Zensur

Eine Zensur findet nicht statt, es sei denn ...

von Anton Mägerle

 

Vorspiel

Zensur ist in der Geschichte Deutschlands leider eher die Regel als die Ausnahme. Eingeführt wurde sie durch die katholische Kirche in Form der heiligen Inquisition. Es blieb jedoch dem berühmten österreichischen Staatsmann Metternich überlassen, das System der Unterdrückung der Meinungsfreiheit durch einen umfassenden Spitzel- und Überwachungsapparat zu perfektionieren. Weder das deutsche Kaiserreich noch die Weimarer Republik waren im Umgang mit unerwünschter Literatur besonders zimperlich. Den schlechtesten Ruf jedoch hat zweifellos das Dritte Reich erworben, das es fertig brachte, in den 12 Jahren seines Bestehens etwa 10.000 Bücher zu indizieren. Diese Bücher wurden zwar nicht verbrannt, verschwanden jedoch aus den Verkaufsregalen und wurden in die Archive der Bibliothen verbannt.

Weit weniger bekannt ist die Tatsache, daß es gerade die alliierten »Befreier« Deutschlands waren, die die größte Büchervernichtungsaktion in Szene setzten, die die Menschheit je zu Gesicht bekommen hatte. Unter anderem 34.645 Buchtitel sowie pauschal alle Schulbücher der Jahre zwischen 1933 und 1945 fielen der alliierten Ungnade zum Opfer und durften nach dem Kriege nicht nur nicht mehr verkauft und gedruckt werden, sondern mußten ebenso aus den Archiven vieler Bibliotheken verschwinden. Unter dem Titel Liste der auszusondernden Literatur veröffentlichte die sowjetische Besatzungsmacht in den Jahren zwischen 1946 und 1952 vier derartiger Büchervernichtungslisten, von denen die ersten drei entsprechend den Ausführungen in den Vorbemerkungen der Zensoren zum zweiten und dritten Band auch in den westlichen Besatzungszonen gültig wurden.

Das deutsche Grundgesetz

Das deutsche Grundgesetz verbietet bekanntlich im Artikel 5 Absatz 1 Satz 3 die Zensur. Absatz 2 des gleichen Artikels jedoch beschränkt diese Zensurfreiheit unter anderem durch die Vorschriften »allgemeiner« Gesetze. Somit kann hier ein Menschenrecht zumindest theoretisch durch einfache Gesetze wie etwa des Strafrechts aufgehoben werden. Das Bundesverfassungsgerichtes hat diesbezüglich festgestellt, daß unter »allgemeinen Gesetzen« solche zu verstehen sind, die nicht eine bestimmte Meinung verhindern oder sich gegen die Meinungsäußerung als solche wenden. Zudem dürfen allgemeine Gesetze ein Grundrecht nur dann beschränken, wenn sie dem Schutz eines anderen Grundrechtes dienen. Zwischen beiden im Konflikt miteinander stehenden Grundrechten müsse nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Güterabwägung stattfinden.

Weitere Einschränkungen der Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Absatz 2 GG dienen dem Schutz der Jugend und der persönlichen Ehre. Nach Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes verbietet es die zentrale Bedeutung des Menschenrechts auf Meinungsfreiheit, Schriften einer Zensur zu unterziehen, wenn von ihnen nicht zumindest stets oder typischerweise Gefahren für die Jugend ausgehen.

Bezüglich der Verletzung der Ehre hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, daß eine solche Verletzung im allgemeinen nicht vorliegt, wenn keine kränkende Ausdrucksweise Anwendung findet.

Das Strafrecht

Das deutsche Strafgesetzbuch (StGB) verfügt insbesondere in den Paragraphen 185, 189 und 130f. über Instrumente, um Zensur auszuüben. Während die Paragraphen 185 und 189 (Beleidigung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener) unter die Rubrik "Ehrverletzung" subsumiert werden können, fallen die Paragraphen 130f (Volksverhetzung, Aufstachelung zum Haß) in einen gemischten Bereich von Ehrverletzung, Verletzung der Menschenwürde (Artikel 1 Grundgesetz) und Gefährdung des öffentlichen Friedens, einer hier nicht näher zu untersuchenden Begriffschimäre.

Mit der Neufassung des Paragraphen 130 StGB im Herbst 1994 (die sogenannte Lex Deckert) wurde unter anderem bestimmt, daß sich strafbar macht, »wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 220 a Abs. 1 [Völkermord, A.M.] bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.«

Damit haben wir genau jenen Fall, den das Bundesverfassungsgericht eigentlich ausgeschlossen hat: Hier wird eine einzige Meinung über ein Detail der Geschichte lediglich eines Regimes der Vergangenheit unter Strafe gestellt. Dieses im »Schnellverfahren verabschiedete, unausgegorene« "Sondergesetz gegen Meinungsfreiheit" steht also schon unter diesem Aspekt betrachtet im Verdacht, verfassungswidrig zu sein. Dementsprechend scharf wird die Regelung in der deutschen juristischen Fachliteratur angegriffen. Sie stelle im Ergebnis »einen Anschlag auf die geistige Freiheit Andersdenkender dar. « Es handele sich um "geradezu den Musterfall einer Norm [ ... ), die [ ... ] gegen eine bestimmte inhaltliche Meinung gerichtet ist."

