Frank Rennicke
Frank Rennicke wurde zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Rechtsanwalt Horst Mahler nutzte des Prozess als Bühne für antisemitische Agitation.
Ob beim Pressefest des Parteiorgans "Deutsche Stimme" oder beim Aufmarsch gegen die Wehrmachtsausstellung: Frank Rennicke, selbst ernannter "Liedermacher für Familie, Volk und Vaterland", soll für den rechten musikalischen Ton bei Demonstrationen und Konzerten sorgen. Mehr als 650 Mal, verrät seine Homepage, ist dies in den letzten über 15 Jahren der Fall gewesen. Und es könnten in näherer Zukunft noch mehr Auftritte, die Rechtsextremisten über alle Generations- und Lagergrenzen gefallen, hinzukommen. Denn das Stuttgarter Landgericht lehnte es ab, den "Nationalen Barden" hinter Gitter zu schicken. 21 Monate Haft ohne Bewährung wegen Volksverhetzung hatte der Staatsanwalt für den in Ehningen lebenden 37-Jährigen beantragt. Doch die 38. Strafkammer räumte ihm eine Bewährungschance ein.
Ein Text aus der Frühphase des "volkstreuen Liedermachers", sein "Heimatvertriebenenlied", hatte ihm das Verfahren eingebracht - und in der ersten Instanz vor dem Amtsgericht Böblingen zehn Monate auf Bewährung. Rennicke wie auch die Staatsanwaltschaft gingen in Berufung. Dafür hatte sich der Sänger eines prominenten Rechtsbeistands versichert: Horst Mahler. Und der, schon aus dem NPD-Verbotsverfahren wegen ausufernder Schriftsätze berüchtigt, griff tief in die Trickkiste.
Gleich am ersten Prozeßtag stellte er Antrag auf Aussetzung beziehungsweise Einstellung des Verfahrens und wollte alternativ eine Fülle weiterer Zeugen und Sachverständigen gehört wissen: unter anderem Helmut Schmidt und Helmut Kohl, den Staatsrechtler Josef Isensee, den Bevölkerungswissenschaftler Herwig Birk, den Konfliktforscher Wilhelm Heitmeyer. Mahler beantragte zudem, ein "zeitgeschichtliches Gutachten einzuholen zur Bestätigung der These, das 'Kriegsziel Nr. 1' sowohl der USA als auch der Sowjetunion die ethnische Durchmischung des Deutschen Volkes war".
"Amis, Russen, Fremdvölker raus, endlich wieder Herr im eigenen Haus", hatte Rennicke in der Erstfassung des "Heimatvertriebenenliedes" - später erschienen entschärfte Versionen - gereimt. Er habe nie zu Hass aufstacheln wollen, beteuerte er nun vor Gericht. Mehrfach habe er den Text juristisch prüfen lassen. Einer der Juristen für solche Aufgaben, der Hamburger Jürgen Rieger, befand denn auch: "Rechtlich unbedenklich." Dabei stehe er, so Rieger, im Ruf, eher kritischer zu sein als Kollegen: "Ich will nicht, dass jemand ins Messer läuft."
Rennicke hat diese Vorsicht nichts gebracht. "Das Heimatvertriebenenlied macht alle Nichtdeutschen verächtlich", betonte der Staatsanwalt. Als Fortsetzung der NS-Rassenideologie solle es zum Hass gegen alles Fremde aufstacheln. Strafverschärfend wertete der Anklagevertreter, dass Rennicke die den Holocaust leugnende Schrift "Dokumente der Verteidigung - Unterdrückte Tatsachen über Auschwitz und den Holocaust" verschickt habe. Ein Neun-Stunden-Plädoyer Mahlers, der ausgiebig aus den "Dokumenten der Verteidigung" zitierte und 90 weitere Beweisanträge stellte, konnte die Verurteilung nicht verhindern. Der Tenor solcher Anträge ist bekannt: Weitere Zeugen sollten aussagen, dass es zum Beispiel in Auschwitz und Birkenau keine Gaskammern gegeben habe, dass es technisch gar nicht möglich gewesen sei, Juden mit Zyklon B zu töten, dass der Gas-Tod von sechs Millionen Juden in das Reich der Fabeln gehöre. Die "Stuttgarter Zeitung" kommentierte: "Der rechte Jurist, vom Richter kaum unterbrochen, nutzte den Gerichtssaal als Plattform für antisemitische Äußerungen."
Zwar verfolgten unter anderem NPD-Parteichef Udo Voigt, sein Pressesprecher Klaus Beier und Dieter Kern vom Bündnis Rechts zeitweise die Verhandlung. Und auch in den einschlägigen Foren des Internets wird gepöbelt: Das Urteil sei "ein weiteres Beispiel dafür, daß die -brd- nicht von uns sondern von den Gelbsternträgern und ihren Bütteln in Robe regiert wird". Doch Rennicke reicht die Resonanz im rechten Lager nicht: "Die allgemeine Gleichgültigkeit anderer nationaler Kreise zu diesem Musterprozess lässt in uns Trauer und Leere zurück. Der Hinweis von manchen, es ist ja nur eine Bewährungsstrafe, zeigt nur das Nichtverstehen des Urteils und der Tragweite dieses Prozesses. Zu dieser Tragweite gehören die finanziellen Auswirkungen: 70 459 Mark waren bei Rennicke beschlagnahmt worden - der Erlös aus dem Handel mit Volksverhetzendem. Rennicke und seine wegen Beihilfe zu einer Bewährungsstrafe von fünf Monaten verurteilte Frau haben inzwischen Revision gegen das Urteil eingelegt.
Quelle: "blick nach rechts" vom 31. Oktober 2002, Seite 3
Anmerkungen: