Schill-Rede vor dem Deutschen Bundestag

 

Wer im Bundestag Wahrheiten ausspricht, dem wird das Mikrophon abgeschaltet: "Deutschland ist herabgewirtschaftet worden. Wir haben ohne Zweifel die tüchtigsten Menschen, aber sicherlich die unfähigsten Politiker." Man muß kein Freund von Möllemann sein, wenn man den politischen Mord an ihm anprangert. Man muß kein Freund von Schill sein, wenn man seine Worte vor dem Bundestag für eine der wenigen der dort im Jahre 2002 gehaltenen Reden ansieht, die von möglichst vielen Deutschen gelesen werden sollte!

 

Auszug aus dem Stenographischen Bericht des Deutschen Bundestages, 251. Sitzung, Rede Ronald B. Schill, Zweiter Bürgermeister und Innensenator der Freien und Hansestadt Hamburg.

 

Berlin, Donnerstag, den 29. August 2002

 

Vizepräsidentin Anke Fuchs:

 

Ich erteile das Wort dem Senator der Freien und Hansestadt Hamburg, Herrn Ronald Schill.

 

(Zuruf von der PDS: Das muß man sich nicht antun! ‑ Die Abgeordneten der PDS‑Fraktion sowie zahlreiche Abgeordnete der SPD‑Fraktion verlassen den Saal)

 

Ronald B. Schill, Senator (Hamburg):

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Präsidentin!

 

Daß jetzt einige Herrschaften den Saal verlassen, ist symptomatisch dafür, mit welcher unglaublichen Selbstherrlichkeit und Arroganz hier über Probleme hinweggegangen wird, die Sie selbst angerichtet haben.

 

Unser Mitgefühl gilt den Opfern der schlimmen Flutkatastrophe. Ich selbst war als Innensenator der Freien und Hansestadt Hamburg in unserer Partnerstadt Dresden und habe mir ein Bild machen können einerseits von den Verheerungen dort, andererseits aber auch von der Welle der Hilfsbereitschaft auch unbeteiligter Personen, von der Spendenbereitschaft und der enormen Tatkraft. Die Spendenbereitschaft, die Tatkraft und das Engagement müssen selbstverständlich durch staatliche Hilfe ergänzt werden, und zwar in einer Größenordnung, wie sie hier angedacht ist, nämlich in Höhe von mindestens 7 Milliarden Euro. Darüber besteht kein Zweifel. Darüber besteht ein breiter Konsens unter Demokraten. Eine andere Frage, die mich und sehr viele Bürger umtreibt, ist jedoch:

 

Was ist aus Deutschland geworden, daß die für die Hilfe nach der Flutkatastrophe benötigten 7 Milliarden Euro nicht anders aufgebracht werden können als durch faktische Steuererhöhungen?

 

Die Verschiebung der Steuerentlastungsstufe für das Jahr 2003 trifft ausgerechnet die kleinen Leute, Arbeitnehmer und Kleinbetriebe, und ist höchst unsozial für eine Partei, die sich sozialdemokratisch nennt.

 

(Zuruf von der SPD: Sie haben wohl nicht zugehört!)

 

Die Wirtschaft wird hierdurch, wie bereits in der Vergangenheit, weiter erdrosselt. Wo sind eigentlich ‑ diese Frage erhebt sich in der Bevölkerung ‑ die 50 Milliarden Euro geblieben, die der Finanzminister aufgrund der UMTS‑Lizenzen bekommen hat?

 

(Zuruf von der SPD: Damit wurden Zinsen getilgt!)

 

Das waren sage und schreibe 50 Milliarden Euro. Waren hierfür nicht sogar der Absturz der Telekom‑Aktie und die damit verbundene Schädigung von Millionen Kleinaktionären in Kauf genommen worden?

 

(Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr wahr! Herr Eichel und Herr Schröder waren es! ‑ Zuruf von der SPD: Zum Thema bitte!)

