Paolo Pinkas -
oder Friedman und der
Antisemitismus
Verwechselung von Ursache und Wirkung Von K.-E. Lober
In seinem Werk "Riesen und Wurzelzwerge" hat sich Klaus Rainer
Röhl im 21. Kapitel zum Thema "Antisemitismus" geäußert. Dort
schreibt er über Ignatz Bubis: Bubis, ein guter deutscher Patriot
(Bundespräsident Herzog), sagt oft Kluges und Richtiges und viel Ausgleichendes
und Besonnenes. Das ist eine gute Nachricht. Leider hat der gute, ausgleichende
und besonnene Politiker auch einen Tick, oder besser gesagt eine Neigung zu
halluzinativen Wahrnehmungen entwickelt. Oder scheint es nur so? So hat sich in
seinem Kopf zunehmend die "idée fixe" festgezurrt, alle Deutschen
(die anderen Deutschen) seien Antisemiten, wohlgemerkt: alle. Da diese
Behauptung erkennbar absurd ist, weil nicht einmal die allerschwärzesten, von
Bubis selbst zitierten Statistiken solches behaupten, versucht der Vorsitzende
des Zentralrats der Juden, den latenten Antisemitismus aus uns herauszukitzeln
wie einst die RAF den Polizeistaat aus der demokratisch verfaßten Gesellschaft.
Jeder hat das Recht, unsympathisch zu sein
An
diese Sätze mußte ich denken, als in unseren Medien die Affäre Friedman publik
gemacht wurde. Im Gegensatz zu dem in Breslau geborenen Ignatz Bubis fehlte
seinem Ziehsohn Michel Friedman alles, was Ex-Bundespräsident
Herzog an positiven Aussagen zu Bubis von sich gegeben hatte. So war unlängst in
einem deutschen Nachrichtenmagazin aus der Feder des
"deutschlanderfahrenen" Schweizer Journalisten Christian Kämmerling
in einem Porträt über "15 Helden der Nation", zu denen er auch
Friedman zählte, folgendes zu lesen:
"Talk‑Master Michel
Friedman sei ein unerträglich eitler, selbstgerechter, impertinenter Moderator
seiner Ego-Show, was sich aber aus politischen Gründen niemand auszusprechen
traue. Dabei habe jeder Mensch das Recht, unsympathisch zu sein, ungeachtet
seiner religiösen oder ethnischen Herkunft."
In einem Punkt irrt Christian
Kämmerling. Es gab und gibt einige Deutsche, die sich trauen, ihre Meinung zu
Michel Friedman zu sagen. Und diese Meinungen beziehen sich nicht auf die
Tatsache, daß sich Michel Friedman als Jude bezeichnet, sondern auf den Stil
seiner Auftritte in Deutschland und den Umgang mit seinen deutschen Mitbürgern.
Ein deutliches Beispiel sei hier wiedergegeben. Die ehemalige Schulpolitikerin
aus Maintal, Gigi Romeiser, erhielt am 26. Mai 1989 für ihren jahrzehntelangen
ehrenamtlichen Einsatz in der Elternarbeit das Bundesverdienstkreuz der
Bundesrepublik Deutschland. Bundespräsident Johannes Rau überreichte im Jahr
2001 dem stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in
Deutschland, Michel Friedman. ebenfalls das Bundesverdienstkreuz und erklärte
zur Begründung, daß sich Friedman um das "Zusammenleben jüdischer und nichtjüdischer
Bürger verdient gemacht habe". Diese Entscheidung des Bundespräsidenten veranlaßte
Frau Romeiser, ihr Bundesverdienstkreuz dem Bundespräsidenten per Einschreiben
zurückzusenden und in einem Begleitbrief zu begründen. Sie schrieb u. a.: "Herr
Friedman überzieht unser Land mit seiner Abscheu, um nicht zu sagen mit seinem
Haß und definiert Deutschland aus 12 Jahren Naziherrschaft. Er nimmt die
heutigen Generationen, die mit den Verbrechen Hitlers nichts, aber auch gar
nichts zu tun haben, in unzulässiger Weise in Sippenhaft. Die Deutschen sollen,
so Herr Friedman, für alle Zeiten kollektiv auf die Anklagebank gesetzt werden.
