Der Kosovo-Krieg - ein Schritt zur One World

Zu den Hintergründen des Balkankrieges

 

Das vergangene Jahr brachte mit dem Kosovo-Krieg nach den früheren Konflikten auf dem Boden des auseinanderbrechenden Jugoslawiens eine neue militärische Auseinandersetzung in Europa. Fast drei Monate bombardierte die NATO unter US-Führung Serbien und das Kosovo, angeblich um den Völkermord an den Kosovo-Albanern zu verhindern. In Wirklichkeit wurden die Vertreibung und der Massenmord durch die Luftangriffe erst richtig ausgelöst. Erst langsam berichtigen manche Massenmedien ihre früheren Darstellungen, indem sie - wie beim Golfkrieg - nachträglich zugeben, daß vor dem Beginn und während des Kosovo-Konfliks gegen die Serben eine teilweise unberechtigte Greuelpropaganda durchgeführt wurde, damit die Bevölkerung der westlichen Länder den von den USA angeführten Angriffskrieg billige. Die angeblichen Massengräber mit albanischen Opfern wurden bisher in der angegebenen Zahl nicht gefunden, die Militärs mußten zugeben, daß sie mit falschen oder falsch vorgeführten Filmen die Öffentlichkeit getäuscht hatten. Fand das den eigentlichen Krieg auslösende Massaker von Racak gar nicht statt? Wurden bewußt zivile Ziele zerstört?

Daß die USA diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg ohne UNO-Auftrag vom Zaun gebrochen und alle vorherigen Friedensbemühungen hintertrieben haben, ist schon Allgemeingut geworden. Daß damit ein folgenschwerer Präzedenzfall für das Völkerrecht in Richtung auf ein >neues Völkerrecht< mit erlaubten Angriffskriegen bei vorgeblichen schweren Menschenrechtsverletzungen eingetreten ist, wird befürchtet. Daß nun die NATO aus einem reinen Verteidigungsbündnis zu einem Handlanger der USA bei deren willkürlichen weltweiten Eingriffen in die Souveränität anderer Staaten werden soll, wird schon erörtert und dürfte bereits geplant werden.

Aber auch diese Beurteilung greift noch zu kurz. Es ist das Verdienst unseres Autors Mansur Khan, der vor anderthalb Jahren durch sein erstes Werk Die geheime Geschichte der amerikanischen Kriege hervortrat, in seinem neuen Buch Das Kosovo-Komplott. Vom Balkankrieg zur US-Weltherrschaft das dortige Geschehen in den notwendigen größeren Zusammenhang gestellt zu haben.. Er weist vor allem auf die geopolitischen Zusammenhänge hin, daß bei der Auflösung Jugoslawiens, dieses unseligen Erbes des Diktats von St. Germain aus dem Jahre 1919, die Vereinigten Staaten von Amerika eine günstige Gelegenheit nutzten, um ihren Einfluß - wie in der Golfregion 1991 - nun auch im südöstlichen Europa und damit einem wichtigen Vorfeld des Vorderen Orients wie der Kaukasus-Region zu festigen.

In einer ausführlichen Darstellung der Entwicklung auf dem Balkan seit der Auflösung des Ostblocks gibt der Verfasser Auskunft über die Vorgänge, die zum Zerbrechen des Vielvölkerstaates Jugoslawien und dann zur Selbständigkeit Sloweniens und Kroatiens und der Teilung Bosniens wie der Herzegowina führten. Er beschreibt insbesondere die heuchlerische Politik Washingtons, das hinter den Kulissen immer mehr zu einer Anheizung der Verhältnisse trieb, ähnlich wie bei Japan 1941 beginnend mit wirtschaftlichen Abschnürungen und Handelsboykotten. Wie Hussein vor seinem Einfall in Kuwait in die Falle gelockt wurde, so wurde Milosevic, zunächst von den USA gefördert, zu Übergriffen geködert. bis hin zu der Schmierenkomödie der letzten Verhandlungen von Rambouillet. Systematisch arbeitete die >US-Machtelite< auf ein kriegerisches Eingreifen im Kosovo hin, um dann in wochenlangen Vernichtungsschlägen aus der Luft vor allem die wirtschaftliche Infrastruktur des Landes zu zerstören. Was dabei zunächst als einzelne bedauerliche >Fehler< oder >Irrtümer< bezeichnet wurde, erweist sich immer mehr als kühl geplante Vernichtung der wirtschaftlichen Grundlagen eines ganzen Landes, auch in der Absicht, in den Besitz der reichen Bodenschätze der Region zu kommen. Im Kosovo - wie in Albanien - sollen große Lager vor allem solcher Erze liegen, die für die Hochtechnologie wichtig sind.

Wirtschaftlich hat sich der Kosovo-Krieg für die USA bereits gelohnt: Die starke Auslastung der US-Rüstungsindustrie hat zu einem neuen Wirtschaftsboom in den Staaten geführt, eine drohende Rezession wurde überwunden. Wieder einmal scheuten die USA nicht vor der Inszenierung eines Krieges zurück, um eine Wirtschaftsflaute zu überwinden. Darüber hinaus wurde die europäische Wirtschaftskonkurrenz erheblich geschwächt. Der Dollar ist so stark wie seit langem nicht, der Euro sank dagegen um fast 20 Prozent seit seiner Einführung, und sein Fallen hält weiterhin an. Dazu werden Milliarden DM an Kriegskosten und noch größere Summen für den Wiederaufbau im früheren Jugoslawien auf Europa zukommen, ganz abgesehen von den Kosten für die Hunderttausende von Flüchtlingen, von denen die Bundesrepublik Deutschland wieder die meisten aufnahm. Die Länder der Europäischen Union, die sich als Wirtschaftsblock neben den USA entfalten wollten, wurden erfolgreich finanziell abgeschöpft und auf längere Zeit wirtschaftlich stark belastet.