 

Ich beschäftige mich mit dem The­ma der Notwendigkeit, die Hilfe nach der Flutkatastrophe durch Steuererhöhungen zu finanzieren, die Sie ja als alternativlos angesehen haben.

 

Nach fast jährlich wiederkehrenden Katastrophen vergleichbaren Ausmaßes wird die Hilfe in den USA ganz selbstverständlich aus Überschüssen und Rücklagen finanziert. In den USA würde niemand auf die Idee kommen, nach verheerenden Waldbränden, Hurrikans oder dem Ereignis des 11. September 2001 die Steuern zu erhöhen und damit der Wirtschaft den Garaus zu machen. Auf solche Ideen verfällt man nur hier.

 

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

 

Was ist aus Deutschland geworden, daß die benötigten 7,1 Milliarden Euro nur durch faktische Steuererhöhungen finanziert werden können? Der Bundeskanzler sagte vorhin, er glaube an die Kraft der Volkswirtschaft ‑ der Volkswirtschaft, die er selbst zugrunde gerichtet hat, meine Damen und Herren. Wir haben in Deutschland das geringste Wirtschaftswachstum und den höchsten Schuldenberg in Europa.

 

(Susanne.Kastner (SPD): Und was haben Sie in Hamburg?)

 

Rot‑Grün ist es gelungen, die schon vorhandenen Schulden um noch einmal 100 Milliarden Euro zu erhöhen. Wenn wir noch die 50 Milliarden Euro aufgrund der UMTS‑Lizenzen dazurechnen, haben Sie in den letzten vier Jahren 150 Milliarden Euro verpulvert.

 

(Michael Glos [CDU/CSU]: Jawohl!)

 

Wir haben darüber hinaus ‑ diese Bemerkung in puncto Kraft der Volkswirtschaft, auf die sich Herr Schröder gerne verläßt ‑ die höchste Abgabenquote in ganz Europa. Es ist errechnet worden, daß der durchschnittliche Mensch sage und schreibe 56 Prozent seiner Arbeitszeit im Jahr nur für den Staat aufwendet. Diese Zahl, 56 Prozent, läßt es natürlich vielen Bürgern unsinnig erscheinen, in diesem Lande. überhaupt noch einer geregelten Arbeit nachzugehen.

 

(Zuruf von der SPD: Was reden Sie denn da!)

 

Sie sagen: Arbeit lohnt sich nicht mehr. Deswegen arbeiten viele von ihnen schwarz und beziehen gleich­zeitig Sozialhilfe. Deswegen haben wir eine Schattenwirtschaft von 350 Milliarden Euro. Dagegen wird nichts getan. Vielmehr werden die Umstände, die die geregelte, reguläre Arbeit unattraktiv machen, immer schlimmer Dazu soll jetzt auch die weitere Steuererhöhung ganz eindeutig beitragen. Wie konnte es dazu kommen, obwohl doch die Menschen unseres Landes anerkanntermaßen zu den tüchtigsten Europas gehören?

 

Unsere tüchtigen Bürger klagen an, auf welche verschwenderische Weise deutsche Politiker in den vergangenen Jahrzehnten mit dem Geld umgegangen sind. Unsere tüchtigen Bürger klagen zum Beispiel diejenigen Politiker an, die sich darin gefallen haben, in den letzten Jahrzehnten mit dem Kelch der Barmherzigkeit, gefüllt mit deutschen Steuergeldern, durch die ganze Welt zu ziehen und bei irgendwelchen Katastrophen die betroffenen Menschen hierher zu holen. Jeder, der dagegen etwas gesagt hat, wurde als ausländerfeindlich bzw. als menschenunfreundlich diffamiert.

 

Jetzt wundert sich die ganze Welt, daß Deutschland noch nicht einmal in der Lage ist, der in Not geratenen Bevölkerung aus eigener Kraft zu helfen, ohne die Steuer zu erhöhen, womit gleichzeitig die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft erdrosselt wird. Die ganze Weit wundert sich mittlerweile darüber, was aus diesem Deutschland geworden ist.