Er schafft damit Unfrieden und riskiert neu aufkeimenden Antisemitismus... Wenn
er wirklich ein menschliches Zusammenleben zwischen Juden und Nichtjuden
anstreben würde, hätte er nicht sagen dürfen: Versöhnung ist ein absolut
sinnloser Begriff. Den Erben des judenmordenden Staates kommt gar nichts
anderes zu, als die schwere historische Verantwortung auf sich zu nehmen,
generationenlang, für immer."
Daß diese Aussagen von
Friedman keine Eintagsfliegen sind, sondern sich kontinuierlich fortsetzen und
im Inhalt steigern, beweist ein Interview aus den Tagen kurz vor seiner Drogen-Affäre.
Dabei erklärte er gegenüber dem Journalisten Dirk C. Fleck u. a.: "In
Deutschland gibt es eine Krankheit, die chronisch zu werden droht, und diese
Krankheit heißt Rassismus... In den letzten Monaten ist es mir schon
schwergefallen, in Deutschland zu leben. Wenn sich dieses Klima weiterhin so
entwickelt, kann ich mir vorstellen, daß man sich einen anderen Lebensstandort
sucht... Das Problem ist der Alltag der Stammtische und Champagner‑Empfänge.
Hier wie dort finden wir Menschen, die zwar prinzipiell der Meinung sind,
Gewalt sei Pfui, aber in Wirklichkeit bringen sie für die Motive der Täter sehr
viel mehr Verständnis auf, als wir wahrhaben wollen. Die Enthemmtheit, dies
offen einzugestehen und es nicht länger hinter vorgehaltener Hand kundzutun,
das ist neu."
"Verallgemeinerungsmasche"
Dazu
einige kurze Anmerkungen. Ich lebe nunmehr im 76. Jahr in Deutschland, habe
auch schon mal einen Sportlerstammtisch besucht und an manchem Sekt‑Empfang
(nicht Champagner) teilgenommen. Weder gehört ein beachtenswerter Prozentsatz
der Deutschen zu den Stammtischgängern, noch nehmen mehr als 0,2 % der
wahlberechtigten Deutschen an "Champagner‑ oder Sektempfängen"
teil. Die Verallgemeinerungs-Masche ist eines der Propagandamittel, deren sich
der "Talkmaster" Frieman bedient! So wurde in dem einseitigen
Interview von Friedman nicht ein Name eines deutschen Antisemiten‑ oder
eines deutschen Rassisten genannt, sondern es sind die "Deutschen" es
ist die deutsche Leitkultur und die von ihm entdeckte deutsche "Mittelmäßigkeit",
der es laut Friedman an "Eliten" mangelt. Vielleicht läßt er uns aus
seinen gegenwärtigen "südländischen" Gefilden einmal wissen, welche
Eliten Michel Friedman uns als erstrebenswerte Vorbilder anzubieten hat.
Der
französische Industrielle und ehemalige VW‑Vorstand Daniel Goeudevert,
hat unlängst festgestellt: "Meiner Wahrnehmung nach sind die Deutschen,
jedenfalls in praktischer Hinsicht, eher weniger fremdenfeindlich als etwa die
Franzosen, die Engländer oder die Spanier... Obwohl also, wie ich behaupte, in
Deutschland nicht weniger Toleranz praktiziert wird als anderswo, eher mehr,
ist mir kein Land bekannt, in dem so viel über Fremdenfeindlichkeit gesprochen wird...
