Rotlicht-Affäre Lafontaine

 

Risse im Lügengewebe

Im ohnehin affärenreichen Südwesten braut sich ein handfester Justizskandal zusammen. Nach und nach kommen die Tatsachen über eine neue Rotlicht-Affäre ans Licht, die offenbar unter den Teppich gekehrt werden sollten. Nicht nur Ex-Finanzminister Oskar Lafontaine wird in diesem Zusammenhang beschuldigt (wir berichteten über die "Strafanzeige", FB vom 9.11.). Es werden auch andere bundesweit prominente Namen (darunter ein Ex-Gewerkschaftsvorsitzender und eine hochrangige Figur aus Kohls Kanzleramt) auftauchen.

Die offizielle Darstellung lautet: Die Beschuldigungen beruhten ausschließlich auf den Aussagen einer einzelnen Prostituierten. Doch diese sei nicht glaubwürdig. Daher gäbe es keine Rotlicht-Affäre.

Die Tatsachen sind andere. So sah sich die Mainzer Landesregierung jetzt zu dem Geständnis gezwungen, dass bereits Jahre vor den Aussagen der Prostituierten Belastungsmaterial gegen die Hauptbeschuldigten in Form von Videokassetten (mit strafrechtlich relevanten Sex-Varianten) vorlag. Die Videokassetten (die sogar selbst als Beweis für eine Straftat gelten können) wurden schnellstmöglich auf Anordnung der Staatsanwaltschaft vernichtet Auffällig dabei: Die Vernichtungsverfügungen und -protokolle existieren ebenfalls nicht mehr.

"Ermittlungstaktische Gründe" gibt Staatssekretär Deubel im Namen der Landesregierung für diesen merkwürdigen Umgang mit wichtigen Beweisstücken an. Fest steht, dass sich später Staatsanwälte eben jener Behörde in der Rolle von Beschuldigten wiederfanden, die zuvor an der Vernichtung von Beweisstücken interessiert war.

Aber nicht nur die vernichteten Videokassetten erweisen die regierungsamtliche Darstellung als unwahr: Polizei und Staatsanwälte hatten eine ganze Reihe weiterer (in wesentlichen Punkten übereinstimmender) Zeugenaussagen in der Hand. Das ergibt sich eindeutig aus einer internen Zusammenfassung der Ermittlungsergebnisse. Sie fiel durch Schlamperei der Justiz (so man nicht Schlimmeres vermuten will) in die Hände des Rotlichtmilieus und wurde damit öffentlich.

Nur im Hinblick auf Lafontaine selbst stimmt die offizielle Version - mit Einschränkungen. Er wird tatsächlich nur von der einen Prostituierten beim Namen genannt. Aber es gibt noch den Bericht eines ausländischen V-Mannes. Er berichtet über Sexparties, an denen Minister und Abgeordnete einer Landesregierung teilgenommen haben sollen. Allerdings kenne er "das deutsche System nicht so genau". Doch sei er sicher, dass ein "höherer Parteimann aus Saarbrücken" mit von der Partie war.

Alles das sagt nichts über Schuld oder Unschuld Lafontaines und anderer prominenter Randfiguren aus. Sie wurden nie zu den Vorgängen gehört. Auffällig ist aber: Nur gegen Figuren aus dem Milieu wurde konsequent ermittelt. Am Ende kamen Verurteilungen heraus. Wo immer prominente Namen und Justizbedienstete ins Spiel kamen, blieben in den Ermittlungen viele Fragen offen. Weitere benannte Zeugen wurden nicht befragt und angebliche Tatorte nicht untersucht. Das stinkt gewaltig!

 

Ein Justizskandal nimmt Form an

Die Ungereimtheiten im Verfahren der Justiz mit der Verwicklung Lafontaines in die Trierer Rotlicht-Affäre nehmen Tag für Tag zu. Auch die Presse springt nach unseren Berichten jetzt auf den Fall an.