Doch noch wichtigere, wenn auch verdecktere Gründe für ein Eingreifen der USA auf dem Balkan ergeben sich - und das beschreibt Khan ebenso ausführlich - aus geostrategischen Gründen. Den Vereinigten Staaten von Amerika als nach dem Zerfall der Sowjetunion einziger übrig gebliebenen Weltmacht muß es zum einen ein Anliegen sein, in der zur Zeit ohne Bedrohung dastehenden NATO weiter die erste Geige zu spielen und sie vor ihren Karren zu spannen, was ihnen im Kosovo-Krieg vollkommen gelang. Trotz ihres Widerwillens wurden die Europäer in einen Angriffskrieg hineingerissen, wobei die einzelnen Staaten erfolgreich diszipliniert wurden und Washington vor aller Welt kundtat, wer das Sagen hat. Die NATO, bisher ein reines Verteidigungsbündnis, wurde für einen satzungswidrigen Angriffsfall eingesetzt und im Grunde für amerikanische Ziele mißbraucht. Da die UNO wegen der bei ihr derzeit herrschenden Mehrheitsverhältnisse nicht immer im Sinne der USA abzustimmen bereit ist, hat sich Washington nun in der NATO einen neuen Degen für seine weltweiten Eingreifaktionen geschaffen.

Gleichzeitig wurde damit die seit 1993 von den USA betriebene eilige Osterweiterung der NATO vorangebracht, was für die schon mit großen Osthypotheken belegten Europäer weitere Belastungen ergibt, ganz abgesehen davon, daß auf diese Weise Amerika weiterhin seine Hand in den europäischen Angelegenheiten mit im Spiele hat. Die Schaffung des sicher noch weiter schwelenden Krisenherdes im ehemaligen Jugoslawien, der durch die neuen gegenseitigen Grausamkeiten von beiden Seiten mit weiterem Haß aufgeladen wurde, sichert den USA auf lange Zeit bleibenden Einfluß auf Europas Südostflanke.

Zum anderen ist geopolitisch der Balkan als Sprungbrett Amerikas zu den wirtschaftlich äußerst interessanten südlichen Gebieten der früheren Sowjetunion zu sehen. Hier liegen ungeheure Erdölvorkommen und Erzlagerstätten, auf die die US-Wirtschaft den Zugriff haben möchte. Nicht zufällig ist der Kampf um Tschetschenien wieder äußerst hart entbrannt. Seit Wochen versuchen starke russische Streitkräfte den Flächenbrand zu löschen. Trotz angeblich großer Übermacht hatten sie es bei der Eroberung von Grosny sehr schwer. Man darf raten, woher die Aufständischen ihre vielen und guten Waffen haben, um einer hochgerüsteten Armee solchen Widerstand entgegensetzen zu können - von ihren islamischen Freunden sicher nicht allein. Das Ringen um die Regionen um das Kaspische Meer wird wohl die nächsten Jahre bestimmen. Wenn Rußland sich nicht ganz aufgeben will, kann es in diesem Gebiet kaum stark zurückstecken. Nur zu gern würden die USA hier mehr als einen Fuß in der Türe haben. Der Konfliktstoff zu einem neuen Weltkrieg ist durchaus vorhanden.

Ein ähnlicher Grund zum Eingreifen wie im Kosovo ist nach entsprechender Vorbereitung in den Massenmedien schnell zu finden. Wo gibt es bei erfolgreich geschürten Aufständen und dadurch provoziertem Eingreifen der Staatsmacht keine ergreifenden Bilder verübter schrecklicher Grausamkeiten? Natürlich werden dann von den gleichgeschalteten Medien nur die der einen Seite gezeigt. Dann wird sicher zum zweitenmal das >neue Völkerrecht< angewendet, das >aus humanitären Gründen seit dem Kosovo-Krieg den militärischen Angriff auf einen anderen Staat ermöglicht. Und wer will sich solch einem Zwang zur Menschlichkeit entziehen?

Disziplinierung der NATO und Europas, Ausschalten der UNO und uneingeschränkte Anerkennung der USA als Weltführungsmacht haben offenkundig gemacht, wo zur Zeit alle Fäden zusammenlaufen und wer über Krieg und Frieden bestimmt. Die One World naht.

Im Augenblick herrscht nach außen hin Frieden auf dem Balkan. Doch dieses Pulverfaß ist noch nicht entschärft. Allen Europäern sollte daran gelegen sein, daß hier endlich erträgliche Verhältnisse und ein dauerhafter Frieden eintreten. Die Europäische Union darf es nicht dulden, daß der schon seit rund einem Jahrzehnt schwelende Konflikt in ihrem südöstlichen Vorhof weiterhin erhalten bleibt und immer wieder zu grausamen Gewalttätigkeiten führt. Eine endgültige Befriedung wird allerdings noch vieler und ehrlicher Bemühungen bedürfen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, daß die Gründe für die bisherigen Konflikte und die Motive der Einfluß nehmenden Mächte erkannt werden, daß auch die Öffentlichkeit die im Hintergrund wirkenden Kräfte erkennt und daß das Wohlergehen der unmittelbar betroffenen Völker höher geachtet wird als die Wirtschaftsinteressen raumfremder Finanzkreise. Dazu kann das erwähnte Buch mit seinen vielen Hinweisen und Quellenangaben in besonderem Maße beitragen. (Mansur Khan: "Das Kosovo-Komplott", 320 S., Pb., DM 32,-)

Quelle: EURO-Kurier 1/2000