Sobald das philosemitische Gebot verletzt wird, etwa weil ich einen
unsympathischen Menschen, der zufällig jüdischen Glaubens ist, unsympatisch
nenne, steht die öffentliche Ordnung in Gefahr, droht die Wiederkehr des
Bösen. Damit wird das gesamte gesellschaftliche Miteinander quasi moralisiert
und eine Gemüts‑, Betroffenheits‑ und Schuldkultur befördert, wie
sie in Deutschland schon ohnedies eine lange und nicht sehr rühmliche Tradition
hat." Ob Michel Friedman solche Stimmen auch zur Kenntnis nimmt? Er sollte
auch einmal lesen, was der Publizist Lutz Hachmeister vor gut einem Jahr in
der Süddeutschen Zeitung zu diesem Thema geschrieben hat: "In diesem Land
(Deutschland ) ist es Mode geworden, mit wechselseitigen Vorwürfen des Antisemitismus,
mit vermeintlichen oder tatsächlichen antijüdischen Anspielungen seinen Rang
in der publizistischen oder politischen Hierarchie zu behaupten." Dieses
Phänomen war mit Beginn der Friedman-Affäre in unserer Publizistik und unserer
Politik wieder deutlich festzustellen. Nach kurzen Augenblicken der
Betroffenheit wurde die Antisemitismus‑Keule bemüht, um Michel Friedman
Schützenhilfe zu leisten. Als vor einiger Zeit der Fußballtrainer Christoph
Daum, der dem deutschen Volk öffentlich keine Verhaltensmuster vorgeschrieben hat,
des Drogenmißbrauchs verdächtigt wurde, gab es ein Riesen-Medien-Spektakel, aber
nur wenige mahnende Worte, erst das Untersuchungsergebnis abzuwarten.
Zuungunsten der Opfer verschoben
Heute ist das Medienbild genau
entgegengesetzt. Neben wenigen Fakten zum Fall Friedman, auch bedingt durch
eine Nachrichtensperre, wird von allen Seiten vor einer "Vorverurteilung"
gewarnt. Das wäre aber nur dann richtig, wenn die Unterrichtung der
Bevölkerung über den Stand der Ermittlungen ‑ wie es sonst üblich ist ‑
eine gleiche Priorität besitzen würde. Auch wird im Fall Friedman deutlich, daß
sich das Koordinatensystem zwischen Opfern und Tätern in Deutschland seit
Jahren zuungunsten der Opfer verschoben hat. Wenn gegen jemanden
staatsanwaltliche Ermittlungen in Gange sind, ist er zunächst eher dem Täter‑
als dem Opferbereich zuzuordnen. Es gibt in Deutschland viele Fälle, in denen
staatsanwaltliche Ermittlungen zu einem Ruhen des Beschäftigungsverhältnisses
führen. So war es bei Daum, so sollte es auch bei Friedman sein.
Das bereits erwähnte Interview
Friedmans mit Dirk C. Fleck hat einen interessanten Abschluß. Dieser laautet:
"Wir stehen auf. Am Nebentisch erbeben sich vier Personenschützer. Sie bilden
einen Kokon aus Leibern um uns herum, als wir die Französische Straße hinunter
schlendern. Wenn Sie in einem Land so spazieren gehen müssen, sagt Friedman
lächelnd unterm Regenschirm, dann kann in diesem Land etwas nicht
stimmen." Hier stellen sich mir zwei Fragen:
1 . Wenn die vier
"Bodyguards" notwendig sind, sollte sich Friedman in einer ruhigen
Stunde einmal fragen, warum das so ist, denn ich kenne viele Menschen in
wichtigen Positionen, die sich in Deutschland auch ohne Personenschutz bewegen
können.
2. Was taten die Bodyguards
während seiner Aufenthalte im Berliner "Interconti"? Hatten sie
dienstfrei, weil ihr Schutzobjekt unter dem Namen "Paolo Pinkel" (lt.
"Spiegel") in Erscheinung trat, oder mußten sie vor dem Appartement
Wache schieben?
