Mossad in der BRD
Es
beginnt unter anderem damit, daß Mossad-Agenten den damaligen Bundeskanzler Dr.
Konrad Adenauer unter Verwendung einer Paketbombe ermorden wollten. Wie man heute
weiß, geschah dies mit Billigung des damaligen israelischen Ministerpräsidenten
Ben Gurion, der die von Adenauer betriebene finanzielle Wiedergutmachung
hintertreiben wollte. Adenauer überlebte, ein deutscher Beamter fand bei der
Explosion den Tode. Dieser ungeheuerliche Skandal hat den Mossad jedoch
keinesfalls geläutert. Auch danach fühlte man sich auf dem Territorium der
Bundesrepublik Deutschland "wie zu Hause".
Spionage - Befehl aus der Botschaft. Die
Ermittlungen gegen Aktionen israelischer Agenten könnten diplomatische
Verstimmungen auslösen
Ein
Routinefall für die Polizei. In einer Kleinstadt in Thüringen gerät ein
Palästinenser unter Betrugsverdacht. Die ersten Hinweise sind vage, ohne
großen Zeitdruck nimmt die Kripo im benachbarten Saalfeld ihre Ermittlungen
gegen Ibrahim S. (Name von der Redaktion geändert) auf. Dienstalltag in der
Provinz.
Als
die Beamten das persönliche Umfeld von S. überprüfen, gewinnt der 08/15‑Vorgang
schlagartig an politischer Brisanz. Ein Bekannter des Palästinensers, mehrmals
mit Pkw angereist, entpuppt sich als Mitarbeiter der israelischen Botschaft in
Berlin.
Die diskrete Anfrage des
Erfurter Landeskriminalamts beim Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln wird
eindeutig beantwortet: Der ominöse Kontaktmann des Palästinensers Ibrahim S.
gehört zur Undercover-Mannschaft des israelischen Geheimdienstes Mossad, der
von Jerusalems neuer Vertretung in Berlin‑Schmargendorf aus seine
Informantennetze und Agenteneinsätze steuern soll.
Zum Missfallen der deutschen
Staatsschutzbehörden. Was im Sommer 2001 zunächst als Betrugslappalie am Rand
des Thüringer Waldes begann, hat sich in den vergangenen Wochen zu einem
handfesten Spionageverdacht verdichtet. Die Bundesanwaltschaft und das
Bundeskriminalamt (BKA) ermitteln inzwischen gegen Ibrahim S. wegen verbotener
geheimdienstlicher Agententätigkeit. Sein Auftraggeber: Israels berühmt‑berüchtigte
Auslandsaufklärung.
Am Donnerstag vergangener
Woche wurde S. erstmals verhört. Kleinlaut gestand er seine Verbindung zum
Mossad, für den er schon vor Jahren im Libanon gearbeitet habe. Nach seiner
Ankunft in Deutschland sei die Verbindung wieder aufgenommen worden.
Oberstaatsanwältin Frauke‑Katrin
Scheuten, Sprecherin von Generalbundesanwalt Kay Nehm, bestätigte auf FOCUS‑Anfrage
die Vernehmung des verdächtigen Mannes. Eine Mossad‑Verstrickung wollte
sie weder bestätigen noch dementieren.
Der mutmaßliche israelische
Agentenführer ist derzeit noch unbehelligt ‑ als Botschaftsmitarbeiter
genießt er ohnehin diplomatischen Schutz. Dennoch steht jetzt Ärger ins Haus.
Untergrundaktionen selbst befreundeter Nachrichtendienste wie dem
Mossad sind strikt verboten. Verstöße enden mit der stillen Ausweisung
ertappter Schattenmänner. Die Öffentlichkeit erfährt gewöhnlich nichts.
Der aktuelle Fall liegt
anders. Etwaige Anschlussermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen den
Führungsoffizier von Ibrahim S. könnten manche Schlagzeile liefern ‑ der
diplomatische Eklat wäre vorprogrammiert.
Israels konspirative Truppe,
die nach Überzeugung aller Fachleute Extremisten-Cliquen in Deutschland durch
eigene Spione ausspäht, hinterlässt in der Regel keine Spuren. Mit Grauen
denken die Mossad‑Bosse daher noch an die letzte Blamage in Europa: In
Könitz bei Bern war im Februar 1998 ein Team bei einer Abhöraktion gegen einen
Hisbollah-Funktionär erwischt worden. Der illegale Einsatz trübte für Monate
die schweizerisch-israelischen Beziehungen. Einer der ertappten Lauscher wurde
im Juli 2000 gar zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr auf Bewährung
verurteilt.