»Die Legitimität der Vorschrift ist zumindest zweifelhaft; bezweifeln kann man schon, ob eine Lüge überhaupt strafwürdiges Unrecht ist, bezweifeln muß man, ob das bloße Leugnen einer historischen Tatsache ohne Agitationscharakter gerade als Volksverhetzung erfaßt werden darf. «

Der neu in des deutsche Strafrecht eingeführte Begriff des »Leugnens« eines von Staats wegen für wahr erachteten Sachverhalts wirft strafrechtlich kaum lösbare Probleme auf. Damit das Leugnen objektiv ein Straftatbestand werden kann, muß es vorsätzlich geschehen, das heißt der Täter muß wissen, daß er die Unwahrheit sagt, und der Richter muß dieses Wissen beweisen, was an sich schon fast unmöglich ist. Um aber auch und gerade den "Überzeugungstäter" also jenen, der davon überzeugt ist, die Wahrheit zu sagen, bestrafen zu können, definiert die deutsche Justiz den Begriff des Vorsatzes in diesem Fall völlig neu:

"Vorsatz kann dann nur noch Wissen darum sein, daß man sich mit seiner Überzeugung im Widerspruch zu dem befindet, was nach " herrschender Meinung " für diese unbestreitbar eine historische Tatsache ist. Ein rechtsstaatliches Schuldstrafrecht steht damit freilich am Scheideweg [zum Willkürstrafrecht]. So wie Auschwitz immer ein Trauma der Deutschen bleiben wird, so ist ein solches offenbar auch die "Auschwitzlüge" für das deutsche Strafrecht."

Der neugefaßte § 130 StGB umfaßt jedoch noch wesentlich weitergehende Bestimmungen. So stellt er nicht nur andere Meinungen über bestimmte Aspekte der NSMinderheitenverfolgungen unter Strafe, sondern in gewisser Weise alles, was als Aufstachelung zum Haß gegen irgendwelche definierten Bevölkerungsgruppen aufgefaßt werden könnte. Der wichtigste deutsche Strafgesetzkommentar stellt dazu fest, daß durch diese Novelle praktisch jede Art der Kritik an irgendwie definierten Bevölkerungsgruppen zu einem Straftatbestand werden könne, da das zu schützende Rechtsgut (Anti-Diskriminierungsgebot) in diesem Paragraphen zu allgemein gehalten sei.

Zudem ermöglicht der neue § 130 StGB bereits die präventive Zensur durch Einziehung von Schriften oder sonstigen Datenträgern, die angeblich erst für eine Verbreitung bestimmt sind. Eine Verteilungsabsicht verbotener Schriften ist nach Meinung der Justiz gegeben, wenn eine Person mehrmals ein Exemplar von einem Datenträger besitzt.

Daß dieses neue deutsche Recht mit internationalen Menschenrechtsnormen schwer in Übereinstimmung zu bringen ist, wird von Deutschlands führenden Politikern offen eingestanden. jedoch mit der besonderen Geschichte des Landes entschuldigt.

Indizierungen

Die erste Stufe deutscher Zensur, die Indizierung z.B. eines Druckwerkes durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPjS) auf Antrag etwa eines Jugendamtes, führt dazu, daß für das indizierte Druckwerk nicht mehr geworben werden darf und daß es nicht an Jugendliche unter 18 Jahren veräußert oder ihnen sonstwie zugänglich gemacht werden darf. Dies führt praktisch dazu, daß das Buch in der Öffentlichkeit aufhört zu existieren, da man auf legale Weise nur über private Kanäle von dessen Existenz erfahren kann - abgesehen von der durch die BPjS regelmäßig in ihrem Bericht publizierte Liste indizierter Werke. Diese Liste umfaßt inzwischen Tausende von Druckwerken, Film und Tonträgern.

Während die Bundesprüfstelle anfangs vor allem zum Schutz der Jugend vor Pornographie und Gewaltverherrlichung geschaffen wurde, beschäftigte sie sich seit ihrem Bestehen auch zunehmend mit dem Kampf gegen politisch oder historisch unbeliebte Literatur. Eckhard Jesse, heute Professor für Soziologie in Chemnitz, kritisierte bereits 1990, daß sich die Bundesprüfstelle "in mancher Hinsicht als Einfallstor eines einseitigen Antifaschismus erwiesen habe" und daß deren Maßnahmen "(Mit) den Prinzipien einer freiheitlichen Gesellschaft nur schwer vereinbar [sei], weil das geschriebene und gesprochene Wort in einer offenen Gesellschaft prinzipiell nicht unter Kuratel gestellt werden darf"

Jesse findet es zwar bedauerlich, daß in unserer Gesellschaft das geschriebene Wort unter Kuratel gestellt wird, empfindet es jedoch als tröstlich, daß durch die Publikation dieser Indizierungsentscheidungen ihre Überprüfung durch die Öffentlichkeit möglich sei. Dieses erstaunliche Eingeständnis menschenrechtswidriger Zensurmaßnahmen unter der Herausgeberschaft der Bundesverfassungsschutzes ist bisher wenig beachtet worden.