 

(Susanne Kastner [SPD]: Die Welt wundert sich, was aus Hamburg geworden ist!)

 

Wir bilden das Schlußlicht in Europa, was Sie teilweise zu verantworten haben.

 

Es hat in den letzten 30 Jahren eine massive Zuwanderung stattgefunden, die zulasten der Sozialkassen geht.

 

(Ludwig Stiegler (SPD): Sie müssen zur Sache reden!)

 

Ich rede zur Sache. Es besteht nämlich aufgrund der Flutkatastrophe die Notwendigkeit, die Steuern zu erhöhen. Mit den Ursachen für diese Notwendigkeit sollten Sie sich einmal befassen, denn Sie gehören zu den Verantwortlichen.


 

Wie gesagt, es hat eine Zuwanderung stattgefunden, die zulasten der Sozialkassen geht. Obwohl es eine Verdoppelung der Zahl der Ausländer seit 1972, also in den letzten 30 Jahren, gegeben hat ‑ ich sage das in alter Deutlichkeit ‑, waren 1972 mehr ausländische Mitbürger erwerbstätig als heute. Damals waren es 2,3 Millionen und jetzt sind es nur noch 2 Millionen.

 

Was lernen wir daraus? ‑ Wir lernen daraus, daß es eine verdammt teure Entwicklung gewesen ist.

 

(Dr. Rainer Wend [SPD]: Reden Sie über Flüchtlinge oder über Flutopfer?)

 

Jetzt fehlen die nötigen Gelder für Hilfsmaßnahmen, die in den USA bei vergleichbaren Katastrophen aus der Portokasse finanziert werden. Wir haben uns etwa den Luxus geleistet, in der Zeit des Bosnien‑Bürgerkriegs doppelt so viele Bosnier nach Deutschland zu holen wie sämtliche Staaten der Europäischen Union zusammen. Da stellt sich doch die Frage, ob die Regierungschefs anderer europäischer Nationen unmenschlich waren oder ob nicht vielmehr die Politiker unseres Landes die Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung mit Füßen getreten haben.

 

(Susanne Kastner [SPD]: Über die Bedürfnisse von Menschen sollten Sie lieber nicht reden!)

 

In den letzten Jahren wurden jedes Jahr über 10 Milliarden DM für Flüchtlinge in Deutschland ausgegeben. Dieses Geld fehlt jetzt an anderer Stelle. Sehen Sie es endlich ein! Wer mir vorwirft, ich würde das Leid der Flutopfer gegen das Leid der Flüchtlinge ausspielen, dem kann ich nur sagen: Nur ein Rabenvater läßt seine Kinder darben, während er sich um unbekannte Gäste kümmert. Sie haben in der Vergangenheit das Geld verfrühstückt und haben es mit der Gießkanne über die ganze Weit verteilt, so daß Deutschland diese Katastrophe nicht mehr angemessen bewältigen kann.

 

(Susanne Kastner [SPD]: So ein Blödsinn!)

 

Die tüchtigen Bürger unseres Landes klagen an. Sie klagen die rot‑grüne Regierung an, die ein Zu­wanderungsgesetz, allen besseren Einsichten zum Trotz, gegen den Willen von 83 Prozent der Bevölkerung durchgepaukt hat, die in diesem Gesetz ein Zuwanderungserweiterungsgesetz sehen. Die Bürger lehnen dieses Gesetz insbesondere deshalb ab, weil es die Ströme unkontrollierter Zuwanderung in der Zukunft noch erweitern wird. Da die Bundesregierung das weiß, hat sie 3 Millionen Euro dafür aufgewendet ‑ das ist ein weiterer Skandal und vor dem Hintergrund der Flutkatastrophe besonders peinlich ‑, um mit einer Briefkampagne der Bevölkerung dieses Gesetz schmackhaft zu machen.

 

(Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist ein Skandal!)

