Neue Ersatzrealität

Böses Erwachen

Was denken sich eigentlich die Wehrdienstverweigerer in Berlin, wenn sie beschließen, die Bundeswehr in Afghanistan solle "Aufstandsbekämpfung als neue Einsatz-Realität akzeptieren"? Warum will der Oberste Soldat Deutschlands, Wolfgang Schneiderhan, seine Leute in Afghanistan "Quick Reaktion Force" spielen lassen? Was sind eigentlich die "Kriegsziele" Deutschlands in dem fernen, leidgeprüften Land? Fragen sie nicht die Bundestagsabgeordneten oder diese Regierung. Die wissen es nämlich nicht.

"Unsere Freiheit am Hindukusch verteidigen". Über diesen Quatsch unseres obersten Kriegsdienstverweigerers nur zu lächeln, zeugt schon von leichtfertigem Zynismus. Welche Freiheit? Warum erheben sich dagegen Aufständische? Und wie soll sie verteidigt werden? Das Ergebnis des Einsatzes kann doch nur sein, ein Volk, das bisher Sympathie hegte, gegen uns aufzuhetzen und weltweit mit dazu beizutragen, den Haß einer Religionsgemeinschaft von über einer Milliarde Menschen gegen alles was "westlich" oder "christlich" heißt, zu schüren. Wem kann an so etwas gelegen sein? Doch nur Leuten, die das Überbevölkerungsproblem auf ihre Art lösen wollen. Für die Bundeswehroberen geht es um Trainingsmöglichkeiten unter Realbedingungen, wie sie sich die USA im Rausch zynischer Machtvollkommenheit in bestimmten zeitlichen Abständen mal hier mal dort geschaffen hatten.

Die Reise des West-Präsidenten in den Nahen Osten zeigt nur allzu deutlich, was die Bevölkerungen vom Sendungsbewußtsein "Friede, Freiheit, Demokratie" westlicher Spruchbeutel halten. Ihre Herrschenden lächeln, die Bevölkerungen wüten und selbst die "Oppositionellen", die sich sonst über Geldzuwendungen der CIA freuen, zeigen verärgerte Ablehnung, weil sie ohne das bei ihren Landsleuten keinen Fuß mehr auf den Boden bekämen.

Den "Obersten Kriegstreiber der Welt", nannten einflußreiche Oppositionelle in Ägypten den US-Präsidenten am 16. Januar. Dieser hatte zuvor am 13. Januar in Abu Dhabi den Iran als "den führenden Sponsor des Terrorismus" beschimpft und die Verbündeten aufgefordert, gegen den Iran vorzugehen "bevor es zu spät ist". Wem wird man glauben, nach all den Massenvernichtungswaffen, die Bush im Irak, dem "verwestlichsten" Land im Nahen Osten (neben Israel), inzwischen gefunden hatte? Glaubt dieser "mächtigste Mann" der Welt - ein nobody ohne den US Machtapparat, was oft vergessen wird - daß das, was er sagt, noch irgend etwas mit der Realität zu tun haben sollte - wenigstens dem Anschein nach? Oder ist er bereits im Endstadium westlicher, Kritischer Philosophie angekommen, wonach die Realität niemals hinter dem hervorguckt, was wir glauben und uns einbilden, und gut bezahlte Meinungsmacher das, was man glaubt und sich einbildet, also "unsere Realität" mit einigem finanziellen Aufwand beliebig herstellen können?

Worum ging es Herrn Bush, im Auftrag seines Apparates wirklich, als er in Saudi Arabien und anderswo die Scheichs küßte? Während seiner Regierungszeit hat er die US-Bundesschulden auf über fünf Billionen Dollar verdoppelt, gut drei Billionen davon trägt das Ausland, allen voran Saudi Arabien, Japan und China. Aber das Geld ist weg, die Zinsforderungen bleiben und seine Auftraggeber brauchen neues Geld. Prinz Alwaleed bin Talal ist bereits größter Einzelbesitzer der größten US-Bank, Citigroup. Die Bank braucht schon wieder eine neue Finanzspritze, 12,5 Milliarden Dollar, die Saudische und Kuwaitische Geldgeber zuschießen sollen. Eine weitere "führende" Investmentbank, Merrill Lynch, braucht zu den jüngsten Zahlungen erneut weitere 6,6 Milliarden, für die Finanzkreise aus Abu Dhabi und Saudi Arabien aufkommen. Um das zu bekommen, läßt man das Gerede von Friede, Freiheit, Demokratie schon mal vor goldenen Palasttüren zurück, steckt die diamantenen Ehrengeschenke gerne ein und läßt sich bärtige Bruderküsse gefallen.