Zentrale Bedeutung für die Zensurpraxis der Bundesprüfstelle hat die Entscheidung deutscher Gerichte im Fall des Buches Wahrheit für Deutschland bekommen, das sich angeblich auf unwissenschaftliche Weise - mit der Kriegsschuldfrage des Zweiten Weltkrieges befaßt. Es wurde Ende der siebziger Jahre von der Bundesprüfstelle indiziert. 1994 erklärte das Bundesverfassungsgericht diese Entscheidung für rechtswidrig, worauf die Bundesprüfstelle das Buch umgehend mit einer leicht umformulierten Begründung. erneut indizierte. Des Autors Einspruch dagegen sowie seine Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln waren erfolgreich. Laut Urteil hat es die Bundesprüfstelle versäumt zu beweisen, daß von dem Buch eine Gefährdung der Jugend ausgehe:

»Die Bundesprüfstelle verkennt, daß gerade durch die Möglichkeit der offenen Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Meinungen die Kritikfähigkeit der Jugendlichen gestützt wird, was eine freie Diskussion erfordert. Hierzu bedarf es neben der Vermittlung des historischen Geschehens gerade der kritischen Auseinandersetzung mit abweichenden Meinungen. Hierdurch kann, was die Bundesprüfstelle in ihrer Abwägung überhaupt nicht eingestellt hat ( ... ) die Jugend (möglicherweise) sehr viel wirksamer vor Anfälligkeiten für verzerrende Geschichtsdarstellungen geschützt werden als durch eine Indizierung, die solchen Meinungen sogar berechtigte Anziehungskraft verleihen könnte. «

Aus diesem Urteil wie aus dem vorausgegangenen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes geht allerdings auch hervor, daß diese Grundsätze nicht gelten, wenn zum Beispiel die Geschichtsschreibung über das Schicksal der Juden im Dritten Reich in Frage gestellt wird. Hierdurch werde nicht nur eine offenkundig wissenschaftlich falsche Meinung vertreten, sondern zudem der Nationalsozialismus verherrlicht und die Juden in ihrer Gesamtheit verunglimpft. Dazu ist es nicht etwa nötig, daß eine solche Schrift Juden verbal angreift oder sich mit der nationalsozialistischen Ideologie identifiziert. Selbst eine Sympathieerklärung für die Juden und eine Verdammung sonstiger nationalsozialistischer Verfehlungen hilft einem solchen Werke nichts, wenn an nur einer Stelle offen die Faktizität des Holocaust in Frage gestellt wird. Das alleine reicht deutschen Gerichten bereits als Beweis für eine Verherrlichung des NS-Systems und für eine Beleidigungsabsicht gegenüber Juden aus.

Einsprüche gegen Indizierungen »holocaust-leugnender« Bücher waren bisher ohne jeden Erfolg, da deutsche Gerichte alle Beweisanträge in solchen Verfahren ablehnen. Die Dokumentationen diesbezüglich sind allerdings bisher sehr bruchstückhaft. So sind ältere Bücher, die die Faktizität des Holocaust bestreiten, wie etwa Geschichte der Verfemung Deutschlands, Hexeneinmaleins einer Lüge, Feuerzeichen oder Die 2. Babylonische Gefangenschaft im Index der Bundesprüfstelle nicht zu finden. Eines der ersten vom Stile her gewiß wissenschaftlich zu nennenden Bücher dieser Gattung hingegen, Der Jahrhundertbetrug, wurde im Frühjahr 1979 indiziert.

Zumindest indirekt berühmt geworden ist eine Schrift aus dem zuletzt in Dänemark ansässigen Kritik-Verlag. Dieser hatte Ende der siebziger Jahre eine Broschüre des Titels Die Auschwitz-Lüge publiziert, in dem ein ehemaliger deutscher Soldat seine Erlebnisse in Auschwitz schilderte, die den bekannten Zeugenberichten diametral entgegenstehen. Der Titel der Schrift wurde zumindest in Deutschland Inbegriff für das, was man ansonsten weniger polemisch den »Holocaust-Revisionismus« nennt, also die Verfechtung der These, es habe im Dritten Reich keine Politik der Ausrottung von Juden gegeben. Ein Portrait des in Deutschland strafrechtlich verfolgten und ins Exil geflohenen Verfassers dieser Broschüre, Thies Christophersen, wurde von Amnesty International 1995 als Werbung für die Meinungsfreiheit eingesetzt, da auch die umstrittensten aller Meinungen, nämlich die Holocaustbestreitenden, den Schutz des Menschenrechts auf freie Meinungsäußerung genießen müßten. Die Schrift wurde erst 1993 indiziert, also 20 Jahre nach ihrem Erscheinen.

Eine Änderung in der Entscheidungspraxis der Bundesprüfstelle seit der Verschärfung des Strafrechts 1994 ist bisher nicht festgestellt worden und auch nicht unbedingt zu erwarten, da die Bundesprüfstelle nach dem Gesetz zum Schutz der Jugend (GjS) vorgeht und nicht nach dem Strafrecht.