 

Diese 3 Millionen Euro wurden fünf Wochen vor der Bundestagswahl sozusagen für Wahlwerbung ausgegeben.

 

(Beifall des Abg. Michael Glos [CDU/ CSU])

 

Wie wollen Sie den Menschen in Dresden erklären, daß es Ihnen wichtiger ist, der Bevölkerung mit Hilfe der 3 Millionen Euro Ihr Gesetz schmackhaft zu machen und dem Bürger Sand in die Augen zu streuen, als mit diesem Geld dort zu helfen, wo es dringend gebraucht wird?

 

(Beifall des Abg. Michael Glos [CDU/CSU] ‑ Gert Weisskirchen (Wiesloch) [SPD]: Der Glos klatscht schon wie­der! ‑ Gegenruf des Abg. Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Er hat doch Recht!)

 

Die tüchtigen Menschen unseres Landes klagen an, daß sie an den wichtigsten Entscheidungen nicht beteiligt werden, daß sie faktisch entmündigt werden, wenn es um die Fragen geht, ob Deutschland ein Einwanderungsland werden soll oder ob es eine EU‑Osterweiterung geben soll.

 

Ich besuche gelegentlich meine Freunde in Polen und habe dieses Land auch schon einmal von der Westgrenze bis zur Ostgrenze bereist. Dabei habe ich festgestellt, daß dort die Infrastruktur mehr im Argen liegt als in der ehemaligen DDR im Jahre 1989.

 

(Zuruf von der SPD: Ach was!)


 

Deswegen stellt sich für den Bürger die Frage: Wie teuer wird uns die Osterweiterung? Ruinieren wir uns damit als Hauptnettozahler der Europäischen Union endgültig oder schaffen wir es gerade noch? Aber der Bürger wird nicht gefragt. Er hat keine Alternative. Deswegen muß es in wichtigen Fragen, wie in anderen europäischen Nationen üblich, endlich so etwas wie Volksabstimmungen geben.

 

Die tüchtigen Bürger dieses Landes klagen darüber hinaus die Mitglieder auch dieses Hauses an, die sich durch schwarze Kassen bereichern

 

(Widerspruch bei der SPD)

 

und Korruption betreiben, beispielsweise in Nordrhein‑Westfalen bei der Vergabe von Baugenehmigungen für Müllverbrennungsanlagen; die Namen Trienekens und Wienand haben traurige Berühmtheit erlangt. Sie klagen auch die Bonusmeilenmentalität, die der eine oder andere hier kennen gelernt hat, an. Die tüchtigen Menschen dieses Landes, die jetzt nicht verstehen können, warum die Flutkatastrophe nicht durch Rücklagen finanziert werden kann, klagen auch an, daß in den 70er‑Jahren ein Strafvollzugsgesetz geschaffen worden ist, welches an der menschlichen Wirklichkeit vorbeigeht, da ja bekanntermaßen nicht jeder Mörder, Vergewaltiger und Räuber resozialisierbar ist.

 

Dieses Strafvollzugsgesetz hat dazu geführt, daß jeder Kriminelle einen Anspruch auf eine Einzelzelle hat. Erklären Sie das einmal den Menschen auf der Straße, die sich als AOK­Patienten ihr Krankenzimmer mit anderen Kranken teilen müssen! Erklären Sie das einmal den jungen Wehrpflichtigen, die sich ihre Stube mit anderen Wehrpflichtigen teilen müssen! Erklären Sie einmal den Menschen auf der Straße, daß im hessischen Weiterstadt für 400 Gefangene eine Strafanstalt mit Schwimmbad und sonstigem Komfort für 300 Millionen DM gebaut worden ist!

 

(Widerspruch bei der SPD)

 

Erzählen Sie das doch einmal gegen besseres Wissen und durch ideologische Verblendung begünstigt! Jeder Haftplatz kostet pro Monat 3.000 Euro.

 

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was hat das denn mit der Flutkatastrophe zu tun?)