Uns Westlern kann es egal sein, ob ein Prinz Alwaleed oder ein Scheich Sanford Weil in Citigroup präsidiert. Kann es? Aber die 7% Verzinsung für das Geld an Citigroup und die 9% im Fall von Merrill Lynch müssen verdient werden - bei wem? Und im übrigen, wie gelangt das Geld in die Kassen dieser Geldgeber? Sind es nicht die Öl-Preise, die als Welttribut letztendlich den USA das Geld beschaffen, einen Tribut, den wir alle zahlen, Sie in ihrem Mercedes, der Zulu, solange er sich in seiner Wellblechbude eine Suppe kochen kann? Vor allem über den Ölpreis wurde hinter den Palasttüren gesprochen und über die Aufteilung der eingetriebenen Gelder zwischen den Scheichs und den Spekulanten, die das bereits auf Tanker verladene Öl, je nach Bedarf an Liquidität unter einander hin und her verhökern.

Was interessiert Politik, was Nationen, Völker, Kultur, Werte, Menschen? Es dreht sich alles um eine Schuldenflut, die aufgrund der Schwerkraft der Spekulanten wie Ebbe und Flut mal da mal dort hin schwappt, aber anders als Ebbe und Flut stetig und immer schneller ansteigt.

Im alten China - und nicht nur dort - verlor der Kaiser bei Mißernten und Mißwirtschaft "das Mandat des Himmels". Ein fähiger Mann wurde von den Betroffenen ausgesucht, unterstützt, um den glücklosen Kaiser zu stürzen. Bei uns ist die "Abwahl" ritualisiert, sie könnte alle vier Jahre stattfinden. Aber in unserer Demokratie gehört alles, was Rang und Namen hat, was als Alternative vorgeschlagen wird, zur gleichen Clique, lebt und ernährt sich aus der gleichen Schuldenflut, hängt daran wie ein Kleinkind an der Mutterbrust und weiß sich keine Alternative. Das Mandat des Himmels haben die im Westen regierenden Anerkannten längst verspielt - es findet sich keine Alternative, weil ihnen gelungen ist, was Herodes verwehrt war, der Kindermord zu Bethlehem - kein "Sohn des Himmel" weit und breit und keine Mandarine, keine "Weisen" oder wenigstens glaubwürdige Parteien in den Medien, die einen solchen küren könnten!

Was ist mit all dem Geld geschehen, das die Söhne der Hölle kreiert haben, womit sie die Welt bisher am Laufen hielten? Damit wurden Kriege geführt, Polizeispitzel, Oppositionelle, Politiker, Meinungen - weiß der Teufel - was finanziert. Doch das war das geringste Übel und hätte uns alleine nicht so arm gemacht. Es wurden "Werte" geschaffen, die nichts wert waren, Papiere statt Produktionsstätten, Biotope statt fruchtbarer Äcker, Alternativen, die mehr Aufwand erfordern als sie Ertrag liefern. An technologischen und an produktiven Möglichkeiten fehlt es nicht. Es fehlt wahrscheinlich auch nicht an Unternehmern, die damit etwas Sinnvolles anfangen könnten. Aber sie können es nicht, weil ihnen die Papiere fehlen, nicht nur die Zulassungspapiere - die auch -, sondern Geldscheine oder Scheingeld: "Kredit".

"Global-Risks-Bericht" heißt ein Papier, das demnächst auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos diskutiert werden soll. Erstellt haben es die Großen, die Vertreter von Citigroup, Marsh &McLennan Companies, Swiss Re, Wharton School Risk Center und Zürich Financial Services. Sie stützen sich dabei auf die Befragung von 100 weiteren Größen aus großen Unternehmen. "Die größten Risiken, mit denen die Welt heute konfrontiert ist, bestehen in der Krise des Finanzsystems, in der Preissteigerung bei Lebensmitteln, in der Empfindlichkeit der globalen Lieferwege und in den immer teurer werdenden Energieträgern", so eine knappe Zusammenfassung. Ganz vorne steht bei ihnen die Glaubwürdigkeit ihrer "Werte", der Zahlen auf den Konten. Die Wahrscheinlichkeit eines ernsthaften Lebensmittelmangels läuft nur unter "ferner liefen". Doch dieses Problem könnte zum Hauptrisiko des 21. Jahrhunderts werden. Als wichtigste Gründe des Preisanstiegs bei Lebensmitteln werden wachsende Weltbevölkerung, steigender Lebensstandard, Anstieg der Produktion von Biotreibstoff und Klimawandel genannt. Halbwahrheiten! Die Unfähigkeit herrschender Eliten und die Verhinderung produktiver Arbeit zugunsten der alles beherrschenden Finanzwirtschaft sind die eigentlichen Gründe.

Die EU hat Deutschland aufgefordert, den Ausstoß von CO2 um weitere 15% unter das ohnehin schon niedrige Niveau von 2005 zu senken und stattdessen die "alternative" Energie zu verdoppeln. Die kleinen Leute, die offensichtlich kein Benzin brauchen, keinen Strom und keine Lebensmittel, weil auf den Feldern Biokraftstoff wächst, schreien Hurra. Sie hoffen, vielleicht in einem Werk für Windmühlen einen Job zu finden, alles weitere interessiert nicht. Sie werden das ihnen medial verhaßt gemachte eigene Land schon herunterwirtschaften.