Einziehungen bis 1994

Die zweite Stufe deutscher Zensur, die sogenannte Einziehung, wird in der Öffentlichkeit kaum registriert, und auch der oben zitierte Prof. E. Jesse scheint sie entweder nicht zu kennen oder zu ignorieren. Die Einziehung eines Druckwerkes erfolgt auf Beschluß irgendeines Gerichtes. Was mit den sichergestellten Exemplaren einer solchen Schrift geschieht, ist nicht ganz klar, dürfte aber je nach Polizeidienststelle unterschiedlich sein. Ein Verleger, der des öfteren von Bucheinziehungsverfahren betroffen ist, berichtete in dem Zusammenhang, ihm sei mitgeteilt worden, die Bücher würden unter polizeilicher Aufsicht verbrannt.

Nach Auskunft der Bundesregierung gibt es im Gegensatz zu den indizierten Werken keine Stelle, die eine wenigstens annähernd vollständige Liste der eingezogenen Werke publiziert, und auch die Einziehungsbeschlüsse der Gerichte werden nirgends publiziert. Zwar ist jedes Gericht, das die Einziehung einer Schrift beschließt oder aufhebt, verpflichtet, das Bundeskriminalamt davon zu verständigen, das somit eine vollständige Liste besitzen müßte (es dient den Gerichten als Auskunftsstelle für bereits bestehende Einziehungsbeschlüsse). Eine Publikation dieser Einziehungsbeschlüsse erfolgt aber nur gelegentlich in dem der Öffentlichkeit nicht ohne weiteres zugänglichen Bundeskriminalblatt. Was für die öffentliche Kontrolle der Indizierung gilt, gilt also nicht für die Einziehung. Hier wird die Öffentlichkeit völlig im Unklaren gelassen.

Obwohl von Einziehungsverfahren auch pornographische oder gewaltverherrlichende Veröffentlichungen betroffen sind, sollen diese hier nicht besonders betrachtet werden, da die Vernichtung politischer oder historischer Publikationen vom menschenrechtlichen Standpunkt aus betrachtet wesentlich brisanter ist.

Bis zum Jahr 1994 war die Anzahl der eingezogenen Schriften politischen oder historischen Inhalts überschaubar. In den siebziger Jahren waren davon vor allem Bücher betroffen, die für den damaligen linksextremen Terrorismus der Roten Armee Fraktion Verständnis aufbrachten oder in ihren Sympathiekundgebungen sogar noch weiter gingen.

Einen Zusammenhang zwischen dem Verbot rechter oder geschichtsrevisionistischer Literatur und rechtsextremen, gar staatsgefährdenden Gewalttaten hat es dagegen nie gegeben, und zwar allein schon deshalb, weil es in der deutschen Geschichte nie einen rechtsextremen Terrorismus gegeben hat. Zudem argumentiert insbesondere der Geschichtsrevisionismus nicht primär politisch. Hier sind es die möglichen politischen Auswirkungen einer Änderung des Geschichtsbildes, die Anlaß zur staatlichen Verfolgung geben . Der spektakulärste Büchervernichtungsfall der 70er Jahre gegen ein revisionistisches Buch war sicher die Einziehung des revisionistischen Buches Der Auschwitz-Mythos. Dem Autor des Buches wurde aufgrund seiner holocaust-leugnenden Thesen nachträglich der Doktortitel aberkannt und seine Pension als ehemaliger Richter gekürzt.

Interessant sind auch die Einziehungen der Bücher des unter dem Pseudonym J.G. Burg publizierenden revisionistischen Juden Joseph Ginsburg: Seine holocaust-bestreitenden Bücher fielen ebenfalls der deutschen Büchervernichtung zum Opfer, obwohl ihm als Juden und in Anbetracht des Inhalts seiner Schriften kein Antisemitismus nachgesagt werden kann.

Die Bundesprüfstelle selbst hat in Sachen politisch-historischer Veröffentlichungen bis zum Winter 1996 nur die Einziehung einiger Ausgaben der in der Schweiz publizierten revisionistischen Zeitschrift Eidgenoss aufgelistet. Die schon seit langem der Einziehung unterworfenen verschiedenen Ausgaben des revisionistischen Periodikums Historische Tatsachen hingegen - herausgegeben vom gleichen Verlag, dessen Buch Wahrheit für Deutschland die Prüfstelle nun seit über 20 Jahren zu bannen versucht - werden verschwiegen. Erst im Frühjahr 1997 ergänzte die Bundesprüfstelle ihre Liste vor allem um vier Bücher des revisionistischen Autors Jürgen Graf, die allerdings bis auf einen Fall alle bereits vor Ende 1994 eingezogen worden waren, und von denen eines bereits im Jahre 1995 wieder freigegeben wurde (Vgl. unsere Liste - verbotene Bücher). In Sachen Büchervernichtung stochert die Bundesprüfstelle also offenbar noch weit mehr im Nebel herum als der Autor dieses Beitrages.

 

 

 

Einziehungen nach 1994

Diese "mäßige" Einziehungspraxis änderte sich nach Inkrafttretung des geänderten § 130 StGB am 1. Dezember 1994 radikal . Obwohl die Zeitspanne zwischen 1.12.1994, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen § 130 StGB, und Mitte 1997, dem Erstellungsdatum dieses Artikels, nur 2 1/2 Jahre beträgt, ist die Liste der in diesem Zeitraum eingezogenen Bücher etwa so lang wie die der Bücher, die unseres Wissens in den 45 Jahren des Bestehens der Bundesrepublik Deutschland davor eingezogen wurden.

