Unvorstellbare Schlamperei
Olaf Henkel räumt auf
»Das Festhalten an der "Erbsünde" behindert jeden Neuanfang«
Im Herbst dieses Jahres
erschien ein Buch des früheren Vorsitzenden des Bundesverbandes der Deutschen
Industrie, Hans‑Olaf Henkel, mit dem Titel »Die Kraft des Neubeginns«.
Sofort waren die Wort‑
und Gesinnungswächter der »Political correctness« zur Stelle:
Die Illustrierte »stern«
erging sich in Verleumdungsversuchen, indem deren Schreiberlinge versuchten,
Henkel anhand seines Buches in die rechte Ecke zu schieben, genauer: ihn des
Rechtsextremismus zu beschuldigen und ihn damit aus dem Kreis der »politisch
Korrekten« auszustoßen.
Es ist aber auch erstaunlich
und es stimmt hoffnungsfroh, daß der früher fest in das Polit‑Kartell
eingebundene Henkel offenbar dabei ist, sich von den Fesseln der Meinungspolizei
zu befreien.
Das Buch wimmelt von
Feststellungen, die kaum einer aus der »Politischen Klasse« der Bundesrepublik
offen auszusprechen wagt.
Das beginnt bereits im
Vorwort, in dem er sich zu Deutschland bekennt und auch dazu, daß er dieses Land
liebe. Er beruft sich auf den Bundespräsidenten Köhler, der keinen Hehl daraus
machte, daß er Deutschland liebe und ihm Gottes Segen wünsche.
Dazu meint Henkel, das sei
jahrzehntelang undenkbar gewesen:
Heimatliebe war tabu ... Liebe
zum eigenen Land, auf das man stolz ist, wird überall als Selbstverständlichkeit
angesehen. Und keinem fiele es ein, dies dem Nachbarn zu verwehren. Ob die
Menschen nun 'Vive la France' oder 'God bless America' rufen, sie alle wissen,
daß Patriotismus zu den Grundvoraussetzungen eines erfolgreichen Gemeinwesens
gehört und nicht nur des eigenen ... « .
Henkel ist überzeugt davon,
daß »wir heute an einem Wendepunkt unserer Geschichte« stehen:
»Seit Jahrzehnten hat sich
Deutschland in eine Sackgasse manövriert, aus der es keinen Ausweg zu geben
schien. Überall drohten Verbotsschilder und Tabus, zu denen auch jenes gehört,
das eigene Land nicht lieben zu dürfen. Jeder Versuch, sich aus eigener Kraft
zu befreien, endete in einer der zahllosen Selbstblockaden aus ideologischen Dogmen
und Paragraphen. «
Damit überschreitet Henkel
jeden von der politischen Korrektheit gezogenen Zaun. Daher ist es
unverständlich, wenn er sich in seiner Verteidigungsantwort auf den Stern darum
bemühte, vom Vorwurf frei zu kommen, er sei vom Boden der politischen
Korrektheit abgerückt. Gott sei Dank ist er das!
Man kann Henkel nur ermuntern,
den letzten Schritt zu tun, um der politischen Korrektheit offen den Kampf
anzusagen. In der Praxis hat er bereits den Befreiungsschlag getan; nun mag er
sich auch dazu bekennen!
Henkel geht in dem Buch von
seiner Familie aus, von seinem Vater, der in den letzten Monaten des Krieges
gefallen ist, von seiner Mutter, die trotz Ausbombung in Hamburg ihn und seine
zwei Geschwister tapfer durch die schwere Zeit brachte. Der Familie fühlt er
sich verpflichtet; sie ist für ihn die kleinste Zelle seines Vaterlandes
Deutschland. Er wehrt alle Versuche ab, die Generation jener Deutschen und
sogar noch ihre Nachkommen im Zuge der Sippenhaft als Schuldige zu ächten.