- Die belastenden Zeugenaussagen in diesem Ermittlungsverfahren (bei dem der ExBundesfinanzminister nur einer von mehreren Beschuldigten ist) werden im wesentlichen 1992/93 gemacht. Allerdings sei sich schon damals der vernehmende Staatsanwalt sicher gewesen, dass die namentlich gegen Lafontaine erhobenen Beschuldigungen einer Prostituierten haltlos waren. So die Mainzer Landesregierung. Gleichwohl führt ein Polizeibericht den damaligen Ministerpräsidenten des Saarlandes noch Mitte '95 unter den mutmaßlich Tatbeteiligten.

- Auffällig Die Prostituierte beschuldigte im gleichen Atemzug Richter und Staatsanwälte der Trierer Justiz. Gegen sie wurden formelle Ermittlungsverfahren eröffnet und von der Staatsanwaltschaft Koblenz geführt. Lafontaine wurde nicht einmal zur Sache angehört.

- Treppenwitz: Die beschuldigten Trierer Juristen führten weiter Verfahren gegen Figuren aus dem Milieu, die wiederum in einem engen Zusammenhang mit den gegen sie selbst erhobenen Beschuldigungen stehen. Das behauptet zumindest ein Kripo-Beamter.

- Tatsache ist: Ein Zuhälter wurde unter dubiosen Umständen aus der U-Haft entlassen. Der (selbst beschuldigte!) Richter hatte sein Kreuzchen an der falschen Stelle des Formulars gemacht - "versehentlich", wie die Offiziellen in Mainz betonen.

- Die Ermittlungen gegen die Juristen gingen aus wie das Hornberger Schießen. Doch bevor diese Verfahren formell erledigt waren, wurde die Akte Lafontaine nach Saarbrücken abgegeben. V o r Abschluß der Ermittlungen. Bei dieser Aktion um die Jahreswende 1995/96 ist dann auch die "Strafanzeige" verschwunden. Die Ermittlungen zum Tatkomplex selbst dauerten aber bis gegen Ende 1996 (Auskunft des Mainzer Justizministeriums vom Dezember '98).

- Noch pikanter: Der zuständige Generalstaatsanwalt in Koblenz forderte und erhielt im Mai '97 (fast eineinhalb Jahre, nachdem die Sache aus seinem Zuständigkeitsbereich verschwunden war!), Kopien der Akte Lafontaine. Er wollte von seinem Saarbrücker Kollegen wissen, was dieser in Sachen Lafontaine unternommen hatte (nichts) und ob sich daraus für die in seinem Verantwortungsgbereich verblieben Verfahren etwas Verwertbares ergeben hat.

Das gesamte Ermittlungsverfahren gegen alle noch Beschuldigten wurde im April '98 eingestellt. Unmittelbar vor Einsetzung des Untersuchungsausschusses.

 

 

Verdacht: Strafvereitelung im Amt

Die offizielle Version der Mainzer Landesregierung zur Rotlichtaffäre hat einen weiteren Schlag bekommen: Wie von uns berichtet, wurde die Prostituierte, die Lafontaine namentlich beschuldigt hatte, kurzerhand für unglaubwürdig erklärt. Nun gestand eine Staatsanwältin vor dem Mainzer Untersuchungsausschuss: Die Aussagen der Zeugin "sind durch Ermittlungen nicht widerlegt worden".

Zusammengenommen mit den anderen Ungereimtheiten steht jetzt der Verdacht "Strafvereitelung im Amt" im Raum: Nach den vorliegenden Informationen ignoriert die Einstellungsverfügung für das gesamte Verfahren eine ganze Reihe von Zeugenaussagen und Indizien. Das Fazit der ermittelnden Polizeibeamten vom 9.11.1995 lautete Jedenfalls: "Aufgrund der Spureninformation ist ein Ermittlungsverfahren gegen Oskar Lafontaine ... einzuleiten." So notiert auf einem Formblatt, mit dem die Polizei ihre Bewertung der Ermittlungsergebnisse an die Staatsanwaltschaft weitergibt.

Die zuständigen Staatsanwälte hörten indes Lafontaine nicht einmal zu den Vorwürfen an. Sie beschränkten sich darauf, die lästige Akte noch vor Abschluß der Ermittlungen loszuwerden.

Hinweis: Die bisher erschienenen Berichte zur Rotlichtakte Lafontaine finden Sie auf der Homepage unter www.fuchsbriefe.de

Quelle: FUCHSBRIEFE vom 15.11., 6.12. und 13.12.1999