Springers Arkanum
Beschränken wir uns auf ein
einziges Beispiel: auf den wahrlich keiner Sympathie für die Lehren von Marx
oder gar das Rätesystern verdächtigen, größten und mächtigsten
kontinentaleuropäischen Presse‑Konzern des 1985 verstorbenen
»Zeitungszaren« Axel Cäsar Springer. Dessen politische Linie wurde zwar, so
hieß es, von Springer selbst bestimmt, doch stand ihm eine Art von Kronrat zur
Seite, der von den Großfürsten und Bojaren seines Reiches gebildet wurde. Die
Gründungsverlautbarung vom Dezember 1963 sprach von einem journalistischen
Beirat >für die verlegerische Planung und Entwicklung der Objekte aller
Häuser des Unternehmens< und ließ ‑ so bemerkt Hans Dieter Müller in
seiner kritischen Studie, >Der Springer‑Konzern<, die 1968 erschienen
ist ‑ »zunächst eher an Harmlos‑Handwerkliches denken ...
Davon mag auch heute noch
gesprochen werden. Mit dem neuen Geschäftsführer seit 1. Januar 1965, dem
ehemaligen >Kristall<‑Chefredakteur Dr. Horst Mahnke, politisierte
sich der kleine Exekutivstab jedoch. In der gepflegten Ruhe des 12. Stocks,
unmittelbar neben den Räumen des Verlegers untergebracht, wurde er zu einer Art
>Politischem Büro< ... «
Hans Dieter Müller nennt auch
die Namen der Mitglieder des >Redaktionellen Beirats< (nach dem Stand von
1968), »die sich gegen eine Sondervergütung von 2.500 DM monatlich einmal in
der Woche« trafen, »um mit dem Inhaber und seinen engeren Beratern allgemeine
Redaktionsfragen zu besprechen« ... : Hans Bluhm für >Hör zu<, Peter
Boenisch für >Bild< und >Bild am Sonntag<, Julius Hollos für den
>Springer-Auslandsdienst<, inzwischen eine Art Redaktionsdirektor für
die >Welt<, Malte Till Kogge und Heinz Köster alternierend für die
Berliner Blätter, (der inzwischen verstorbene) Bernhard Menne für die >Welt
am Sonntag<, Martin Saller für das >Hamburger Abendblatt<, Dr. Hermann
F. G. Starke, HansWilhelm Meidinger und Dr. Heinz Pentzlin für die
>Welt<. Als Mitglieder ohne Chefredakteursportefeuille werden Ernst J.
Cramer, Otto Siemer, Adam Vollhardt und Karl Andreas Voss aufgeführt, und natürlich
gehörte auch der Geschäftsführer Dr. Horst Mahnke zu dem erlauchten Kreis.
Von diesen fünfzehn
Chefberatern, die gemeinsam mit dem Verleger die >Richtlinien der
Politik< des Hauses Springer anno 1968 erarbeiteten, waren mindestens vier
ehemalige aktive Nationalsozialisten, darunter ‑ in der Person des
Springer-Teilhabers Voss ‑ ein ehemaliger Beauftragter des
>Reichsleiters< Amann und ‑ in der Person des Geschäftsführers Dr.
Mahnke ‑ ein einstiger Funktionär des Heydrichschen >Reichssicherheitshauptamts<.
Weitere drei ‑ oder zwanzig Prozent! ‑ aber waren oder sind
jüdischer Herkunft: Julius Hollos und Ernst J. Cramer, beide als alliierte
Presseoffiziere aus der Emigration zurückgekehrt, sowie der langjährige
>BZ<‑Chefredakteur Malte Till Kogge, ein Enkel des um die
Kommunalpolitik der Reichshauptstadt hochverdienten freisinnigen Politikers und
Rabbinersohnes Geheimrat Dr. Oskar Cassel, Ehrenbürgers von Berlin . . .
Unter den weiteren führenden
jüdischen Mitarbeitern des Springer‑Verlages waren der ‑ schon
erwähnte ‑ politisch weit rechts stehende >Welt‑am‑Sonntag<‑Kolumnist
William S. Schlamm und der ebenfalls bereits verstorbene um das >Welt<-Kulturressort
sehr verdiente Kritiker und Kolumnist Willy Haas (>Caliban<) zu nennen.
Quelle: "Deutschland ohne Juden" von Bernt Engelmann,
Pahl-Rugenstein Verlag, Köln 1988, ISBN 3-7609-1210-9, S. 382 f