Doch es deuten sich Alternativen an. In England fiel der Startschuß für neue Kernkraftwerke. Die Regierung sei überzeugt, "daß neue KKW eine Rolle im künftigen Energiemix des Landes spielen sollten", sagte Wirtschaftsminister John Hutton am 10.01.2008 im britischen Parlament. Nach einer Umfrage vom November 2007 glauben 65% der Briten, Atomstrom solle zur Energieversorgung beitragen. Eine Behörde soll für die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren sorgen.

In der Schweiz haben zwei Firmen eine Planungsgesellschaft gegründet, um bei Gösgen und Beznau zwei Kernkraftwerke zu je 1.600 MW für den Energieversorger Atel zu bauen "Ich hoffe, die neuen Anlagen gehen spätestens 2020 ans Netz und können mindestens 60 Jahre laufen", sagte Atel-Chef Giovanni Leonardi. Noch in diesem Jahr wird das Genehmigungsverfahren eingeleitet. Fast 60% des Schweizer Stroms kommen aus Wasserkraft, die restlichen 40% liefern insgesamt fünf Kernkraftwerke. Kohle-, Öl-, Gas- Windkraftwerke sind kaum nennenswert. 2002 hatten sich die Schweizer Wähler für Kernenergie ausgesprochen.

"In Spanien dreht sich der Wind Richtung Atom" sagen die beiden größten Gewerkschaften und der Dachverband der Arbeitgeber, denn Kernenergie biete die größte Versorgungssicherheit, sei die billigste und umweltverträglichste Stromerzeugung. Spanien erzeugt noch über 50% des Stromes aus Erdgas und Kohle, nur knapp 20% aus Kernenergie und hat seine CO2-Emissionen seit 1990 um fast 50% erhöht (Handelsblatt vom 08.01.2008). Das will man ändern.

Schon Mitte September 2007 hatte eine Mehrheit von 509 zu 183 im EU-Parlament einem Bericht zugestimmt, der deutlich die Vorteile von Atomkraft für die Versorgungssicherheit hervorhebt und die Abfallprobleme für technisch gelöst ansieht. Aber sie tut das, weil sich anders ihre Klimaschutzziele nicht durchsetzen ließen (ohne zu wissen, was sie da schützt, erst recht nicht, wie sie es tut - gewählte Politiker eben) (Quelle).

Der US-Atomkonzern NRG Energy hat den Neubau zweier Kernkraftwerke für Bay City in Texas beantragt sollen. Sie sollen 2014 und 2015 in Betrieb gehen. Gebaut werden die neuen Reaktoren von Toshiba. Die Tenessee Valley Authority hatte schon am 30.10.2007 eine Bau- und Betriebsgenehmigung für zwei neue Reaktorblöcke am Standort Bellefonte (Alabama) beantragt. Laut Umfragen befürwortet über die Hälfte der Amerikaner den Neubau von Kernkraftwerken. Die USA erzeugen etwas mehr als 50% ihres Stroms aus Kohle, die sich verteuert hat und wegen der CO2-Emissionen in die Kritik gezerrt wurde. Betreiber neuer Kernkraftwerke erhalten in den USA neustens acht Jahre lang einen Steuervorteil von 1,8 Cent je kWh. Für die ersten sechs Kernkraftwerke gibt es zudem einen Steuervorteil von 125 Mio. US-DOllar, Kreditgarantien für 80 Prozent der Baukosten und die Kosten einer Versicherung gegen das Risiko von Verzögerungen beim Genehmigungsprozeß und durch Gerichtsverfahren. Die Aufsichtsbehörde Nuclear Regulatory Commission rechnet in den kommenden zwei Jahren mit mindestens 21 weiteren Anträgen für 32 zusätzliche Kernkraftwerken (Quelle).

Weitere Neubauten. Der Iran will demnächst den Bau von 19 neuen Kernkraftwerken von je 1.000 MWel ausschreiben (Quelle). Die EU und das litauische Parlament stimmen dem Bau eines neuen KKW in Litauen zu, in Frankreich haben die Bauarbeiten für die Betonzylinder des neuen KKW in Flamanville begonnen. In Kanada wurde der Antrag auf den Neubau eines Doppelblock-Kernkraftwerks gestellt. In Ägypten läuft die Planung für den Bau von mehreren Kernkraftwerken an. Der französische Präsident tingelt als Kernkraftwerksverkäufer erfolgreich durch die Lande. Weißrußland kündigt den Baubeginn eines neuen Kernkraftwerkes an. Im Bau befinden sich in Rumänien das Kraftwerk Cernovoda 2 und in Bulgarien die Kraftwerke Belene 1 und 2 - um von Ostasien gar nicht zu reden.

Ein Umdenken ist noch möglich. Aber ohne die steigende monetäre Schuldenflut als Instrument der Weltbeherrschung durch Großmanager von Groß... abzulassen, wird es hier keine erfreuliche Zukunft und keine "demokratische" Gesellschaft, die diese Bezeichnung verdient, geben.

Quelle: http://spatzseite.de

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Anmerkung: Mit den letzten sieben Abschnitten des obigen Beitrags stimmen wir nicht überein und lehnen Kernkraftwerke nach wie vor kategorisch ab.