Rentenloch
Bundesverfassungsgerichtspräsident
Papier warnt die Politik
Wenn sich ein Richter in der
Öffentlichkeit äußert und noch dazu, wenn er sich mit dem Gegenstand seiner
Äußerung vielleicht einmal beruflich befassen muß, dann geht es um etwas ganz
Besonderes. So schwant dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, HANS‑JÜRGEN
PAPIER, daß die Entwicklung der Renten durchaus noch in Konflikt mit dem
Grundgesetz geraten könnte. In der Zeitung "Die Welt" warnte der
Verfassungsrichter, daß sich dann ein Verfassungskonflikt abzeichnen werde,
wenn die eingezahlten Beiträge und die ausgezahlten Renten nicht mehr in einem
angemessenen Verhältnis zueinander stünden.
Die Eigentumsgarantie
verbietet nach der Kommentierung von PAPIER eine "offenkundige
Unverhältnismäßigkeit zwischen Beitrags‑ und Versicherungsleistungen".
Dazu PAPIER ganz konkret: "Eine dauerhafte Null‑Rendite oder gar ein
Minuswert dergestalt, daß die Rentenzahlungen nicht mehr ausreichen, um die
für die Alterssicherung aufgewendeten Beiträge gleichsam zu verbrauchen, könnte
die Frage aufwerfen, ob nicht die Grenze der verfassungsrechtlich unzulässigen
evidenten Unverhältnismäßigkeit von Leistung und Gegenleistung erreicht bzw.
überschritten wird".
Die Experten sind sich darin
einig, daß der Zustand, den PAPIER als verfassungswidrig bezeichnet, keine
Vision mehr ist. "Immer mehr junge Menschen werden aus der gesetzlichen
Rentenversicherung weniger herausbekommen, als sie eingezahlt haben",
meint BERND RAFFELHÜSCHEN, ehemals Mitglied der RÜRUP‑Kommission.
Quelle: ZAP (Zeitschrift für die Anwaltspraxis) vom 7.7.2004 (Seite 692)