Top‑Beamte im Berliner Innen‑ sowie im
Justizministerium werden jetzt hoffen, dass die jüngste BKA‑Ermittlung
gegen die Thüringer Mossad‑Connection keinen politischen Flurschaden anrichtet.
Ein Blick in manche Panzerschränke dieser Republik würde andererseits zeigen,
dass es auch hierzulande in jüngster Vergangenheit bereits hart zur Sache ging.
FOCUS
schildert erstmals zwei brisante Ermittlungen gegen den Mossad, die das
Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) seit Jahren streng unter Verschluss
hält. Beide Vorgänge ‑ abgeschlossen in den Jahren 1994 und 2000 und der
Bundesanwaltschaft bis heute gezielt verschwiegen ‑ sind skandalträchtig:
Israels Nachrichtendienst soll in Düsseldorf und Köln ausgerechnet zwei hauptamtliche Mittarbeiter des
deutschen Verfassungsschutzes als Agenten angeworben haben ‑ eine
Todsünde in dieser generell nicht zart besaiteten Branche.
Der schwerwiegendste Fall beginnt im Frühjahr 1992. Der
heute 52‑jährige Emil M. (Name von der Redaktion geändert), Beamter in
der Verfassungsschutzabteilung des NRW-Innenministeriums in Düsseldorf,
erkundigt sich beim Zollkriminalamt nach Ermittlungen gegen zwei jüdische Geschäftsleute aus der
früheren Sowjetunion.
Emil M., ein Experte für
organisiertes Verbrechen, wird in Kollegenkreisen geschätzt. Geboren in Polen
und aufgewachsen in Israel, spricht er mehrere Sprachen und kennt sich bestens
aus mit der Mentalität seiner osteuropäischen Zielpersonen. Dadurch gerät er
unter schweren Verdacht.
Das Zollkriminalamt informiert den NRW-Verfassungsschutz
darüber, dass Emil M. ein so genanntes operatives Interesse an zwei
zwielichtigen Kaufleuten aus Russland und der Ukraine vorgetäuscht haben
könnte. In Wirklichkeit habe M. wohl versucht, Ermittlungen gegen die
Verdächtigen ins Leere laufen zu lassen. Könnte er dafür, so die Spekulation,
vielleicht geschmiert worden sein?
Im Verfassungsschutzamt wird
nicht lange gefackelt. Sicherheitschef Otto Krüger, ein knorriger Ostpreuße und
Pferdeexperte, ordnet sofort eine penible Überwachung von M. an.
Der interne Check ergibt, dass
M. jüdischen Glaubens ist und einen zweiten hebräischen Vornamen hat. Als
Krüger zudem erfährt, dass sein Untergebener mit Dan Schiran, offiziell Polizei‑Verbindungsoffizier
an der israelischen Botschaft in Deutschland, befreundet ist, klingeln alle
Alarmglocken. M. wird erstmals verdächtigt, ein Maulwurf des Mossad zu sein,
der Dienstgeheimnisse an Israel verraten haben könnte.
NRW‑Staatssekretär
Wolfgang Riotte und Verfassungsschutzchef Achim Baumann verlangen eine neutrale
Kontrolle: Der Fall Emil M. wird an das BfV übergeben. Dies ist zugleich das
Startsignal für eine gigantische und extrem teure Überwachungsaktion.
Fast drei Jahre lang, bis Ende
1994, wird Emil M. im Dienst und daheim am Telefon abgehört. Auch seine Post
wird kontrolliert. BfV‑Teams, beizeiten bis zu 18 Mann stark, beobachten
ihn auf Schritt und Tritt. Die heimlichen Schatten verfolgen M. sogar bis zur
Toilette im Bonner Hotel "Maritim". Protokolle schildern, wann und wo
er Bierkästen auf ein Segelboot packt oder Spargel schält. Als der Verdächtige
nach Österreich und Südspanien in den Urlaub reist, sind die von Observationschef
Klaus Urban eingesetzten Späher selbstverständlich mit von der Partie. M., so
glauben sie, könnte ja zu einem Agententreff unterwegs sein.
Aber es gibt keine Belege.
