Springer-Konzern
"Englische Offiziere
machten sich (im Frühsommer 1945) englische Gedanken über deutsche Zeitungen:
ein Collegeprofessor, newspapermen aus Dundee und Manchester, deutsche
Emigranten in königlich‑britischer Uniform. Unter ihnen fand Axel
Springer (33), der nun gelegentlich ein englisches Bärtchen auf der Oberlippe
trug, rasch Freunde. ... Gute Voraussetzungen für Zeitungspläne im neuen Stil.
... (S. 51)
Axel Springer verdankte seinen
wirtschaftlichen Aufstieg der Anlehnung an den öffentlich‑rechtlichen
Rundfunk, privilegiert zudem durch ein rigoroses quasi staatliches
Lizensierungssystem, das gleiche Startbedingungen und freien Wettbewerb in der
wichtigen Anfangsphase ausschloß und ihm auf dem Markt der
Programmzeitschriften einen uneinholbaren Vorsprung verschaffen sollte. ... (S.
53)
Drei eigene Tiefdruckanlagen
und 3 für Hochdruck, unterstützt von 5 Lohndruckereien, produzieren heute 8 x so
viel wie die bisher größte Pressekonzentration in Deutschland, die gewaltige
Eher‑Maschine. An technischer und Kapitalmacht hat die private
Großorganisation die staatlich erzwungene um ein Vielfaches übertroffen. Erst
mit ihr hat die 'amerikanische' Epoche im großen Stil begonnen.... (S. 211)
Die Drohung des Axel Springer
Verlages mit einer Liefersperre seiner Presseorgane gegenüber sämtlichen
Zeitschriftenhändlern, die nach dem Bau der Berliner Mauer Rundfunk‑ und
Fernsehprogramme der Sowjetzone vertreiben wollten, ist nach den Feststellungen
des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe nicht rechtswidrig gewesen (UPI, 13.11.1963).
... (S. 242)
Analysiert man das Urteil auf
seinen Kein, so erlaubten die Richter dem Riesen, seinen mächtigen
Wirtschaftskörper nach seinem 'Gewissen' zu bewegen, auch wenn er andere dabei
niedertrat. ... (S. 243)
... zeigte die Antwort des
stellvertretenden Hör zu Chefredakteurs Thederan auf eine Spiegel‑Anfrage,
warum das Blatt in der Frage der Ostprogramme so verfahre:
>Eine Entscheidung des
Verlegers. Wenn es um Politik geht, macht das Herr Springer allein.<
So brachten die obersten
Zivilrichter Axel Springer 'Partei in Privatbesitz' zu Verfassungsehren, den
charismatisch begabten einzelnen, der aus höherer Eingebung weiß, was die
Lebensinteressen des Volkes sind und die große Maschine in seinem Besitz danach
lenken darf. Die gefährliche Nachbarschaft dieses Musters sahen sie nicht. Axel
Springers Neigung, geschäftliche Interessen politisch und politische
geschäftlich zu betreiben, sich mystisch mit 'dem Ganzen' zu identifizieren,
den 'Ausnahmezustand der deutschen Presse' auszurufen, den eigenen Lobbyismus
weit in die Legislative und Exekutive des Staates voranzutreiben und ihn mit
dem Interesse des Staates zu verwechseln, mag durch solchen Rechtsspruch
gefördert worden sein. ... (S. 244)
Knapp ein Jahr später druckte
die Konzernzeitschrift "Hör zu" selbst Ostprogramme. Was eben noch 'die
Lebensinteressen des eigenen Volkes' berührte und den Weg wirtschaftlichen
Drucks zu politischen Zwecken 'offenstehen ließ', war nun, wie 'der liebe
Leser' der Erklärung von Hör zu entnahm, ein Kundendienst 'im Interesse der
Leser in Berlin und in den Zonenrandgebieten, die gern alle Programme zur Hand
hätten'... (S.245)
Eine Sonderstellung zwischen
Verleger und Administration nahm von Anfang an der 'Sonderbeauftragte Bonn'
ein, der Botschafter des Konzerns am Sitz der Bundesregierung, der im
Führungsschema der Administration unter dem verklausulierten Titel 'Referate
für Wirtschafts‑, Finanz‑, Steuer‑ und Sozialpolitik Bonn'
geführt wird.... Es wurde, wie man der Springer-Post entnimmt, bald zum
'gesellschaftlichen Treffpunkt der politischen und diplomatischen Prominenz des
In‑ und Auslandes'. ... (S. 250)
Mit seiner bedenkenlos ins
Treffen geführten Pressemacht, seinem vermuteten Druck auf die Politiker,
seinem diplomatischem Geschick fiel Axel Springer nun die Führungsrolle im
Fernsehkrieg zu.