 

Das hat in der Hinsicht damit zu tun, daß die Kassen in Deutschland jetzt leer sind und wir deswegen nicht in der Lage sind, die Flutkatastrophe zu bekämpfen und mit Mitteln zu sanieren, die eigentlich in Hülle und Fülle vorhanden sein müßten angesichts der tüchtigen Bevölkerung, die sich abrackert. Dafür müßte das Geld zur Verfügung stehen.

 

(Hans Büttner (Ingolstadt) [SPD]: Sie sollten Ihr Gehalt abgeben!)

 

Die tüchtigen Menschen klagen auch Herrn Gerhard Schröder an, weil er zur nächsten Wahl noch einmal antritt, obwohl er gesagt hat, wenn es ihm nicht gelinge, die Arbeitslosenzahlen auf unter 3,5 Millionen zu senken, dann habe er es nicht verdient, wiedergewählt zu werden. Wie kann jemand, der so etwas formuliert, jetzt die Unverschämtheit besitzen, hier wieder anzutreten?

 

(Susanne Kastner [SPD]: Ganz ruhig bleiben!)

 

Er schiebt es gern auf weltwirtschaftliche Faktoren; das habe auch ich schon begriffen. Das ist aber vor dem Hintergrund, daß er seine Politik der ruhigen Hand bloß hätte einschlafen lassen müssen und die Arbeitslosenzahlen wären automatisch auf unter 3,5 Millionen gesunken, unglaublich. Denn demographisch wäre das zwangsläufig der Fall gewesen. Wir haben in den letzten zweieinhalb Jahren 600.000 ältere Arbeitnehmer mehr, die pensioniert worden sind, als Neuzugänge. Allein aufgrund dessen wäre ohne das Zutun des Kanzlers ein Abbau der Arbeitslosigkeit möglich gewesen. Der Kanzler hat Arbeitsplätze in Millionenhöhe gezielt vernichtet.

 

Durch vier Maßnahmen hat Bundeskanzler Schröder mit seinen Grünen und seinen Roten etwa 1 Million Arbeitsplätze völlig ohne Not vernichtet: erstens durch die Abschaffung der sogenannten 630‑Mark­-Jobs,

 

(Widerspruch bei der SPD)

 

zweitens durch eine völlig unsinnige Regelung zur Scheinselbstständigkeit,


 

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr! ‑ Susanne Kastner [SPD]: Hat das auch etwas mit der Flutkatastrophe zu tun?)

 

drittens durch eine wachstumsfeindliche Ökosteuer und viertens durch eine Ausweitung des Kündigungsschutzes. Das hat eine Million Arbeitsplätze gekostet. Aber das war ihm der Spaß offenbar wert.

 

Auch durch die Finanzierung der Differenz zwischen 3,5 Millionen und 4 Millionen Arbeitslosen sind enorme Kosten entstanden. Das ist Geld, das jetzt natürlich fehlt. Nun fällt ihm wieder nichts Besseres ein, als angesichts dieser nationalen Katastrophe die Steuern zu erhöhen.

 

(Gert Weisskirchen [Wiesloch] (SPD]: Setzt dich jetzt! Du hast lange genug gesungen!)

 

Vizepräsidentin Anke Fuchs:

 

Herr Senator, Ihre angemeldete Redezeit ist abgelaufen. Ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.

 

Ronald B. Schill, Senator (Hamburg):

 

Es ist kein Geld mehr vorhanden für die Fluthilfe. Es ist kein Geld vorhanden für Basisinnovationen, um die uns die ganze Weit beneidet.

 

(Gert Weisskirchen [Wieslochl [SPD]: Mach Schluß, Junge!)

 

Es gibt ganz tolle Leistungen der Ingenieurkunst. Ich möchte nur den Transrapid nennen. Der wird jetzt in China gebaut, weil in Deutschland kein Geld mehr vorhanden ist

 

Deutschland ist letztendlich herabgewirtschaftet worden. Wir haben ohne Zweifel die tüchtigsten Menschen, aber sicherlich die unfähigsten Politiker

 

(Widerspruch bei der SPD)

 

Aus gegebenem Anlaß muß ich noch einen Punkt hinzufügen. Der betrifft Sie, Frau Präsidentin.