»Die "Schuld" wirkt wie eine Keule«
So prangert Henkel in seltener
Klarheit die permanenten Schuldbekenntnisse der politischen
Führungspersönlichkeiten in der Bundesrepublik an:
»Die "Schuld", so
einleuchtend sie juristisch ist, stellt im Historischen eine gefährliche
Kategorie dar Sie wirkt wie eine Keule. Mit gutem Gewissen eingesetzt,
hinterläßt sie Wunden, die nicht verheilen. Von den Siegern des Ersten
Weltkrieges gegen die Deutschen angewandt, trug sie mit Schuld daran, daß es zu
einer Fortsetzung des Waffengangs kam. Denn der Friedensvertrag von Versailles
zwang den Verlierer zum Eingeständnis seiner Alleinschuld. Damit mußte
Deutschland sich selbst als moralischer Verlierer, ja, Verbrecher brandmarken.
Die Sieger, die nur die Menschenrechtsverletzungen der Unterlegenen
anprangerten, schienen zu übersehen, daß auch ein Volk so etwas wie eine
Menschenwürde besitzt.«
Henkel bekennt sich zu der unter
ausländischen Politikern wie unter seriösen Historikern verbreiteten Ansicht,
daß der Erste und der Zweite Weltkrieg zusammengehörten, sie also Anfang und
Ende eines zweiten 30jährigen Krieges gewesen seien. Und an dem Weltkrieg sei
Deutschland keineswegs allein schuldig.
Das führt zu einer Forderung
Henkels, die bei einem weniger prominenten Autor zu einem »Aufstand der
Anständigen« führen würde. Man müsse jetzt »alles beiseite räumen, was sich
aufgetürmt hat und jeden Neuanfang behindert. Für mich gehört dazu auch das
Festhalten an der 'Erbsünde', die ewige Wiederholung einer Schuld, die den
Menschen ihren Mut nimmt und ihnen nur schlechtes Gewissen einredet.«
Die mögliche Beschuldigung, er
sei Nationalist, wehrt er vehement ab. Er nennt sich einen »leidenschaftlichen
Befürworter der europäischen Einigung und des Transatlantischen Bündnisses« und
fährt fort:
»Aber ich lege auch Wert auf
die Wahrheit Und diese ist, dank permanenter Umerziehung und Denkvorgaben, in
Deutschland großen Teils vergessen worden.«
Nimmt man dann noch sein
Bekenntnis hinzu, er sei »geradezu besessen« von der Freiheit des Individuums,
dann hat man ein Bild der Persönlichkeit Henkels vor sich. Jetzt, da er frei
ist von Ämtern, die ihn festlegten auf die Interessenvertretung von
Wirtschaftsgruppen (er ist ehrenamtlicher Präsident der
Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz, des Zusammenschlusses der
außeruniversitären Forschungsinstitutionen in unserem Land), kann er offen und
ungeschminkt den Kampf gegen die unsere Meinungsfreiheit einschnürende
politische Korrektheit aufnehmen.
In seinem Buch »Die Kraft des Neubeginns«
tut er es bereits, indem er von unserer jüngsten Vergangenheit ein
Geschichtsbild entwickelt, das man mit Fug und Recht als ein revisionistisches
bezeichnen kann.
Er spricht von der Einkreisung
Deutschlands vor dem Ersten Weltkrieg, von »Nürnberger Schauprozessen«, vom
Bombenkrieg der Westalliierten gegen die Zivilbevölkerung.
Daß Deutschland heute am
Abgrund zu stehen scheint, schreibt Henkel der Verlogenheit der deutschen
Geschichte gegenüber und der unentwegt geschwungenen Keule der
Schuldbekenntnisse zu.
Wer jahrzehntelang einem Volk
solche Belastungen aufzwinge, töte jede Motivation zur Reform, erst recht zum
Neubeginn.
Neu müsse unser Staat
beginnen, meint Henkel, nachdem er sich aufgrund falscher Politik festgefahren
habe.