Bei den angegebenen Aktenzeichen handelt es sich wohl gemerkt meistens nicht nur um Einziehungsverfahren gegen die Bücher, sondern gleichzeitig auch um Strafverfahren gegen Autoren, Herausgeber, Verleger, Buchhändler, ja manchmal sogar gegen die Drucker und Mehrfachbezieher der entsprechenden Publikationen. Strafverfahren gegen die Bezieher verbotener Schriften werden selbst dann eingeleitet, wenn die Bücher zu einem Zeitpunkt bezogen wurden, als diese noch nicht verboten waren. In der Realität handelt es sich bei fast allen Strafverfahren um solche, bei denen die Bücher vor deren Verbot bezogen wurden, da man in der Regel nach der Einziehung der Bücher diese gar nicht mehr beziehen kann.

Das Justizministerium des Bundeslandes Baden-Württemberg hat in Beantwortung einer Anfrage angegeben, daß es im Zeitraum zwischen Ende 1994 und Mitte 1996 allein in Baden-Württemberg zu 32 Strafermittlungsverfahren gegen Privatpersonen wegen des Mehrfachbezuges von Büchern gekommen ist. Hochgerechnet auf Deutschland ergibt dies etwa 250 bis 300 solcher Strafverfahren.

Dieser neuen Zensurwelle fielen nicht nur jene revisionistischen Bücher zum Opfer, die unseres Wissens bisher sogar ohne Indizierung geblieben waren, wie das Feuerzeichen oder Die 2. babylonische Gefangenschaft. Auch Bücher rein politischen Inhalts, wie etwa In Sachen Deutschland oder Wolfsgesellschaft wurden vernichtet. Beide befassen sich auf unpolemische, aber ablehnende Weise mit den Problemen der Multikultur und der vermeintlichen politischen Unfähigkeit der deutschen Politiker. Da diese offen ablehnende Haltung jedoch angeblich eine Hetze gegen die Ausländer und gegen die etablierten Parteien und deren Repräsentanten darstelle, mithin also den inneren Frieden der Republik gefährde, wurden die Bücher verboten.

Es ist unmöglich, in diesem Rahmen jedes eingezogene Buch angemessen zu würdigen. Es soll daher hier nur auf einen Fall eingegangen werden, nämlich den ersten Büchervernichtungsbefehl, der nach der Strafverschärfung erging. Er wurde Ende März 1995 gegen das Buch Grundlagen zur Zeitgeschichte vollstreckt, das sich äußerst kritisch mit dem Holocaust befaßt. Inzwischen haben sich 1.000 Personen vor allem des akademischen Lebens in öffentlichen Aufrufen für die Freigabe des Buches ausgesprochen, und auch zwei angesehene Historiker haben vor Gericht zu Protokoll gegeben, daß das Buch wissenschaftlich sei und somit durch Art. 5/3 des Grundgesetzes geschützt sei, in dem die Wissenschaftsfreiheit ohne Einschränkung gewährt werde.

Daß dieses Grundgesetz nicht sakrosankt ist, hat inzwischen das baden-württembergische Justizministerium bekannt gegeben. Nach dessen Stellungnahme sei die Einziehung eines wissenschaftlichen Werkes dann erlaubt, wenn es die Grundrechte Dritter unzulässig einschränke . Die sich dahinter verbergende These lautet, daß Wissenschaftler bestimmte Thesen nicht aufstellen und bestimmte etablierte, ihrer Auffassung womöglich entgegenstehende Thesen nicht hinterfragen oder zu widerlegen trachten dürfen. Hierbei handelt es sich ganz offensichtlich um eine menschenrechtswidrige Auffassung des Justizministeriums, denn durch diese Interpretation wird das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit, d.h. auf Freiheit der Thesenwahl und Ergebnisoffenheit der Forschung (vgl. Karl R. Popper), in seinem Wesensgehalt angetastet, was auch nach Auffassung der Fachpresse klar verfassungswidrig ist. Der sich wohl noch einige Jahre hinziehende Prozeß um die Freiheit des Buches Grundlagen zur Zeitgeschichte, das heißt über die Freiheit seiner Autoren, Herausgeber, Verleger, Drucker, Verkäufer und Bezieher, ist somit ein entscheidendes Verfahren für die Weiterentwicklung der Menschenrechte in Deutschland.

Die persönlichen Schicksale

Hinter jedem Strafverfahren wegen Druck, Veröffentlichung oder Verbreitung einer verbotenen Schrift verbirgt sich immer mindestens ein persönliches Schicksal. Es ist nicht genau bekannt, wieviele Menschen in den letzten Jahren aufgrund ihres Willens zur Verbreitung von Schriften, die später verboten wurden, bestraft wurden. Die oben genannte Zahl von einigen hundert eingeleiteten Strafverfahren läßt aber vermuten, daß es sich um eine nicht unerhebliche Zahl handelt. Laut Presseberichten lag die Zahl der Strafverfahren wegen sogenannter Propagadadelikte, also wegen der Äußerung unerwünschter Meinungen, im Jahr 1997 bei knapp 8.000. Hier sollen nur vier der herausragendsten Beispiele der letzten Jahre erläutert werden, wobei die entsprechenden Aktenzeichen der Strafverfahren der unten angeführten Einziehungsliste der entsprechenden Bücher zu entnehmen sind.

