PC-Durchsuchungen
Bekommen
Internet-Betrüger und -Gauner jetzt amtliche Gesellschaft? Denn auch der Staat
will nun den Bürgern auf die Festplatten schauen. Dort möchte er alle Daten einsehen: Tabellen, Schriftwechsel, Liebesbriefe,
Bankkonten, Geldbewegungen, betrachtete Internetseiten usw. usf.
Im
bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) hat das Parlament
im letzten Jahr kurz vor Weihnachten noch
eine Änderung des Verfassungsschutzgesetzes durchgewinkt, die Anfang 2007 in Kraft getreten
ist. Damit ist es dem Verfassungsschutz von
NRW erlaubt, heimlich die Rechner
von Privatpersonen zu durchsuchen. Ein Richter muß dieser Überwachung
nicht mehr zustimmen. Lediglich ein parlamentarisches Kontrollgremium muß die Aktion kontrollieren.
Das
macht die Gesetzesänderung auch so brisant: Da die Überwachungsaktion heimlich
und
eine nachträgliche Mitteilung eher die Ausnahme ist,
hat der Überwachte praktisch keine Möglichkeit,
gerichtliche Kontrolle in Anspruch
zu nehmen.
Bei einer im Vergleich dazu »herkömmlichen« Hausdurchsuchung hat jeder Betroffene das Recht, selbst und/oder eine
beauftragte Person den »Staatsschützern« beim Durchschnüffeln der Wohnung auf die Finger
zu schauen.
Wer
dann noch denkt: »Was soll's, ich habe
nichts zu verbergen«, sollte sich überlegen, daß dabei auch die am
PC vorhandenen Mikrofone und Kameras eingeschaltet
werden können. So werden nicht nur
die Dateien auf dem PC, sondern auch der Bürger davor genau unter die
Lupe genommen.
Auch gibt es noch Leute, die glauben,
hinter der Landesgrenze höre diese Art der
Überwachung auf. Dies ist leider ein
Trugschluß!
Die
Behörden in NRW dürfen allen Leuten den
Rechner ausspionieren, die ins Visier des Verfassungsschutzes geraten.
Dabei
gibt es keine geographischen Grenzen! Den Geheimdienstlern ist es egal, ob sich die Computer in Wanne-Eickel, Köln, München oder Kapstadt befinden!
Als Grund für die stetige Aushöhlung der Grundrechte wird immer wieder angeführt, den
Staat vor Terroristen schützen zu
müssen. Ein Argument, dem vom Grundgedanken her die meisten Bürger gern
zustimmen würden. Aber wie so häufig wird auch hier mit Kanonen auf Spatzen
geschossen.
Überwacht
der Verfassungsschutz doch wesentlich mehr
Personenkreise, als die meisten vermuten. Zu weitreichend und gleichzeitig zu ungenau beschrieben sind
die neuen Befugnisse der Behörden.
Der
ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) hat bereits eine Verfassungsbeschwerde
gegen das Ausspähen privater
Computer eingelegt.
Das
neue nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz soll nun, auf Baums Beschwerde hin, vom Bundesverfassungsgericht
in Karlsruhe überprüft werden. Das Gesetz verstoße gleich gegen drei
Grundrechte: Die Unverletzlichkeit der
Wohnung, das Recht auf informelle Selbstbestimmung und die Garantie eines effektiven Rechtsschutzes.
Schon bei der Vorlage des Gesetzentwurfs für NRW hatten Kritiker dieses Vorhaben als staatlich organisierten Hausfriedensbruch bezeichnet.
Die Datenschutzbeauftragte des Landes, Bettina Sokol, übte heftige Kritik. Sie hält die Regelung für unverhältnismäßig und weist darauf hin, daß im Gesetz
nichts enthalten ist, um den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung
zu schützen. »Ich finde es außerordentlich bedauerlich, daß die Landesregierung hier den verfassungsrechtlich
notwendigen Schutz der Privatsphäre nicht
gewährleistet«, erklärte Bettina Sokol.
NRW macht nur den Anfang
Der
Weg zum Überwachungsstaat läuft in diesem Bereich wie so häufig nach dem
gleichen Muster ab: Ein Land marschiert voran, die anderen bleiben (vorerst)
in Deckung und warten ab, wie weit dieses damit kommt. Bläst kein starker
Gegenwind, rennen alle anderen hinterher und
dann wird der nächste Schritt auf dem Weg zum »gläsernen Bürger« getan.
Anfang
März 2007 lehnte der Bundesrat den Antrag von Thüringen mehrheitlich ab, ein
entsprechendes Überwachungsgesetz von der Bundesregierung zu fordern. »Es
lohnt bei diesem Thema, das Nachdenken ein Stück zu verlängern« und man
solle nichts »übers Knie brechen«, so Schleswig-Holsteins
Innenminister Ralf Stegner (SPD).
Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll (FDP) ergänzte, man müsse »mit
großer Behutsamkeit und Nachdenklichkeit prüfen, wie weit man gehen kann«.
So
ist zumindest ein beschleunigtes Gesetzgebungsverfahren abgewendet. Außerdem
hat der Bundesgerichtshof Anfang Februar die bereits praktizierte Überwachung
von privaten PCs gestoppt. Die Begründung: Für diese Art der Ermittlung fehle die gesetzliche Grundlage.
Dieses
Hindernis will Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) nun schleunigst
beseitigen. Nach seiner Auffassung könnte
ein heimlicher Zugriff von Sicherheitsbehörden
auf Computer durch eine Grundgesetz-Änderung ermöglicht werden:
»Wenn - worüber sich die Juristen
streiten - in diesen Fällen Artikel 13
Grundgesetz, der die Unverletzlichkeit der Wohnung garantiert, berührt
ist, brauchen wir womöglich hier eine Ergänzung, um diesen Eingriff auf eine
verfassungsrechtlich sichere Grundlage zu stellen«.
»Effektive Terrorismusbekämpfung setzt darüber hinaus voraus, daß der Verfassungsschutz die Neuerungen im Bereich der Technik, insbesondere der Observations-,
Informations-, und Kommunikationstechnik, für seine Beobachtungstätigkeit
nutzen kann. (...) Der Eingriff in
das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Bürger
ist dabei durch entsprechende tatbestandliche Begrenzungen und verfahrensrechtliche Sicherungen auf das
erforderliche Mindestmaß zu beschränken.«
aus dem
Gesetzentwurf der NRW-Landesregierung vom
3.7.2006
»Die Verfassungsschutzbehörde
darf nach Maßgabe des § 7 zur Informationsbeschaffung als nachrichtendienstliche
Mittel die folgenden Maßnahmen anwenden: (...) 11. heimliches Beobachten und
sonstiges Aufklären des Internets, wie insbesondere die verdeckte Teilnahme an seinen Kommunikationseinrichtungen
bzw. die Suche nach ihnen, sowie der heimliche
Zugriff auf informationstechnische Systeme auch
mit Einsatz technischer Mittel...«
VSGNRW, §5 Abs. 2
Dabei verwies er auf die Grundgesetzänderung
bei der akustischen Wohnraumüberwachung: »...da wurde auch schon mal Art. 13 GG ergänzt. Auch wenn es eine schwierige politische Auseinandersetzung
darüber gab.«
Kritik
an diesen Plänen wies der innenpolitische Sprecher der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl
(CSU), zurück:
»Es ist unverantwortlich, in der deutschen Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, daß mit den geplanten Änderungen bei den Sicherheitsgesetzen die
Telefone, Wohnungen und
Computer unbescholtener
Bürger massenhaft überwacht
werden sollen.«
Dies wäre möglicherweise sogar glaubwürdig,
hätte nicht ausgerechnet der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen als erster eine gesetzliche Ermächtigung
dazu erhalten.
Dessen Aufgabenbereich ist sehr dehnbar
ausgelegt, fallen doch »Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische
Grundordnung« darunter.
Ein
falsches Wort, ein politisch unkorrekter Leserbrief, die Mitgliedschaft in einem unbequemen Verein oder die
Unterstützung der falschen Partei -
und schon steht der »unbescholtene
Bürger« im Fadenkreuz der Schlapphüte.
Daher
verwundert es eigentlich nur noch die Gutgläubigen, daß solche umstrittenen
Methoden auch ohne Rechtsgrundlage bereits gängige Praxis in der gesamten Bundesrepublik sind.
Nach Bekanntwerden und harscher
Kritik stoppte Schäuble schmollend diese
Vorgehensweise auf Bundesebene. Er sei
sich keiner Schuld bewußt, habe doch bereits sein Amtsvorgänger Otto
Schily diese Dienstanweisung unterzeichnet.
Dabei
hatte dies der Bundesgerichtshof bereits in einem anderen Fall wegen der fehlenden
Rechtsgrundlage für unzulässig erklärt!
Am
8.6.2007 soll ein Gesetzentwurf Bayerns im Bundesrat eingebracht werden,
welcher »Online«-Durchsuchungen notfalls auch
ohne richterliche Genehmigung vorsieht.
Quelle:
UNABHÄNGIGE NACHRICHTEN 5 / 2007 / 3 f („Alles nur für die Sicherheit? – Der PC
als Objekt der Begierde“)