Die Staatsführung sei besessen
gewesen von der Idee, nur nichts Grundsätzliches zu verändern. Die
Organisationsstrukturen unseres Staates seien erstarrt. Von den überbordenden
Sozialleistungen habe man nicht abzugehen gewagt, weil man gefürchtet habe,
sonst Wahlen zu verlieren. Die Folge: Deutschland sei nicht mehr
wettbewerbsfähig.
Dabei habe es eine
hervorragende Möglichkeit zum Neuanfang gegeben, als die BRD und die DDR sich
aufgrund der friedlichen Revolution unserer mitteldeutschen Landsleute
wiedervereinigten. Genau das aber sei vermieden worden.
»Angst vor dem Volk«
Man wollte aus dem geteilten
Land keineswegs ein neues Deutschland schaffen, sondern die DDR sollte auf die
alten Gleise der BRD geschoben werden; eine erweiterte Bundesrepublik sollte
nach altem Schema entstehen. Ein Appell an das Gemeinschafts‑ und
Verantwortungsbewußtsein aller Deutschen wurde dabei sorgsam vermieden.
Mit offenen Worten kritisiert
Henkel den damaligen Bundeskanzler Kohl, der mit einer Blut‑Schweiß-und‑Tränen-Rede
allen Deutschen hätte klarmachen müssen, daß nun, nachdem sich der vom
Sozialismus in Grund und Boden gewirtschaftete Teil Deutschlands befreit hatte,
von allen Deutschen in einem gewaltigen Kraftakt ein Neuanfang unseres Landes
angepackt werden müsse. Kohl und die Seinen fürchteten offenbar die dadurch
freigesetzte Kraft, die man glaubte, nicht mehr beherrschen zu können.
Allerdings, so Henkel, könne
ein Neuanfang nur gelingen, »wenn man weiß, was man will«. Und das gerade sei
die Hauptkrankheit unseres Gemeinwesens. Welches sind die deutschen Ziele? Wo
liegen die deutschen Interessen? Was will Deutschland in der Gemeinschaft der
Völker sein?
Auf solche Fragen gab weder
die alte CDU‑FDP‑Regierung noch die ihr folgende SPD‑Grünen‑Regierung
eine Antwort. Man laviert sich durch, läßt alles beim alten, gibt jedem Druck
von außen nach und hat in Wahrheit Angst vor dem Volk.
Aus dieser Angst resultiere
auch die Tatsache, daß in keinem Land Europas die Bürger so wenig direkte
Mitwirkungsmöglichkeiten an der Politik haben wie in der Bundesrepublik, so
Henkel. Er fordert daher mehr direkte Demokratie und verlangt konkret, daß eine
Regelung gefunden werden müsse, um den Bundespräsidenten wie auch die
Ministerpräsidenten der Länder vom Volk wählen zu lassen. Das Grundgesetz sei
immer wieder geändert worden, warum dann nicht auch in diesem Punkt?
So würde nicht nur dem Amt des
Bundespräsidenten mehr Gewicht verliehen, sondern auch die Bindung zwischen dem
Wählervolk und seinen führenden Persönlichkeiten gestärkt.
Von Schröder und seiner rot‑grünen
Regierung hält Henkel nichts. Wenn Schröder gelegentlich Äußerungen von sich
gäbe, die den Eindruck erwecken, er vertrete vorrangig die deutschen
Interessen, dann markiere er damit, wie Henkel meint, nur einen
»Scheinpatriotismus«. In Wahrheit laviere sich Schröder durch.
Hart ins Gericht geht er mit
den Grünen. Er nennt aus der Führungsmannschaft alle beim Namen, die in der
Wolle gefärbte Kommunisten waren, und läßt erkennen, daß er erhebliche Zweifel
daran habe, daß sie ihre Gesinnung abgelegt hätten.
Die von ihm aufgeführten Maßnahmen,
die von Grünen‑Politikern durchgesetzt wurden, scheinen zu bestätigen,
daß immer noch versucht wird, Vorstellungen der DDR in die Tat umzusetzen.
