Verfassungsschutz übt Denunziationstätigkeit gegenüber

politisch missliebigen Gruppierungen aus

 

Nach der Reform des Bundesnachrich­tendienstes treibt Innenstaatsse­kretär August Hanning nun auch den Umbau des Bundesamts für Verfassungs­schutz (BfV) voran. Das Amt solle „zum zentralen Inlands-Nachrichtendienst-Kompetenzzentrum“ ausgebaut werden, heißt es in einem sogenannten Master­plan l.0, den jetzt eine Projektgruppe des Bundesinnenministeriums vorgelegt hat. Die Ministerialen wollen bis 2009 vor al­lem die „operative Leistungsfähigkeit des BfV deutlich erhöhen“, etwa im Bereich der Telefonüberwachung, bei Observatio­nen und dem Anwerben von V-Leuten. Hannings Arbeitsgruppe unter Leitung des ehemaligen Präsidenten des Technischen Hilfswerks, Georg Thiel, plädiert dabei für eine „Fokussierung auf die Kernaufgabe“, den islamistischen Terrorismus. Intern umstritten ist der Vor­schlag, andere Aufgaben wie die Beob­achtung von radikalen, aber nicht gewaltorientierten linken oder rechten Gruppierungen etwa an die Bundes­zentrale für politische Bildung zu über­tragen. Politischen Zündstoff birgt der geplante „Ausbau der Zentralstellenfunk­tion des BfV“, da er eine Entmachtung der Landes-Verfassungsschutzämter bedeuten würde. Insgesamt tragen Han­nings Leute derzeit in 44 Bereichen Veränderungsvorschläge für das knapp 2500 Mitarbeiter starke Amt zusammen.

 

Quelle: DER SPIEGEL 48 / 2007 / 16 („Innere Sicherheit  -  Reform beim Verfassungsschutz“) vom 26.11.2007

 

 

Die Notiz im Nachrichtenmagazin Spiegel, erschienen schon am 26. November des vergangenen Jahres, las sich oberflächlich wenig spektakulär. Bislang hat sie auch keine Wellen geschlagen. Unter der Überschrift „Reform des Verfassungsschutzes“ berichtet das Blatt über eine vom Ex-BND-Chef und jetzigen Staatssekretär im Innenmini­sterium, August Hanning, betriebene Neuorganisation des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Pompös ist dort davon die Rede, bis 2009 die „operative Leistungsfähigkeit des BfV deutlich erhöhen“ zu wollen.

Quasi im Kleingedruckten steckt eine politische Bom­be: Der Spiegel erwähnt, daß der Inlandsgeheimdienst eine „Fokussierung auf die Kernaufgabe“ des islamischen Ter­rorismus plane. Das klingt löblich. Allmählich scheint sich herumgesprochen zu haben, daß militante Islamisten die Hauptbedrohung für die innere Stabilität der europäischen Staaten darstellen. Jetzt will man die „Beobachtung von ra­dikalen, aber nicht gewaltorientierten linken oder rechten Gruppierungen“ einfach „auslagern“ - nämlich an die Bun­deszentrale für politische Bildung (bpb).

  Warum steckt hierin ein eminenter Skandal? Erstens offen­bart sich, daß ein ganz erheblicher Teil der „Aufklärungsar­beit“ des Verfassungsschutzes in einer Denunziationstätigkeit gegenüber politisch mißliebigen Gruppierungen besteht, die offenbar auch in der Vergangenheit nie eine ernste Bedro­hung für Demokratie und Verfassungsordnung darstellten. Warum lagert man diese Tätigkeit nun aber an eine zweite Bundesbehörde aus?

Experten sehen als Hauptursache die von der jungen Freiheit in einem zehnjährigen Prozeß erstrittene Entscheidung des Bundesverfassungs­gerichtes vom Jahr 2005. Karlsruhe stellte hier nämlich erstmals fest, daß das An-den-Pranger-Stellen im Verfassungsschutzbericht einen massiven Eingriff in demokratische Grundrechte darstellt, und hat hierfür erhöhte Hürden definiert. Seit dieser Karlsruher Entscheidung ist den Innenministerien das zum Mißbrauch verleiten­de Instrument des Verfassungsschutzberichts zur öffentlichen Ächtung von Gruppierungen oder Publikationen, denen lediglich, „Anhaltspunkte für den Ver­dacht“ auf extremistische Orientierung unterstellt werden, praktisch untersagt.

Deshalb hat schon der umstrittene SPD-Linksaußen Ste­phan Braun Mitte des Jahres mit seinem inzwischen gestopp­ten Buch gegen die JF gefordert, künftig die Aufklärung der Öffentlichkeit über die „Gefährlichkeit“ dieser Zeitung über Landeszentralen für politische Bil­dung abzuwickeln. Einfach, weil sich der poli­tische Gegner leichter mit dem Gütesiegel des Staates diskriminieren läßt. Und dies auch noch völlig einseitig.

Bereits jetzt publi­ziert die Bundeszentrale für politische Bildung nahezu ausschließlich Beiträge gegen Rechtsex­tremismus (während es ein Kapitel „Linksextremismus“ nicht gibt) und empfiehlt Bücher aus
linksextremen Verlagen zur Aufklärung. Übri­gens: Diese Behörde untersteht CDU-Innenmi­nister Wolfgang Schäuble.

 

Quelle: Dieter Stein in JUNGE FREIHEIT vom 4. Januar 2008 („Verfassungsschutz  -  Neue Quelle des Missbrauchs“)