Nachrichtensperre
Am 27. April 2006, um 9 Uhr
vormittags, wurde in Dessau eine junge Frau ohne ersichtlichen Grund von einem
Unbekannten mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Ihre Brille fiel zu Boden und
zerbrach, die Frau konnte sich trotz der Wucht des Schlages taumelnd auf den
Beinen halten. Ein Sturz hätte fatale Folgen haben können: Die 19jährige war im
6. Monat schwanger ‑ mithin für die Täter deutlich erkennbar. Soweit die
Aussage der Geschädigten, die beim örtlichen Polizeirevier Anzeige erstattet
hat.
Dieser Vorfall ist bisher noch
nicht in die Medien vorgedrungen, obwohl diese sich in den vergangenen Wochen
geradezu gewaltlüstern präsentiert haben. Der Grund dafür ist ebenso einfach
wie empörend. Bei den Tätern handelt es sich um zwei Schwarzafrikaner, bei dem
Opfer um eine deutsche Frau. Nach Auskunft des Pressesprechers des zuständigen
Polizeireviers gegenüber der JUNGEN FREIHEIT hat Polizeipräsidentin Brigitte
Scherber‑Schmidt bei "Ausländerbeteiligung" an Gewalttaten eine
Nachrichtensperre angeordnet. Mit anderen Worten: Auf behördliche Anweisung
wird ein absichtlich falsches Bild über die lokale Ausländerkriminalität
erzeugt. Es fällt nicht schwer, sich die Reaktionen im umgekehrten Falle auszumalen,
wäre das Opfer eine Schwarzafrikanerin und die Täter etwa zwei Deutsche
gewesen.
Die Anweisung der
Polizeipräsidentin hat eine Vorgeschichte: Die Dessauer Polizei steht unter
starkem politischen Druck. Im Januar 2005 starb der Asylbewerber Oury Jalloh
unter ungeklärten Umständen in der Gewahrsamszelle des Polizeireviers.
Verschiedene "antirassistische" Gruppen sprechen von einem
ausländerfeindlich motivierten "Mord", benennen Polizeibeamte als
Schuldige und haben einen wahren Märtyrerkult entfesselt. Dabei wird auch an
den Fall des Mosambikaners Alberto Adriano erinnert, der im Jahre 2000 von
jugendlichen Skinheads zu Tode geprügelt wurde.
Auf einer Tagung des Gemeinde-
und Diakoniezentrums St. Georg zum Thema "Politische Gewalt" forderte
die Polizeipräsidentin daraufhin eine erzieherische Offensive gegen
"rechtes Gedankengut". Angesichts der Vorwürfe im Fall Jalloh
erklärte sie in einem Gespräch mit der Mitteldeutschen
Zeitung: "Wir haben ein großes Interesse daran, daß der Fall geklärt
wird" und fügte hinzu: "Wir wollen nicht, daß der Eindruck entsteht,
hier werde etwas unter den Teppich gekehrt."
Quelle: MICHAEL KREUZBERG in JUNGE FREIHEIT vom
23.6.2006
Keine
Schlagzeilen. Keine Solidaritätsadressen. Keine Blumengebinde. Keine spontane Demonstration
gegen Haß und Gewalt. Keine besorgten Politikermienen. Verkehrte Welt? Man
möchte es nicht glauben. Eine schwangere Frau wird in Dessau von zwei Schwarzafrikanern
angegriffen, und der Pressesprecher des zuständigen Polizeireviers erklärt
lapidar, daß bei einer "Ausländerbeteiligung" an Gewalttaten eine
Nachrichtensperre bestehe.
So eine Nachrichtensperre hat
es in sich. Ihr folgt die Schweigespirale in den Medien. Zurück bleibt der un‑
und desinformierte Bürger. Für ihn gibt es dann eben nur noch Schwarz und Weiß.
Heißt im schlimmsten Fall: Es gibt nur noch deutsche Täter und ausländische
Opfer. An Aufklärung besteht kein Interesse.
Halten sich die zuständigen
Stellen, wenn es um Ausländerkriminalität geht, nun schon seit langem vornehm
bedeckt, so machen sie im Kampf gegen Rechts keinen Hehl aus ihrem Ansinnen.
Man wolle nichts "unter den Teppich" kehren, erklärt die zuständige
Polizeipräsidentin, wenn es um die Aufklärung eines fremdenfeindlichen
Anschlages geht. Recht so. Warum dann aber in anderen Fällen immer wieder den
Teppich anheben und verstohlen mit dem Kehren beginnen?
Weil nicht sein kann, was
nicht sein darf, bleibt eins der vielen ‑ deutschen ‑ Opfer zurück
und fällt der Nichtbeachtung anheim. Ist man eben doch nur ein Opfer zweiter
Klasse?
Quelle: Curd-Torsten Weick in JUNGE FREIHEIT vom 23.6.2006 ("Unter
den Teppich kehren")
Anmerkung: Die Verhängung einer solchen Nachrichtensperre bei Straftaten
mit Tatbeteiligungen von Ausländern (und Deutschen mit Migrationehintergrund) dürfte
ziemlich eindeutig rechtswidrig sein. Es ist keine verfassungskonforme Ermächtigungsgrundlage
erkennbar, die eine Differenzierung bei der polizeilichen Öffentlichkeitsarbeit
nach Rasse o. ä. des Täters (oder Opfers) erlaubt. Eine rechtlich zulässige
Abgrenzung darf - abgesehen von den angezeigten Erwägungen des Schutzes der
Bevölkerung (z.B. vor Serienbetrügern), der Kriminologie, der Ermittlungstaktik
usw. - im wesentlichen nur die Schwere des Deliktes und das
Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit im Auge haben. Erwägungen der
Volkspädagogik sind offenkundig sachfremd und damit rechtwidrig.
Auch wenn die von den zuständigen Landesministern erlassenen Richtlinien
über die Öffentlichkeitsarbeit der Ermittlungsbehörden keinen normativen
Charakter haben, sollte man nicht versäumen, dort einen Blick hineinzuwerfen.
Vielleicht wird schon dort die "Nachrichtensperre" der
Polizeipräsidentin als nicht konform entlarvt.
Es verwundert gleichwohl, daß in den vorstehenden Beiträgen die
unerträgliche Nachrichtensperre nur mit politischen und nicht mit juristischen
Argumenten angegriffen wird. Sollte der "ungesetzliche Wildwuchs"
(Originalton Generalstaatsanwalt Prof. Dr. Heribert Ostendorf) unser
Rechtsbewußtsein schon so deformiert haben, daß wir nur noch an die politischen
Gestalter appellieren, weil wir in ihnen omnipotente Akteure im rechtsfreien
Raum sehen?