»Eine unvorstellbare Schlamperei auf allen Gebieten«
Auf allen Gebieten herrsche in
der Bundesrepublik eine noch vor 20 Jahren unvorstellbar gewesene Schlamperei.
Niemand fühle sich verantwortlich, keiner engagiere sich bedingungslos für die
gemeinsame Sache. Vieles in unserem Land sei außer Kontrolle geraten. Die
Regierung operiere mit unkorrekten Zahlen. »Wo sich keiner verantwortlich
fühlt, kleben alle an ihren Stühlen.« Pfusch regiere auf allen Gebieten ‑
von Toll Collect bis zur Bundesanstalt für Arbeit, jetzt großspurig
Bundesagentur für Arbeit genannt, wodurch sich nichts geändert habe. Hartz IV
werde, befürchtet Henkel, in einem »administrativen Super‑GAU« enden.
Dagegen stellt er mutmachende
Aktivitäten wie den Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden. Ohne Staat
(übrigens auch ohne tatkräftige Mithilfe der Kirche) habe Privatinitiative
eines der schönsten und symbolträchtigsten Denkmale deutscher Geschichte
wiedererrichtet, weil sich Menschen mit ganzem Herzen dafür eingesetzt hätten.
Als »moralische Schlamperei«
bezeichnet er nicht nur die Diffamierung des Abgeordneten Hohmann, sondern auch
die Art, wie man mit Jürgen Möllemann umging, und das Verfahren, das die
bekannten Seilschaften von der »Zeit« bis zur »Süddeutschen Zeitung« anwandten,
um die üblen Verfehlungen des »zweithöchsten Repräsentanten der deutschen
Juden«, Michel Friedman, herunterzuspielen, indem sie den ermittelnden
Staatsanwalt angriffen, statt den Täter zu verurteilen.
Henkel zieht gegen jede Art
von Gleichmacherei zu Felde, die in der Sozialpolitik wie in der
Bildungspolitik zu schlimmen Folgen geführt habe. Die Politik der
Bundesregierung erschöpfe sich meist in der Veröffentlichung von Ankündigungen,
denen keine Taten folgten.
Man schluckt allerdings
trocken, wenn man Henkels Anhimmelung der USA liest. Schon als Schüler sei er
gefesselt gewesen von der amerikanischen Trivialkultur: Er sei dankbar dafür,
daß die USA Deutschland »adoptiert« hätten, wie er schreibt. Hier fehlt ihm
offenbar die sonst vorhandene gesunde Kritikfähigkeit; er erkennt nicht, daß
Deutschland gerade von den USA auf viele der von ihm angeprangerten Irrwege
geführt worden ist. Und er wünscht sich Angela Merkel als Kanzlerin, weil er
meint, ohne es zu begründen, daß sie das Zeug dazu habe, den jetzigen
verderblichen Kurs der Bundesregierung umzukehren.
Hoffen wir in unser aller
Interesse, daß Henkel Recht hat und nicht Arnulf Baring, der in der von Angela
Merkel geführten CDU nur eine zweite SPD und den Ausweg nur in einem Aufstand
sieht.
Vieles von dem, was Henkel
anprangert, fordern volks‑ und nationalbewußte Deutsche schon seit
Jahrzehnten. Auseinandergesetzt hat man sich mit diesen Forderungen nie, weil
das herrschende Polit-Kartell sie einfach als »rechtsextremistisch« ächten
konnte. Vielleicht ist ein solches Buch wie »Die Kraft des Neubeginns« aus der
Feder eines der namhaftesten Wirtschaftsführer der Bundesrepublik Deutschland
aber tatsächlich ein Zeichen dafür, daß das erstarrte System vor einem Umbruch
steht.
Hoffen wir, daß das neue Jahr diese Wende bringt!
Quelle: UNABHÄNGIGE
NACHRICHTEN (12 / 2004 / 5 - 7) Postfach 10 17 06 - 46017 Oberhausen