Eine solche Verbandspolitik
machte Reinicke Fuchs zum König der Tiere.... Keiner außer Reinicke Fuchs besaß
auch eine Vorstellung und Organisatoren, ein Programm der Massenunterhaltung zu
bestreiten, keiner hatte Kapital genug, sich rechtzeitig Einfluß auf
Produktionsgesellschaften und Atelierbetriebe zu sichern. ... " (S. 262)
Pressegewaltige setzten
schließlich zum Sturm auf die Fernsehanstalten an. Axel Springer preschte
voran: Seine "Bild Zeitung" gab am 14. Dezember 1962 die Parole aus:
"Fernsehen mißbraucht
seine Macht"
"Die westdeutschen
Funkhäuser mißbrauchen ihre Macht. Sie besitzen und beherrschen das Fernsehen,
die Mittelwelle und Ultrakurzwelle des Rundfunks. Sie wollen auch das 3.
Fernsehprogramm machen. Sie sind auf dem besten Wege, mächtiger zu werden als
manche Landesregierung. Zu einflußreich sind sie schon heute.
Demokratie heißt
Volksherrschaft. Das Volk aber hat in den Funkhäusern keinen direkten Einfluß.
Eine kleine Gruppe von Kulturbeamten steuert den sich immer weiter
ausbreitenden Konzern. Wünsche des Volkes, der Rundfunkhörer und Fernseher,
bleiben unbeachtet. Man hat es bei der Monopolstellung nicht nötig, Rücksichten
zu nehmen. ... " (S. 361)
Komisch, wie diese Leute das
alles so glasklar durchschauen, wenn sie selbst an diese Schalthebel wollen.
Nicht etwa, daß sie als gute Demokraten das Volk an der Machtgestaltung
teilhaben lassen wollen, - nein sie wollen unter Einsatz ihres Wirtschafts‑Imperiums
die Mitbestimmung in eigener, unkontrollierter Regie, wissen sie doch, daß in
ihren "privaten Betrieb" niemand mehr hineinzureden hat,
vorausgesetzt, sie verhalten sich "political correctly".
Internationale, vielfach unerkannt bleibende "pressure groups" sorgen
für entsprechenden Nachdruck, das Volk selbst ist von der Mitbestimmung
ausgeschlossen.
Denn darauf läuft das Ganze
doch hinaus: War die bisherige Konstruktion des staatlichen Fernsehens immerhin
noch auf Grund von wie auch immer problematischen Wahlen und Proporzabsprachen
trotz aller "Monopolstellung" irgendwie vom Volk noch beeinflußbar,
so doch im Fall einer "Privatisierung der Sender" auf gar keinen Fall
mehr, denn der begüterte Erbprinz, ob er nun Axel Springer, Rudolf Augstein,
Leo Kirch, Bertelsmann, Berlusconi, Steven Spielberg oder Rupert Murdoch heißt,
herrscht ohnehin nach monarchischem Prinzip. Das Volk jedenfalls steht außen
vor und hat weniger Einfluß als zuvor. Es weiß vielfach gar nicht mehr, wer ihm
eigentlich die Meinung vorschreibt und ihn regiert. Da berichten "Der
Spiegel" und "Focus" im Juni 1998 (Ausgaben jeweils Nr. 25/1998,
15.6.), der globale Medienherrscher Murdoch steuere heute kraft eines mehrere
Millionenerbes hunderte Zeitungen, Dutzende TV‑Stationen und Filmstudios
und befasse sich mit umfangreichen Übernahmeplänen in Deutschland. Gewählt hat
ihn niemand! Axel Springer und seine nachfolgenden Konzerngewaltigen auch
niemand. Schon über ihn ist das Wort des Bundeskanzlers Helmut Schmidt
überliefert:
"Wer politischen
Selbstmord vermeiden will, darf sich nicht mit Springer anlegen."
Quelle: "Historische Tatsachen" Nr. 77, S. 39 f ("Ein ganz
besonderer Herr, der nie die Staatsanwaltschaft zur Hausdurchsuchung und
Beschlagnahme seiner Schriften erlebte" - Kurze Auszüge aus Hans Dietrich
Müller "Der Springer Konzern - Eine kritische Studie", München 1968,
Verlag PIPER)