Als erstes ist hier der auch international bekannte Fall des ehemaligen Bundesvorsitzenden der Nationaldemokratischen Partei, Günter Deckert, zu nennen. Bereits im Jahre 1994 war er zu einer Haftstrafe von 2 Jahren verurteilt worden, weil er den englischen Vortrag eines US-Amerikaners, in dem die Massenvernichtung der Juden in Auschwitz bestritten wurde, zustimmend übersetzt hatte . Dieser Fall wurde teilweise dargestellt in dem von Günter Deckert selbst mitherausgegebenen Buch Der Fall Günter Deckert. Dieses Buch, in dem Deckert seine revisionistischen Ansichten mit neuen Argumenten stützte, sowie der Vertrieb von 50 Büchern des revisionistischen Sammelbandes Grundlagen zur Zeitgeschichte führten zu einem erneuten Strafverfahren gegen ihn, in dem er im Frühjahr 1997 zu weiteren 20 Monaten Gefängnis verurteilt wurde.

Das zweitschlimmste Schicksal ereilte einen langjährigen Verleger aus Vlotho, den Diplom-Politologen Udo Walendy. Wegen vier Nummern seiner inzwischen 71 Ausgaben zählenden revisionistischen Schriftenreihe Historische Tatsachen (Nr. 1 neu, 59, 60 und 64) war er bereits im Dezember 1996 letztinstanzlich zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt worden. Das Amtsgericht Herford sattelte im Mai 1997 noch eins drauf, als es Walendy für die Nummern 66 und 68 seiner Zeitschrift zu weiteren 14 Monaten Haft verurteilte. Insbesondere an diesem Fall erkennt man, wie die deutsche Zensur seit der Neufassung der entsprechenden Strafgesetze im Spätherbst 1994 eskaliert. Hatte vor der Neufassung keine Ausgabe von Walendys Zeitschrift strafrechtliche Konsequenzen für den Autor, so führten danach gleich sechs der inzwischen zwölf neu erschienenen Schriften zu einer Verurteilung, obwohl sich weder Stil noch die inhaltlichen Aussagen geändert hatten.

Als dritter Fall sei hier das Schicksal des Diplom-Chemikers Germar Rudolf erwähnt, der auch unter dem Pseudonym Ernst Gauss und Manfred Köhler publiziert. Er wurde im Juni 1995 für die Anfertigung und Verbreitung einer chemisch-technischen Expertise des Titels Das Rudolf Gutachten, die vorgibt, die Massenvergasungen in Auschwitz zu widerlegen, zu 14 Monaten Haft verurteilt und wird seither wegen der Abfassung bzw. Herausgabe diverser revisionistischer Bücher und Broschüren verfolgt (Grundlagen zur Zeitgeschichte, Prof. Dr. Ernst Nolte: Auch Holocaust-Lügen haben kurze Beine, Auschwitz: Nackte Fakten). Seiner ersten Gefängnisstrafe sowie dem Strafverfahren wegen Herausgabe des Buches Grundlagen zur Zeitgeschichteentzog, er sich durch Flucht ins Exil. Der Verleger des Buches Grundlagen zur Zeitgeschichte, Wigbert Grabert, konnte sich seiner erstinstanzlichen Verurteilung zu einer Geldstrafe von DM 30.000 nicht entziehen.

Schließlich sei auf den Fall von Hans Schmidt hingewiesen, einem US-Amerikaner deutscher Abstammung. Er führt in den USA eine politische Organisation an, die vorgibt, die Interessen der Deutsch-Amerikaner in den USA zu vertreten. In dieser Funktion ärgert er seit vielen Jahren viele prominente Persönlichkeiten Deutschlands durch die Versendung Offener Briefe. Als er im Sommer 1995 Deutschland besuchte, wurde er mehr als 5 Monate in Untersuchungshaft gehalten da einer dieser Briefe, in dem er die deutschen Eliten als "juden- und freimaurerverseucht" bezeichnet hatte, volksverhetzend sei. Schmidt entzog sich dem Strafverfahren durch Flucht nach Florida.

Nicht vergessen werden sollte außerdem der Verleger Wigbert Grabert, dessen Verlage Grabert und Hohenrain im Brennpunkt der Büchervernichtungswut des Tübinger Zensurrichters Stein stehen. Seit 1995 wurden gegen diesen Verlag sieben Einziehungsverfahren eingeleitet, davon vier zugleich als Strafverfahren gegen den Verleger W. Grabert. Es scheint fast so, als wolle die Tübinger Justiz diesem bekanntesten aller rechten deutschen Verlag den Garaus machen.