Dann dieses Foto, angeblich der Beweis:
Eingeladen von seinem
israelischen Freund Dan, wird M., mehrere Plastiktüten in der Hand, beim
Betreten eines Hauses der israelischen Botschaft in Bonn‑Bad Godesberg
geknipst. Ebenfalls anwesend, auf dem Balkon abgelichtet, ist ein Mann namens
Micky Amon, Führungsoffizier aus der Mossad-Europa-Zentrale in Paris.
Das Maß ist voll. Eckart
Werthebach, zu der Zeit BfV‑Präsident, zitiert einen Mossad-General aus
Tel Aviv nach Köln und beschwert sich bitterlich über verbotene Anwerbungen.
Einmal in Rage, droht er sogar mit der Einschaltung des Generalbundesanwalts ‑
in Geheimdienstkreisen der Super‑GAU. Die Israelis antworten Tage später
pikiert mit einem knappen Brief, in dem sie alle Vorwürfe zurückweisen.
Am Ende bleibt nur
Katzenjammer. Die Mossad‑Leute sind zutiefst beleidigt, beim ebenso
vergrätzten BfV drückt man sich vor einer klaren Analyse. Die da heißen könnte:
Außer Spesen nix gewesen. Anfang 1995 wird der angebliche Spitzel zur Polizei
versetzt und zu absolutem Stillschweigen verdonnert.
Nur ein paar Monate später
läuft beim BfV in Köln‑Chorweiler die nächste immens aufwändige und bis
heute ebenso strikt geheim gehaltene Anti‑Mossad‑Aktion an.
Im Visier diesmal: Mohammed E., dessen Namen FOCUS aus
Sicherheitsgründen abgeändert hat, da er ansonsten Racheakte seiner Landsleute
befürchten müsste.
E., Mitte 40, ist gebürtiger
Palästinenser mit israelischem Pass. Am 15. August 1994 tritt er in der BfV‑Zentrale
einen Spezialjob an: In der Fachabteilung IA/3 wertet er die abgehörten
Telefonate mutmaßlicher arabischer Extremisten und anderer Dunkelmänner aus.
Im Frühjahr 1995 wabern erste
Gerüchte durchs Amt: E., ein stets froh gelaunter Typ, soll dem Mossad internes
BfV‑Wissen über islamische Rädelsführer in Deutschland verraten haben.
Am 26. Juli 1995 ‑ kein
Staatsanwalt wird informiert ‑ startet das BfV eine Abhörmaßnahme gegen
Mohammed E. Sie klemmen sein Telefon an, beobachten sein Fax, fotografieren
jeden Kontakt in der Freizeit. Und bekommen so mit, dass E., im Nebenjob noch
Gastronom, eine Reihe prominenter Gäste hat. Auch Joschka Fischer gehört dazu.
Trotz des schweren
Spionageverdachts feiern BfV‑Anwärter für den gehobenen Dienst
unbekümmert in Mohammeds Kneipe. Bauchtanz, zu später Stunde geboten, gefällt
besonders einem lebenslustigen Mann aus der Behördenspitze.
Die Observation des
Palästinensers dauert an. Offenbar ohne Erfolg. Die Zielperson erfährt nichts.
Mohammed E. ist somit
ahnungslos, als er am 18. September 2000 in die Sicherheitsabteilung gebeten
wird. Ohne großes Geplänkel und nach Rücksprache mit BfV‑Präsident Heinz
Fromm eröffnen ihm die Beamten Rainer Walter und Manfred Schmidt, dass er
fristlos entlassen sei. Der Grund: E. habe einem Aushilfskoch ein Zeugnis
übersetzt und damit Beihilfe zur Erschleichung eines Visums geleistet.
Minuten später steht der
verblüffte BfV-Auswerter auf der Straße ‑ mitsamt seinem brisanten
Insider‑Wissen über sensible Lauschoperationen gegen mutmaßliche
Terrorhelfer aus dem Nahen und Mittleren Osten.
Ein Insider zu FOCUS: "Eine riesige Schlamperei. So
fahrlässig und mit so schwachen Vorwürfen kann man Geheimnisträger doch nicht
in die Wüste schicken."
