Oskar rechnet ab !
Über die Regierung:
"Wortbruch"
"Nach
meinem Rücktritt hat die Politik der rot‑grünen Koalition eine
Entwicklung genommen, die ich nicht für möglich gehalten hätte und die mich mit
großer Sorge erfüllte. Dass ausgerechnet unter einer sozialdemokratisch Bundesregierung
die Bundesrepublik Deutschland sich zum ersten Mal an einem Krieg beteiligte,
der das Völkerrecht missachtete und mit dem Grundgesetz nicht vereinbar war,
ist schwer zu verkraften.... Über mangelnde Fairness und Wahrhaftigkeit mir
gegenüber könnte ich hinwegsehen, schweigen
kann ich aber nicht, wenn das Vertrauen der
Wählerinnen und Wähler durch einen politische Richtungswechsel missbraucht
wird."
Über Schröder:
"Einzelkämpfer"
"Mehr und mehr hatte ich
den Eindruck, dass Gerhard Schröder harte Auseinandersetzungen lieber waren als
die oft quälende Suche nach Kompromissen. Kompromisse aber sind die Grundlage
jeder verlässlichen Zusammenarbeit. Seinen Erzählungen zufolge musste er sich
als Kind armer Leute durchs Leben schlagen und wurde so zum typischen
Einzelkämpfer. Diese Haltung hat er bis heute beibehalten.
Zum entscheidenden Eklat
zwischen Gerhard Schröder und mir kam es, als es nach all diesem Gerangel um
die Frage ging, wer jetzt Fraktionsvorsitzender werden soll. . . . Am
Nachmittag jenes Tages war ich zu dem Ergebnis gekommen, nicht in die Regierung
einzutreten, da Gerhard Schröder die Vermutungen derjenigen bestätigt hatte,
die nur immer vorausgesagt hatten: Gerhard Schröder sei nach der gewonnenen
Wahl nicht zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit fähig. Ich war tief
enttäuscht, hatte ich doch ... ihm den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur
gelassen und die Partei im Wahlkampf mit großer Entschlossenheit hinter ihm
versammelt."
Über Doris Köpf:
"Souverän und klug"
"Doris
Köpf kannte ich aus ihrer Zeit als Journalistin in Bonn. . . . Wir gingen
gemeinsam im Saargau spazieren, und Doris Köpf erwies sich als eine charmante
und kluge Frau, die auch später immer wieder eine positive Rolle spielen
sollte. Die Abfälligkeit, mit der sich da und dort die Presse über sie ausließ,
steckte sie souverän weg. Meiner Beobachtung nach hat sie mehr politischen
Verstand als mancher ihrer ehemaligen Kollegen. Wenn es einmal schwierig wird,
hat sie die Gabe, die richtigen Worte zu finden. Christa und Doris verstanden
sich gut, die beste Männerfreundschaft nimmt Schaden, wenn die Frauen sich
nicht mögen."
Über Scharping:
"Nicht geeignet"
"Scharping war es
gelungen, durch intensive Gespräche mit Abgeordneten und Journalisten seine
Kandidatur für den Fraktionsvorsitz weiter voranzutreiben. Hier war die
Autorität des Parteivorsitzenden gefordert. Ich bat Rudolf Scharping zu einem
Gespräch und teilte ihm mit, dass ich seine Vorgehensweise als Bruch unserer
Absprachen ansehen müsse. Abgesehen davon, sei ich nicht der Auffassung, dass
er ... der geeignete Fraktionsvorsitzende sei.... Aufgrund der Tatsache, dass
Rudolf Scharping die von ihm selbst provozierte Abwahl in Mannheim nicht
verwunden hatte, war sein Verhältnis zu mir stets gespannt.... Meine Argumente
beeindruckten Rudolf Scharping nicht. So war ich gezwungen, zum letzten Mittel
zu greifen und anzukündigen, dass ich in diesem Fall mich ebenfalls um dieses
Amt bewerben würde. ... Rudolf Scharping, der die Absprachen gebrochen hatte,
war es gelungen, diesen Vorgang so hinzustellen, als sei er zum zweiten Mal vom
Parteivorsitzenden gedemütigt worden."
Über Hombach:
"Indiskret"
"Der Chef des
Bundeskanzleramts musste, wenn die neue Regierung Erfolg haben wollte, das
Vertrauen des Bundeskanzlers und des Parteivorsitzenden haben. Ich konnte nicht
erkennen, welche besonderen Fähigkeiten Bodo Hombach für das Amt
qualifizierten.... Ein Chef des Bundeskanzleramts, der die Arbeit der Regierung
koordinieren soll, braucht dringend einen tiefer gehenden, auch fachlichen
Überblick über die verschiedenen Politikbereiche. Diese Voraussetzungen waren
bei Bodo Hombach nicht gegeben. Er stellte eine Reihe von Leuten ein, die ihm ...
behilflich waren .... Die Arbeit dieser Truppe ... bestand aus Indiskretionen
und Desinformationen.
Selbstverständlich traute sich
niemand, den Parteivorsitzenden offen anzugreifen. Aber es war mir immer klar,
woher die Sticheleien in der Presse kamen.. . . Es wäre Bodo Hombach aber zu
viel Ehre angetan, wenn man ihn ... als den Hauptschuldigen für meinen
Rücktritt ansehen würde."
Über Fischer:
"Bündnistreu"
"In keinem Fall aber war
für mich akzeptabel, wie sich die Grünen beim Kernenergieausstieg behandeln
ließen und wie Fischer, kaum Außenminister geworden, an den Lippen von
Madeleine Albright hing und geradezu von ihr schwärmte. Ich beobachtete mit
einem gewissen Erstaunen, wie er mannhaft Militäreinsätze befürwortete und die
Bündnistreue zur Grundlage der deutschen Außenpolitik erhob. Ich hätte von ihm
erwartet, dass er bei aller Bündnistreue die geplanten Maßnahmen des Bündnisses
kritisch hinterfragen würde, insbesondere die amerikanische Position.. . .
Mit Erstaunen nahm ich zur
Kenntnis, mit welcher Geduld die Grünen es ertrugen, wie Jürgen Trittin in der
Öffentlichkeit zum Buhmann gemacht wurde. . . . Fischer spürt Demütigungen wohl
nur, wenn sie ihm selbst widerfahren. Wenn andere gedemütigt werden, nimmt er
das öffentlich kaum zur Kenntnis."
Quelle: Auszüge aus Oskar Lafontaines Buch in "Lübecker Nachrichten"
v. 5.10.1999
Anmerkung: Man mag darüber streiten, wie weit die Loyalität gegenüber der
eigenen politischen Partei reicht. Auch wissen wir nicht, in wie weit
Lafontaine, bevor er an die Öffentlichkeit trat, versucht hat, die
offenkundigen Probleme parteiintern zu erörtern und einer befriedigenden Lösung
zuzuführen. In der Sache aber hat Lafontaine in allen oben angesprochenen
Punkten recht und es ist für die bundesrepublikanischen Systemmedien mit ihrem
Schweinejournalismus bezeichnend, wie sie über Lafontaine wegen dieser Kritik
hergefallen sind und dabei den Spieß umgedreht haben. Die Vorwürfe gegen
Schröder, Scharping und Fischer sind berechtigt. Lafontaine ist von den Vieren
mit Abstand der intelligenteste Politiker. Damit soll allerdings nicht über die
Tatsache hinweggetäuscht werden, daß Lafontaine nach allem was er im Saarland
zu verantworten hatte, auch nicht das Format und die Integrität gezeigt hat,
die man an sich für einen deutschen Spitzenpolitiker zwingend voraussetzen muß.