Nun mag man zu den Thesen dieser Personengruppe stehen wie man will. Tatsache ist. daß das Menschenrecht auf Meinungsfreiheit unteilbar sein muß, wie es schon Prof. R. Dworkin in Index on Censorship ausgedrückt hat. Und da in keinem der hier beschriebenen Fälle zu Gewalt aufgerufen, Anleitungen zur Gewalt gegeben oder Gewalt verharmlost wird - sie wird höchstens für bestimmte geschichtliche Ereignisse abgestritten oder geringer dargestellt als allgemein üblich - ist die Härte, mit der die deutsche Justiz gegen diese Dissidenten vorgeht, nicht nachvollziehbar. Würden die hier dargestellten Fälle ganz andere Personenkreise betreffen, so ginge ein Aufschrei durch die Weltpresse angesichts derartiger Menschenrechtsverletzungen. Da es aber nur die angeblich "Richtigen" trifft, deckt man den Mantel des Schweigens darüber. Es ist aber objektiv betrachtet kein Unterschied zu erkennen, ob z.B. Kommunisten und Zeugen Jehowahs wegen ihrer Meinungsäußerungen im Dritten Reich in Gefängnissen verschwanden, oder ob heute Rechtsradikale und Revisionisten in der Bundesrepublik Deutschland wegen ihrer Veröffentlichungen hinter Gitter verschwinden. Menschenrecht bleibt Menschenrecht. Es gilt für Linksradikale genauso wie für Rechtsradikale. Deutschlands Tradition in Sachen freier Meinungsäußerung ist, wie es scheint, nur sehr schwach ausgebildet. Das einzig richtige Verhalten Deutschlands angesichts seiner Vergangenheit wäre ohne Zweifel nur die strikte und unparteiische Gewährung der Menschenrechte für alle, und nicht, daß man sie diesmal zur Abwechslung der anderen Seite verweigert. Offenbar dreht sich Deutschland, was die Menschenrechte anbelangt, in einem historischen Teufelskreis, oder, um ein anderes Bild zu benutzen: das Pendel schwingt von einem Extrem zum anderen. Es wäre Zeit, daß es in der Mitte zur Ruhe kommt.

Ein Blick über den Zaun

Leider hat nicht nur in Deutschland die Zensur gegen unerwünschte politische und historische Veröffentlichungen zugenommen. Frankreich hat bereits 1991 ein Gesetz gegen den Geschichtsrevisionismus erlassen, das seither mehrfach gegen revisionistische Publikationen angewandt wurde. Die französischen Gesetze dienen zudem offenkundig zur Bekämpfung der immer stärker werdenden rechten Opposition. Österreich verschärfte 1992, also zwei Jahre vor der BRD, seine antirevisionistischen Gesetze. Ein Jahr nach Deutschland folgte die Schweiz mit der Inkraftsetzung des ausschließlich gegen rechte und revisionistische Publikationen gerichteten neuen "Anti-Rassismusgesetzes", Art. 261 des Schweizer Strafgesetzbuches. Ein Zusammenhang mit dem seit dieser Zeit auf die Schweiz ausgeübten Druck zur Zahlung von Wiedergutmachungen wegen ihrer angeblichen Kollaboration mit dem Dritten Reich kann nur vermutet werden. Innerhalb von nur drei Jahren wurde durch die schlagartig einsetzenden. nie zuvor gekannten Zensurverfahren fast die gesamte rechte publizistische Szene der Schweiz zerschlagen und in den Untergrund getrieben. Wiederum ein Jahr später führte Spanien ein analoges Gesetz ein, das bisher aber nur zögerlich angewendet wird. So wurden beispielsweise die im spanischen Exil lebenden, vom Ausland per Haftbefehl gesuchten Revisionisten oder rechten Persönlichkeiten bisher nicht ausgeliefert. 1997 folgte Belgien mit einem antirevisionistischen Gesetz, das man zur Zeit gegen den Verlag Vrij Historisch Onderzoek anzuwenden versucht. Die Niederlande besitzen seit jeher einen Strafparagraphen gegen Rassismus, dem Anfang der 90er Jahre gleich mehrere von V.H.O. publizierte Schriften zum Opfer vielen. Großbritannien hat sich bisher nicht zur Einführung eines speziellen Anti-Revisionismusgesetzes entschließen können, jedoch wurden auch hier bereits zwei Strafverfahren u.a wegen der Verbreitung revisionistischer Schriften angestrengt. Es ist daher möglich, daß sich dort durch die Änderung der Rechtsprechung eine Änderung der Gesetzeslage ergibt. Analog verhält es sich mit Australien und Kanada. In beiden Ländern versuchen gewisse Lobby-Gruppen, den Geschichtsrevisionismus zu zensieren, wobei sie sich neu geschaffener Menschenrechtskommissionen bedienen, um die bisher sehr zensurunwillige Justiz zu umgehen.

