Die Berliner Rütli-Schule kam vor
ein paar Monaten in
die Schlagzeilen, weil negative Entwicklungen offenbar nicht mehr gebremst werden konnten. Das Erfurter Gutenberg-Gymnasium kam in die Schlagzeilen, weil ein ehemaliger Schüler
einen Amoklauf unternahm. Im Gedächtnis der Schüler und Lehrer werden allein dadurch
andere Inhalte als bei den Leipziger Thomanern oder im Berliner Regierungskindergarten
präsent bleiben.
Das kollektive Gedächtnis wurde
unabhängig vom
Willen des Einzelnen gefüllt.
Kollektives Gedächtnis ist das, was eine Gruppe von Menschen mehrheitlich erinnert. Es ermöglicht dem Einzelnen, intuitiv Gemeinsamkeiten zu erkennen und bildet so
die Basis der Kommunikation zwischen den Angehörigen der Gruppe.
Natürlich gibt es kein
kollektives Gedächtnis ohne das
individuelle Erinnern. Und nur dieses
erlaubt die Herausbildung einer Identität. Diese wiederum ist stets das
Fundament zukunftsgerichteter Lebensziele, die im günstigen Fall auch
von Nutzen für die sozialen Gruppen sein
sollten, in die der Einzelne eingebunden ist.
Werden diese Mechanismen blockiert, wird es sehr viel
schwerer, massenhaft Einzelne zu sozialem
statt egoistischem Verhalten zu erziehen.
Und es wird sehr viel schwerer, das Miteinander einer Gruppe von
Menschen soweit reifen zu lassen, dass die
freiwillige Erarbeitung und Akzeptanz von sozialen Regeln funktioniert. Wenn politische Führungen ihrem Volk bei diesen Reifungsprozessen
misstrauen, haben strafbewehrte Verbote Konjunktur. Zumindest eine Zeit lang.
In der Regel genügt es, ein oder
zwei Generationen
lang ein Volk totalitärer Gehirnwäsche
zu unterziehen, um sein kollektives
Gedächtnis auszulöschen. In
Deutschland gab es sogar Minister,
die sich weigerten, die eigene Nationalhymne mitzusingen, sich aber gleichzeitig völlig sicher waren, diese
Nation in eine gute Zukunft führen zu können.
Herausgekommen ist eine Gesellschaft,
in der allein seit der Jahrtausendwende 3776326 Gewerbe mit mehreren
Millionen Arbeitsplätzen aufgegeben werden mussten. Eine Gesellschaft, die sich ein überzogenes
Antidiskriminierungsgesetz verordnet, aber nicht merkt, wenn in türkischen „Kultur“vereinen und russischen
Diskos „Zutritt für Deutsche verboten“ wird und arabischer Rassismus scharenweise Türken aus Berlins Sonnenallee vertreibt.
Eine Gesellschaft, die ihr
Schulwesen mit mehr Geld statt mehr
Erziehung sanieren will und glaubt, mit dem Ruf
„Verbietet Gewaltvideos!“ die Jugendkriminalität unter deutschen und
ausländischen Jugendlichen einzudämmen.
Es gab (und gibt) Politiker, die
Ereignisse wie an
der Rütli-Schule und am Gutenberg-Gymnasium
nach wie vor für das Versagen einzelner
Lehrer, Direktoren und Eltern
halten. Natürlich haben diese Einzelnen versagt. Aber bei bestem Willen und
aller Kraft werden noch viele Einzelne in einer Gesellschaft versagen, die sich selbst nicht richtig leiden kann
und nicht wirklich weiß, wo sie hinwill.
Ihr Dr. Helfried Schmidt
Quelle: P.T. Magazin – Januar/Februar 2007 – S. 3 (Editorial des
verantwortlichen Redakteurs)