVS"). Es
wird somit "ins Blaue" gebohrt, daher ist eine Vorhersage über den
Verlauf der Arbeiten reine Spekulation. Diese Unkenntnis sowie die
unterschiedlichen Wasserdrücke in den Schichten machen alle Aussagen zu dem
dubiosen Verfahren der Abdichtung durch Einbringen von Dichtstoffen zwischen
der Außenseite des Tubbing (Betonröhre) und dem etwas größer gebohrten Loch zu
einem regelrechten Spiel mit einer großen Bandbreite unangenehmer
Möglichkeiten.
Die derzeit übliche Praxis der
Informationsverhinderung (gerade auch bei privaten Bauträgern) widerspricht
zwar den rechtlichen Anforderungen, wird aber auch in Lübeck solange zu Vertuschungen
führen, bis niemand mehr einen Nachweis auf Verletzung der trennenden Schichten
führen kann. Es kann jedoch auch sein, daß eins oder mehrere der unterdrückten
Gutachten und Stellungnahmen durchaus konkrete Gefahrenstellen benennt. Deren
Bekanntgabe würde sicherlich dem Bau der Röhren nicht förderlich sein.
Angenommen sei die durch die Bauaktivitäten tatsächlich erfolgte Verletzung der
Trennschicht, dann ist offensichtlich, daß die Lübecker danach Travewasser
aufzubereiten haben. Die Kontaminierung kann solche Ausmaße annehmen, daß der
Grundwasserleiter als Trinkwasserreservoir aufgegeben werden muß. Sollte die
Verseuchung des unteren Leiters sich wie erwartet in relativ langen Zeiträumen
vollziehen, so kann aufgrund bisher bekanntgewordener Erkrankungsmuster und
Inkubationszeiten darauf geschlossen werden, daß lange Zeit auf schwer
nachweisbare bzw. unbekannte Giftstoffe im Trinkwasser wenn überhaupt, dann nur
zu spät reagiert werden kann Es kann dann zu Schädigungen schwerster Art (z.B.
durch Seweso‑Gift) in einem quantitativ nicht absehbaren Rahmen kommen,
d.h. daß große Teile der Lübecker Bevölkerung betroffen sein werden. Ein
solches Szenario kann ich meiner Familie nicht zumuten.
Es ist in diesem Zusammenhang
den verantwortlichen Behörden vorzuwerfen, wegen der zu erwartenden Einwände
sämtliche Unterlagen, Gutachten und Stellungnahmen nicht der Öffentlichkeit
vorgelegt zu haben. Die praktizierte Geheimhaltung ist durch nichts zu
rechtfertigen und verfestigt den Verdacht, daß es Gründe geben muß, die eine
Durchführung dieser Baumaßnahme verbieten. Da es immer noch bauliche
Alternativen gibt, erhebt sich die Vermutung (aus der Erfahrung analoger
Vorgänge aus der Vergangenheit) einer rechtswidrigen Interessenverquickung
zuungunsten der Steuerzahler.
Es ist bisher keine
Stellungnahme der Politik bezüglich der offensichtlich starken Gefährdung der
Trinkwasserqualität erfolgt. Daher liegen auch keine Berechnungen vor, die sich
mit den Folgekosten bei einer Kontaminierung des unteren Grundwasserleiters
auseinandersetzten. Da 2/3 des Lübecker Trinkwassers betroffen sein werden,
müssen sich enorme und hier nicht einmal ansatzweise abzuschätzende Kosten
ergeben. Sollte der Fall von Massenerkrankungen und gar Todesfällen eintreten,
erhöhen sich die rein materiellen Ausgaben selbstverständlich. Bezüglich der
Inanspruchnahme der Industrie gibt es in Deutschland einen erschreckenden
Präzedenzfall, der mit Marke "Contergan" der Chemie Grünenthal
zusammenhängt. Ohne weiteres läßt sich eine vorausschauende Analogie entwerfen,
da selbstverständlich die Betreibergesellschaft die Verantwortung von sich
weisen wird und auch (bis auf die antizipierten Anwaltskosten) in keiner Weise
eine finanzielle Vorsorge für den Trinkwasser‑GAU eingeplant hat. Die
hier geforderte Stellungnahme der Politik wird auch schon aus dem Grunde nicht
erwartet, weil bereits das bisherige, komplizenhafte Schweigen zu den
kriminellen Vorgängen in Schönberg beredt genug ist. Auch ohne die abwendbare
Gefahr der unnötigen Tunnelbohrungen ist die Gefährdung des Lübecker
Trinkwassers bereits eine bestehende Tatsache, die durch die totale Untätigkeit
der unverantwortlichen Politiker und der unverantwortlichen Behörden sich wohl
kaum zum Positiven wenden wird, Obwohl dem nicht nachvollziehbaren,
widerspruchsvollen Variantenspiel (Klappbrücke, Hochbrücke, Tunnel) der
"UVS" in keiner Weise zugestimmt werden kann, sollte die Aussage auf
S 139/144 nicht ausgelassen werden: Das höchste ökologische Risiko entsteht
durch den Bau eines Tunnels. Es ist mir nicht möglich gewesen, das überraschende
Ergebnis auf S.142/144: "Günstigste Variante: "Schildvortriebstunnel"
anders zu verstehen als unter dem einzigen möglichen Aspekt der
Profiterwartungen des Betreibers.
Die verschärften Vorschriften
der Europäischen Union, z.B. Richtlinie 98/83/EG des Rates von 98‑11‑03
über die Qualität des Wassers für den menschlichen Gebrauch, die für Wasserversorger
für mehr als 5.000 Bürger gilt, ist bei der bisherigen Planung nicht beachtet
worden. Weil die Ignoranz gegenüber europäischer Gesetzgebung inzwischen als
Kavaliersdelikt von seiten der Politik und Verwaltung gesehen wird, werde ich
diesen Einspruch auch an die Europäische Kommission in Brüssel senden und darum
bitten, das Genehmigungsverfahren in Lübeck zu kontrollieren. (...)
Quelle: Auszug aus der Begründung des Einspruchs des Diplom Volkswirts
und Ingenieurs Peter Wolter aus Lübeck gegen das Bauvorhaben Travequerung durch
Tunnel als Ersatz der Herrenbrücke (B 75) vom 7. Februar 2000
Anmerkung: Das Planfeststellungsverfahren wurde - wie üblich - in der Art
einer pseudodemokratischen Alibiveranstaltung durchgezogen. Der Tunnel wird
noch 2005 in Betrieb genommen werden und der Bürger hat dann für jede Benutzung
mit dem PKW 75 Cent zu entrichten. Das Schicksal der Unrentabilität des
Warnow-Tunnels haben auch die Initiatoren des "Herrentunnels"
verdient und viele betroffene Bürger - nicht nur aus Lübeck - werden auf die
ebenfalls alsbald fertiggestellte kostenfreie Nordtangente ausweichen. Dabei
werden sie sich auch nicht von den Milchmädchenrechnungen angeblicher
Mehrkosten durch das dem Establishment stets sehr verbundene
pressemonopolistische Regionalblatt irritieren lassen.