Eine neue Front: Internet-Zensur

Die Versuche westlicher Staaten, das neue, grenzüberschreitende Medium Internet zu kontrollieren, werden immer massiver. Zwar ist der Vorstoß des US-Präsidenten zur Einführung von Zensurgesetzen 1996 gescheitert. Allerdings liegen dem US-Kongreß zur Zeit wiederum zwei Gesetzesanträge zur Internetzensur vor, und die Stimmen zur Einführung international abgestimmter Zensurbestimmungen sind unüberhörbar. Zeitgleich werden intelligente Programme zur automatischen Internetzensur entwickelte War in Europa bis Mitte 1998 Deutschland führend bei der formellen Zensur gegen Internetinhalte sowie auch im strafrechtlichen Vorgehen gegen Anbieter verbotener Informationen, so wurde diese Führungsrolle im Sommer 1998 durch die Schweiz übernommen, deren Bundespolizei in einem Schreiben an alle Schweizer Internet-Provider mit strafrechtlichen Schritten gegen diese drohte, falls sie den Zugriff auf eine Reihe aufgelisteter Seiten nicht sperrten. Parallel dazu ging sie gegen die einzige fundamental-oppositionelle Zeitschrift des Schweiz vor. RECHT+FREIHEIT dessen Herausgeber Ernst Indlekofer am 19. August kurzerhand für 13 Tage in Untersuchungshaft genommen wurde. Hauptvorwurf waren hier die übers Internet verbreitete Kritik an den jüdischen "Finanzerpressungen" gegen die Schweiz. Offenbar haben daraufhin tatsächlich einige Provider den Zugriff zumindest auf einige der Seiten blockiert. Es bleibt zu hoffen, daß die USA trotz des dort besonders intensiven Druckes seitens auserwählter Minderheiten ihrer Tradition treu bleiben und die Meinungsfreiheit als höchstes Gut des Menschen bewahren, und daß die anarchische Internetgemeinde immer wieder Wege findet, die fortschreitende elektronische Zensur zu umgehen.

 

 

 

 

 

Der europäische Büchervernichtungsindex

Die Tatsache, daß es unseres Wissens in keinem europäischen Land eine offizielle Liste eingezogener Schriften gibt, macht es bezüglich einiger Werke schwierig, festzustellen, ob ein Einziehungsbeschluß besteht oder nicht. Manchmal erfährt man nur von Beschlagnahmungen durch die Staatsanwaltschaften im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen. Wenn es dann zur Einstellung eines Verfahrens aus anderen Gründen als der vermuteten Unschuld kommt (etwa rechtskräftiger Abschluß des Strafverfahrens, Verjährung oder Zusammenlegung mit anderen Strafverfahren, häufig unter Zurückhaltung von Beweismitteln wie den beschlagnahmten Büchern), besteht bisweilen Unklarheit über die Rechtslage im Einziehungsverfahren, also bezüglich der »Tatwaffe« Buch bzw. Zeitschrift. Wir haben daher am Ende unserer Liste ("verbotene Bücher") einige Fälle von Schriften angeführt, bei denen polizeiliche Beschlagnahmungen bekannt geworden sind, aber bisher nicht festzustellen war, ob gerichtliche Einziehungsbeschlüsse existieren. Die mit den Büchereinziehungen einhergehende allgemeine Rechtsunsicherheit ist natürlich ein ständiger

Unsicherheitsfaktor für jeden Verleger, Buchhändler und Buchkäufer. Es ist daher leider nur allzu verständlich, daß ein zunehmender Trend zur vorauseilenden Selbstzensur erkennbar wird: Um dem unkalkulierbaren Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung zu entgehen, packt man daher immer seltener politisch oder historisch heiße Eisen an, die von der Justiz als »rechtsstehend« definiert werden könnten. Daß dies auf die Dauer katastrophale Auswirkungen auf das soziale und politische Leben der betroffenen Länder haben muß, scheint niemanden zu interessieren.

Quelle: "Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung", Heft 4 - Dezember 1998

Anmerkung: Die Fußnoten + Anmerkungen wurden aus Gründen der Übersichtlichkeit aus dem Gesamttext entfernt. Wer an Fundstellen interessiert ist, sende ein Fax an 0451 - 32990.

Der vorstehende Text ist die beste hier bekannte Abhandlung zum Thema "Zensur" und "Unterdrückung der Meinungsfreiheit" in der BRD und anderen (angeblichen) Kulturnationen.

Bereits an anderer Stelle wurden drei einschlägige Aufsätze aus (politisch absolut unverdächtigen) juristischen Fachzeitschriften zitiert.

Wer an weiterführender Literatur zum Thema "Zensur" interessiert ist, beschaffe sich beispielsweise:

  1. Michael Kienzle und Dirk Mende: "Zensur in der Bundesrepublik - Fakten Analysen", München/Wien 1980
  2. Bertold Brecht: "Meinungsfreiheit", in: Schriften zur Literatur und Kunst 2, Werkausgabe edition suhrkamp, Frankfurt 1967, Bd. 19
  3. Oskar Negt / Alexander Kluge: "Öffentlichkeit und Erfahrung. Zur Organisationsanalyse von bürgerlicher und proletarischer Öffentlichkeit, Frankfurt 1973
  4. Bundesverfassungsgericht E 7, 198 ("Lüth-Urteil")
  5. Michail Woslenskij: "Bücher unterm Bannstrahl", in: DIE ZEIT vom 24.8.1979
  6. Hans Magnus Enzensberger: "Über Zensur und Selbstzensur", in: Bundesrepublikanisches Lesebuch, hg. V. Hermann Glaser, München/Wien 1978
  7. Claus Nordbruch: "Zensur in Deutschland ...", München 1998
  8. Martin Lüders: "Die lange Geschichte der Zensur in Deutschland", in: Nation & Europa 1997, S. 5 - 13
  9. Jürgen Schwab: "Die Meinungsdiktatur", Coburg 1997