DE MORTUIS NIL NISI BENE

 

oder

 

ein Grund für die selektive Wahrnehmung realer Mißstände in der bürgerlichen Gesellschaft

 

(...) Anderswo in Europa geht es seit Jahrzehnten leichter zu. Fröhlicher. Der frühere italienische Außenminister Gianni De Michelis lotterte Anfang der neunziger Jahre durch Roms Discotheken und bot seine Erfahrungen in einem Führer für Nachteulen feil. Griechenland erfreute sich an der Spannweite des Busenwunders Mimi, am meisten Freude hatte Ministerpräsident Andreas Papandreou.

 

Großbritannien hingegen nahm die Dinge verkniffener. Das Callgirl Christine Keeler stürzte 1963 den Verteidigungsminister und löste eine Regierungskrise aus. Der verheiratete Kulturminister David Mellor musste 1992 zurücktreten, weil er einer Schauspielerin die Zehen gelutscht und damit den Begriff "toe job" geprägt hatte. Zwei Jahre später wurde der konservative Abgeordnete Stephen Milligan gefesselt und tot in seiner Wohnung gefunden. Bekleidet war er lediglich mit Damenstrümpfen, eine Plastiktüte verhüllte das Gesicht, und in seinem Mund steckte eine Orange: tödlicher Sex, what a story!

 

Den vorerst letzten libidobedingten Rücktritt legte Ronald Davies hin, 1998 noch Minister für Wales. Davies ließ sich in einem Londoner Park von fremden Männern ansprechen ‑ kurz darauf wurde er, ein Messer am Hals, um Handy und Brieftasche erleichtert. Eine Geschichte? Natürlich, gibt es eine bessere?

 

Die Frage ist, wann sich die Grenzen verschoben, wann Privates nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr komplett privat war.

 

Der CDU‑Vorsitzende Helmut Kohl lebte zusammen mit seiner Vertrauten Juliane Weber und seinem Fahrer in einer Art Wohngemeinschaft im Bonner Vorort Pech. Hanns Martin Schleyer, Präsident der Arbeitgeberverbände, warnte Kohl: "Helmut, du musst das Zigeunerlager auflösen, samt der Marketenderin." Stammtischgeflüster in Bonn war das, mehr nicht, Privatsache halt.

 

Genau wie der Ministerpräsident, über dessen junge Liebhaber noch heute alle nur flüstern.

 

Genau wie Franz Josef Strauß, der einerseits heftig auf sein Recht auf Privates pochte, andererseits aber einen Rivalen mit der Geschichte klein halten wollte, dass jener eine Ehefrau und außerdem eine Freundin habe und die Freundin wiederum einen Vater, der Tiere liebe und letzteres leider mehr, als normal sei. Auch das schrieb niemand, was dem seligen Strauß gar nicht recht war.

 

Quelle: DER SPIEGEL 35 / 2003 / 37f ("Das rosa Rathaus") - Hervorhebungen vom Bearbeiter

 

 

 

(...) Die Auswahlkriterien, die Sie beschreiben, sind die logische Konsequenz einer Justiz, die unter einem schweren Webfehler leidet. Solange Politiker in Deutschland sich selbst an den eigenen Haaren aus kriminellen Vorgängen ziehen können, sind wir von einem wirklichen Rechtsstaat noch weit entfernt. Kriminelle deutsche Politiker sind Richter in eigener Sache. Wir blicken zwar mit Abscheu und Verachtung auf die mafiösen Verhältnisse in Italien, übersehen dabei aber geflissentlich dieselben Mafia-Strukturen in Deutschland. Um die Betrugsflüge von Ministerpräsident Rau zu vertuschen wurde etwa ein nachweisbar unschuldiger Pilot der Fluggesellschaft PJC als angeblicher Drogenkurier verurteilt, obwohl er zum Zeitpunkt des angeblichen Drogentransportes nicht in Venezuela war, sondern in Südostasien. Eine Auftragsjustiz in Düsseldorf hat das nicht daran gehindert, einen Unschuldigen für Jahre hinter Gitter zu schicken. Man benötigte einen Sündenbock zum späteren Vorzeigen. Vor dem Untersuchungsausschuss des NRW-Landtages zur Flugaffäre wurde dieser unschuldig verurteilte Mann zum Ergötzen der Journalistenmeute tatsächlich in Ketten vorgeführt. Wie ein wildes Tier im Kolosseum im alten Rom. Gangster in Nadelstreifen à la Neuber werden in diesem unserem Lande geschützt durch abhängige Paten in der Politik à la Rau. Dieses Duo Infernal war durch vielfältige ungesetzliche Vorgänge aufs engste miteinander verbunden. Der Ehrliche oder der Schwache, da liegen Sie richtig, ist in diesem schmutzigen deutschen Rechtsrahmen tatsächlich automatisch der Dumme. (...)

 

Quelle: Hans-Joachim Selenz - ehemals Vorstandsvorsitzender der Preussag Stahl AG / Salzgitter AG - Hervorhebungen vom Bearbeiter

 

Anmerkung: Abschließend darf der Hinweis nicht fehlen, dass Johannes Rau Ehrenmitglied im LIONS Club Wuppertal war und den Tränen nahe war als König von Marokko (Rotarier und einer der größten Rauschgiftpaten aller Zeiten) verstarb.