Regelungsdickicht
In der Justizdemaskierung "Die Rechtsbeugermafia" heißt es
schon 1999 unter anderem ... "Im Land der hemmungslosen Regelungswut sind
die mittlerweile fünf Millionen Beamte die eigentliche Macht im Staat" (S.
546) und als Mittel zur Bekämpfung des kafkaesken Regelungsdickichts wurde
empfohlen ... "Gnadenlose Durchforstung der Normenbestände. Einführung
einer regelmäßigen systematischen Überprüfung der Rechtsquellen
('Normen-TÜV')" (S. 550). Wie der nachfolgende Artikel aus der JF belegt, besteht
"kein Wille zur Entfesselung des Bürgers" von dem längst selbst für
Juristen unüberschaubar gewordenen Regelungsdickicht.
Bürokratie-Abbau: Neues Gesetz mit dürftigem Inhalt / Das deutsche
Regelungsdickicht bleibt ungelichtet
Daß bürokratisches Gestrüpp
zurückgeschnitten werden soll, haben Politiker seit Jahrzehnten versprochen ‑
die Bundesvereinfachungskommission von 1983 sollte ein erster Anfang sein.
Zuletzt war es die rot‑grüne Vorgängerkoalition, die 2004 eine
Entbürokratisierung und Deregulierung mit 34 Vorschlägen ("Clement-Liste")
verkündet hat ‑ das meiste davon ist aber schon in den Ansätzen steckengeblieben.
Nun wagt die schwarz‑rote
Koalition einen neuen Versuch. Der Entwurf nennt sich "Erstes Gesetz zum
Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen
Wirtschaft". Gleichzeitig eingebracht wurde ein Gesetz, das einen
Normenkontrollrat installiert. Schon das ist neue Bürokratie. Wohlklingende
Worte haben beide Gesetze auf ihren Weg in die Ausschüsse begleitet.
Der Inhalt des ersten ist
dürftig. Es begrenzt den Abbau von Bürokratie überwiegend auf ein Klein‑Klein
von Datenaufzeichnungspflichten, die der Staat den Unternehmen samt den damit
verbundenen Kosten (als verkappte fiskalische Zusatzbelastung) abnötigt. Weit
wichtigere Abschaffungen oder Erleichterungen sollen zunächst nur
"geprüft" werden. In Wirklichkeit drücken die Bürokratieschuhe
woanders, dort wo staatliche Regelungen die persönlichen und unternehmerischen
Freiheiten einschränken und das Subsidiaritätsprinzip mißachten.
Dieses Regelungsdickicht
drückt vor allem auf dem Arbeitsmarkt, im Gesundheitswesen, in den
Sozialversicherungen, in der Besteuerung, in der Familienpolitik, im
Umweltschutz, in der EU und in der als "Förderung" bezeichneten
Subventionspolitik. "Ich brauche keine Zuschüsse, ich brauche Freiheiten.
Laßt uns unsere Arbeit in Ruhe machen, mehr wollen wir gar nicht," klagte
daher nicht nur der Vorstandschef des SAP‑Konzerns, Henning Kagermann.
Auch zur Unternehmensabwanderung ins Ausland trägt diese Bürokratie bei.
Doch die Große Koalition legt
einen Gesetzentwurf zum Bürokratieabbau
vor, der weit hinter dem zurückbleibt, was der vorherige Wirtschaftsminister Wolfgang
Clement (SPD) 2004 vorgeschlagen hatte. Statt dessen werden weitere Gesetze in
Angriff genommen, aber jedes Gesetz bringt neue Bürokratie. Sind neue Gesetze
wirklich notwendig, dann müssen sie befristet sein ‑ und ersatzlos
auslaufen, falls sie nicht erneuert werden und dies abermals diskutiert und
begründet worden ist.
Ein Paradebeispiel ist die
geplante "Reichensteuer". Dabei werden diese "Reichen"
durch den Progressionstarif der Einkommensteuer schon jetzt mit dem höchsten
Steuersatz belastet. Auf diesen Höchstsatz soll nun noch ein Zuschlag erhoben werden.
Zugleich allerdings sind wieder Ausnahmen vorgesehen ‑ für sämtliche
Gewinneinkünfte und für Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Das geschieht
zwar zu Recht, aber nur aus blanker Sorge vor Verfassungsklagen. Doch damit ist
der Kreis der "Reichen" so eng gezogen, daß nennenswerte
Zusatzeinnahmen nicht anfallen. Zugleich jedoch nimmt die Große Koalition den
"kleinen" Steuerzahlern in der Summe von 2007 an ein Sechzehnfaches von
dem ab, was sie insgesamt den "Reichen" abknöpft. Sie versagt den
meisten die Absetzbarkeit des häuslichen Arbeitszimmers, streicht die
Pendlerpauschale, halbiert den Sparerfreibetrag, zahlt Kindergeld nur noch 25
statt 27 Jahre. Das summiert sich 2007 auf rund zwei Milliarden Euro. Aus der
"Neidsteuer" fließen dagegen nur 127 Millionen Euro.
Bundesgesundheitsministerin
Ulla Schmidt versucht, alle Bürger in die Gesetzliche Krankenversicherung zu
zwingen, was sie mit ihrer SPD als "Bürgerversicherung" anpreist.
Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat das überflüssige rot‑grüne
Antidiskriminierungsgesetz in "Gleichstellungsgesetz" umgetauft. Die
Koalition untergräbt damit ‑ trotz anderslautender Unionsversprechen im
Wahlkampf die Vertragsfreiheit. Es wird die Gerichte mit noch mehr Verfahren überfluten.
Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) schwafelt gegen die Kernenergie und stützt
gleichzeitig den teuren Subventionszauber für Sonnen‑ und Windenergie.
Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) schafft mit dem neuen Elterngeld
Ehen zweiter Klasse und läßt Familienpolitik zu einem Stück Arbeitsmarktpolitik
verkommen (JF 20/06). Die Liste ließe sich fortsetzen den dringenden
Bürokratieabbau wird wohl auch die Große Koalition nicht schaffen. Es ist
deprimierend.
Quelle: Klaus Peter Krause in JUNGE FREIHEIT vom 26. Mai 2006
Anmerkung: Soweit Sigmar Gabriel am Ausstieg aus der Atomenergie
festhält, unterstützen wir ihn nachdrücklich. Dabei handelt es sich nicht um Geschwafel,
sondern bessere Erkenntnis. Daß allerdings einiges bei der Förderung
ungefährlicher Energieerzeugung nicht im Lot ist, wollen wir der JF gerne
zugestehen.