Wer sich bei vielen
Gelegenheiten vor einer breiten Öffentlichkeit als Moral-Apostel für
Deutschland darstellt, muß es sich gefallen lassen, wenn sein Tun und Handeln
an seinen eigenen Maßstäben gemessen wird. Auch das ist nicht eine Form des
immer wieder gepredigten Antisemitismus, sondern eine übliche Verfahrensweise
gegenüber "Leitfiguren" ohne Rücksicht auf deren religiöse oder
ethnische Herkunft. In seiner Rede zum Gedenktag der Befreiung von Auschwitz
befand Bundespräsident Roman Herzog, daß antisemitische Witze in unserer
Gesellschaft keinen Platz mehr hätten. Der Bundesbürger Ignatz Bubis fand doch
einen solchen Platz. Er erzählte den Witz vom Juden im Schlafwagen, der sich
morgens frisch machen will, aber sein Waschzeug vergessen hat. Sein Nachbar
leiht im Seife, Rasierzeug und Zahnpasta. Nur die Zahnbürste verborgt er nicht.
Da sagt der Jude: "Ich habe mir gleich gedacht, daß Sie Antisemit
sind." Ob der Bahnreisende wohl Michel Friedman war?
NEUERSCHEINUNG Antisemitismus? Die Wahrheit über Michel Friedman
Dargestellt werden der
Lebensweg und die wahren Ziele des FernschJournalisten und stellvertretenden
Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland. Dabei stehen zahlreiche
Selbstzeugnisse, Stellungnahmen, Forderungen und besonders bemerkenswerte
Aussprüche des Michel Friedman im Vordergrund. Zusammengetragen wurden die
krassesten Lobeshymnen der Meinungsindustrie, aber auch kritische Stimmen über
jenen Mann, dem FDP‑Politiker Jürgen Möllemann "arrogant-gehässiges"
Auftreten bescheinigte und damit zum Opfer einer gnadenlosen Kampagne wurde. Es
handelt sich bei diesem neuen Buch also auch um eine lang gesuchte Friedman‑Zitatensammlung.
Wer ist Michel Friedman
wirklich? Ist er einfach nur ein "schöner Mann, nach dem sich Frauen und
Männer umdrehen" ("Bunte"), der "Traum aller potenziellen
Schwiegermütter" ("stern")? Ist sein Charme "so schmiegsam
wie Kaschmir", wie die "Bild"‑Zeitung schwärmt oder ist
der "Brutalo‑Schönling" ("Titanic") doch eher ein
"eitler Geck" (Michael Fürst, Direktoriumsmitglied im Zentralrat der
Juden), ein Mann mit der "Sensibilität eines Elefanten im
Porzellanladen" (CDU‑Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach) oder gar
ein ‑ so die Münchner "tz" in einem Kommentar wörtlich ‑ "zynisches
Ekelpaket aus Pomade und Perlweiß, Selbstgerechtigkeit und
Besserwisserei"? Sind seine verbalen Angriffe gegen Deutschland als das
"Land der Täter" nur eine Form der Selbstdarstellung oder schadet er
mit seinen Auftritten, noch dazu als Amtsinhaber zahlreicher wichtiger
Funktionen, deutschen Interessen? Wer ist dieser Mann? Diese Frage stellt das
neue Buch ANTISEMITISMUS?
ANTISEMITISMUS? ‑ Die Schrift befaßt sich außerdem
mit den großen Debatten des Jahres 2002, dem Streit zwischen Friedman und
Möllemann sowie der Auseinandersetzung zwischen Martin Walser und Marcel Reich-Ranicki.
Auch wird der Frage nachgegangen, ob Deutsche die Politik Israels, den
israelischen Ministerpräsidenten Scharon oder den Zentralrat der Juden
kritisieren dürfen, ohne dabei automatisch in den Verdacht des "Antisemitismus"
zu geraten? Ein Werk, das aufklärt und gleichzeitig mutig hinterfragt.
Quelle: DER SCHLESIER vom 11. Juli 2003