Das
BfV ist sich keiner Schuld bewusst. Sprecher Hans‑Gert Lange wollte
sich zu beiden BfV‑Operationen nicht äußern. Allein Robert Appel aus dem
Sicherheitsreferat, offenbar informiert über die FOCUS‑Recherchen, wurde
aktiv. Kürzlich bat er Mohammed E. um eine kurze Information, falls sich die
Reporter melden sollten. "Wir müssen dann", soll Appel geraunt
haben, "doch unsere Vorkehrungen treffen. "
Quelle: J. HUFELSCHULTE/C. THALMANN in
FOCUS 13/2002/40-42
(...) Zur Geschichte des
Ganzen muß noch erwähnt werden, daß Helmut Kohl einer Kooperation mit dem
Mossad zur Bekämpfung des Terrorismus einst zugestimmt hatte, weshalb die BND-Oberen
dem Mossad erlaubten, ihren Stationen im Ausland unter die Arme zu greifen, und
es als große Freundschaftsgeste betrachteten, wenn der Mossad Seminare über
Terrorismus abhielt (die den BND-Leuten als Gästen des israelischen
Geheimdienstes in Israel kostenlos geboten wurden).
Die BND‑Bosse wußten
allerdings nicht, daß diese Seminare, die der Mossad in der angenehmen Umgebung
des Country Club abhielt, in Wirklichkeit gut geschmierte Rekrutierungs‑Operationen
waren, die dem Mossad Hunderte, wenn nicht Tausende von Staatsdienern aus den
Vereinigten Staaten, wo sie vom Bnai
Brith (weltweit tätige rein jüdische
Freimaurerloge, d. B.) rekrutiert wurden, oder aus den Geheimdiensten
Dänemarks, Schwedens und vieler anderer Länder Europas einbrachten.
Im Geheimdienstbereich zählt
vor allem die Fähigkeit zu beweisen, daß es einem gelungen ist, einen
terroristischen Angriff abzuwehren. Mit dieser Verheißung manipulierte der
Mossad die mittleren Chargen des BND zur Kooperation, indem man sie wissen
ließ, daß ihre Bosse zwar einverstanden wären, aber die Operation nicht
offiziell billigen könnten. Auch die Tatsache, daß der Mossad die rückhaltlose
Unterstützung der örtlichen Dienststellen des Verfassungsschutzes hatte, war
hilfreich, die BND‑Leute zu überzeugen.
Quelle: "Geheimakte Mossad. Die schmutzigen Geschäfte des
israelischen Geheimdienstes", von Victor Ostrovsky, München 1996. S. 288 f
Anmerkung: Ostrovsky war Mossad-Offizier - zuletzt Major - und lebt jetzt
wieder in Kanada. Ein maßgeblicher Israeli hat vor laufenden Kameras zu seiner
Ermordung aufgerufen.
(...) In die Transporte, die
über italienische Häfen liefen, waren der Altfaschist Licio Gelli und
Mitglieder seiner geheimdienstdurchsetzten Freimaurerloge
Propaganda Due sowie streng geheime Kornmandoeinheiten (Gladio) der NATO
eingespannt, eine Kombination, auf die später einzugehen sein wird. Die BND‑Mannschaft
wiederum scheint laut Ostrovskys Darstellung aus Leuten zusammengesetzt gewesen
zu sein, die zuvor an Mossad‑Seminaren zur Bekämpfung des Terrorismus
teilgenommen hatten. Diese Veranstaltungen seien letztlich zum Zwecke der
Rekrutierung abgehalten worden, die dem Mossad Hunderte, wenn nicht Tausende
von Staatsdienern aus allen möglichen Ländern, nicht zuletzt der Bundesrepublik,
als Quellen und Einflußpersonen eingebracht hätten. Der Mossad habe die
mittleren Chargen des BND manipulieren können, indem man ihnen zu verstehen
gegeben habe, ihre Vorgesetzten seien mit der Angelegenheit einverstanden,
könnten die Operation jedoch offiziell nicht billigen und müßten in der Lage
sein, stets glaubhaft leugnen zu können. Auch die Tatsache, daß der Mossad die
rückhaltlose Unterstützung der örtlichen Dienststellen des Verfassungsschutzes
gehabt habe, sei hilfreich gewesen. (...)
Quelle: "Im Namen des Staates. CIA, BND und die kriminellen
Machenschaften der Geheimdienste" von Andreas von Bülow, München 2000, S.
136 f
Anmerkung: Andreas von Bülow war Staatssekretär, Bundesminister und
langjährig Abgeordneter des Bundestages, wo er u.a. in dem Parlamentarischen
Kontrollgremium zur Überwachung der Geheimdienste tätig war.