Rechtsstaat?

 

Wenn ein großer Teil der Bevölkerung am individuellen Freiheitsraum des Handelns gar kein Interesse hat, sich durch Obrigkeiten gar nicht beengt oder bevormundet fühlt, sondern nach dem von Hobbes schon formulierten Grundsatz der Gegenseitigkeit von Schutz und Gehorsam denkt, seine soziale Versorgung und Sicherheit durch eine autoritäre Staatsbetreuung für wichtiger hält als die Wahlfreiheiten des individuellen Verhaltens, dann schwindet die grundlegende Forderungsbereitschaft zum Rechtsstaat allmählich dahin gegenüber der Forderung der "sozialen" Versorgung und materiellen Lebenssicherheit an die institutionellen Autoritäten. Das ist heute längst die Richtlinie der großen Parteien in der Bundesrepublik ...

(Quelle: Prof. Helmut Schelsky: "Die Arbeit tun die anderen", 1975)

Dieser tatsächlich zutreffende Zustandsbericht hätte natürlich eine scharfe Kritik erforderlich gemacht. Das Grundgesetz ist nun einmal mehr als "ein Stück Papier" und wer den unabänderlichen Kernbestand der Verfassung so abserviert oder schleichend aushöhlt, hat weder in der Politik, noch im öffentlichen Dienst etwas zu suchen. Tatsächlich hat beispielsweise der Vorsitzende Richter am Landgericht Lübeck Wolfgang Neskovic seinen Parteiaustritt mit der "Rechtsstaatsmüdigkeit" der SPD (zutreffend) begründet. In CDU und CSU sieht es natürlich noch trüber aus.

Außerdem besteht - unabhängig von den unabänderlichen Vorgaben der Verfassung - keine Notwendigkeit, den Rechtsstaat für den Sozialstaat zu opfern, weil beides problemlos nebeneinander "machbar, finanzierbar und durchsetzbar" ist.

Solche häufig als Zustandsbeschreibungen getarnte Politik-Ziele laufen parallel zur fortgesetzten Aushöhlung der Gewaltenteilung und einer elitär-faschistischen Machtergreifung durch Parteien, Justiz usw.