 

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Ja.

 

Ronald B. Schill, Senator (Hamburg):

 

Menschen. in Not müssen darauf vertrauen können, daß ‑ jedenfalls im Bundestag, dem höchsten deutschen Parlament ‑ alles mit rechten Dingen zugeht. In diesem höchsten deutschen ....

 

Vizepräsidentin Anke Fuchs:

 

Es tut mir Leid, aber ich muß Ihnen jetzt das Wort entziehen. Es hat keinen Sinn weiterzureden. Verlassen Sie bitte das Rednerpult! Ihre Redezeit ist abgelaufen.

 

Ronald B. Schill, Senator (Hamburg):

 

Meine Redezeit ist unbegrenzt, Frau Präsidentin! Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! Aber Bruch der Verfassung ist Ihnen ja nichts Neues! Ich habe jederzeit Rederecht nach Art. 43 Abs. 2 des Grundgesetzes!

 

Bernd Reuter ...

 

Schriftführer:

 

Verlassen Sie das Pult! Sie sind fertig! Sie gehen jetzt da weg!

 

(Zurufe von der SPD: Saaldiener!)

 

Sie haben eine Redezeit von 15 Minuten angemeldet, die Sie weit überschritten haben. Deswegen darf ich Sie bitten, das Rednerpult zu verlassen. Ich weise darauf hin, daß der Herr Innensenator Mitglied des Hamburger Senats ist und hier auch als solches spricht. ‑ Ich erteile Ihnen erneut die Gelegenheit zu einem Schlußwort und dann verlassen Sie bitte das Pult. Sonst entziehe ich Ihnen das Wort. Bitte sehr

 

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:

Ist die Rede eigentlich mit Hamburg abgestimmt?)

 

Ronald B. Schill, Senator (Hamburg):

 

Ich bin mit großem Vertrauen in den Bundestag gekommen und mußte feststellen, daß hier die Verfassung mit Füßen getreten wird.

 

(Widerspruch bei der SPD)

 

Ich hatte mein Rederecht nach Art. 43 Abs. 2 des Grundgesetzes rechtzeitig angemeldet, und zwar unter Zeugen, und die Bundestagspräsidentin....

 

(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort)

 

 

Anmerkung: Die von Ronald Schill genannte Vorschrift des Art. 43 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) lautet: "Die Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung sowie ihre Beauftragten haben zu allen Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse Zutritt. Sie müssen jederzeit gehört werden." Von einer Beschränkung der Redezeit ist also nicht die Rede. Aus Art. 43 Abs. 2 Satz 2 GG dürfte sich im übrigen - auch für einen Nicht-Juristen - mit hinreichender Deutlichkeit ergeben, daß eine Beschränkung der Redezeit auch nicht aus dem Umfang der Anmeldung - die wohl auch teilweise aus Gründen der Zwischenrufe überschritten wurde - herzuleiten ist ("jederzeit").

 

 

»Die Grundlage der Demokratie ist die Volkssouverä­nität und nicht die Herrschafts­gewalt eines obrigkeitlichen Staates.

 

Nicht der Bürger steht im Gehor­samsverhältnis zur Regierung, sondern die Re­gierung ist dem Bürger im Rah­men der Gesetze verantwortlich für ihr Handeln.

 

Der Bürger hat das Recht und die Pflicht, die Regierung zur Ordnung zu ru­fen, wenn er glaubt, daß sie demokratische Rechte mißachtet.«

 

Dr. Gustav Heinemann

(Bundespräsident 1969‑74)

 

Anmerkung: Sozialdemokraten vom Schlage eines Gustav Heinemann gibt es heute leider nicht mehr!

 

 

Quelle: Die vorstehenden Texte wurden unter Verwendung des UN-Sonderdrucks D 60 erstellt.