Kritik am Verfassungsschutz

In einigen maßgeblichen Punkten ist die Redaktion von „luebeck-kunterbunt“ originärer GRÜNER Programmatik treu geblieben. Dies gilt zum Beispiel für die Forderung, aus der NATO auszutreten, was uns im übrigen die unseligen Militäreinsätze gegen Serbien und in Afghanistan erspart und außerdem die vertuschte Strafbarkeit für die Entscheidungsträger, die sich bezüglich des Balkanabenteuers der Vorbereitung eines Angriffskrieges schuldig gemacht haben, vermieden hätte. Weiterhin befürworten wir nach wie vor die Auflösung des Verfassungsschutzes im Bund und in den Ländern, wobei unter anderem auf den Beitrag „VS abschaffen“ bezug genommen werden kann. Einen fundierten und erfreulich kritischen Bericht liefert wikipedia zu diesem Thema, den wir auszugsweise präsentieren, wobei die Fußnoten in den Text einbezogen wurden:

In der Vergangenheit wurde immer wieder die Abschaffung des Verfassungsschutzes gefordert. So forderten Die Grünen noch 1998 in ihrem Wahlprogramm, dass alle deutschen Geheimdienste schrittweise aufzulösen seien.

Gelegentlich lieferte das BfV (Bundesamt für Verfassungsschutz) aufgrund seines Verhaltens Anlass zur Kritik der breiten Öffentlichkeit: So startete man im Jahre 1976 einen mehrmonatigen „Lauschangriff” auf den des RAF-Terrorismus verdächtigten ehemaligen Atom-Manager Klaus Traube, der in der Öffentlichkeit als „Lauschaffäre Traube” bekannt wurde. Der Terrorismusverdacht erwies sich als falsch, der damals verantwortliche Innenminister Werner Maihofer musste zurücktreten.

Ebenso machte das BfV im Rahmen des Verbotsverfahrens gegen die NPD von sich Reden. Ein wesentlicher Grund warum das Verbotsverfahren scheiterte, ist, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz sich in Übereinstimmung mit dem verantwortlichen Innenminister Otto Schily weigerte, mitzuteilen, welche Parteiaktivitäten von der Partei selbst und welche vom Verfassungsschutz beziehungsweise durch in den Parteiapparat als Funktionäre eingeschleuste Vertrauenspersonen des Verfassungsschutzes initiiert wurden. Da das Bundesverfassungsgericht somit nicht beurteilen konnte, welche Handlungen der Partei originär zuzurechnen waren und für welche Aktivitäten indirekt der Verfassungsschutz mitverantwortlich war, lehnte es den Antrag auf Verbot der NPD ab.

Unwidersprochen blieb die Agentur-Meldung der dpa, dass etwa jeder siebente Funktionsträger in der NPD-Leitungsebene vom Kölner Bundesamt finanziert wird.

Ein wichtiger Kritiker der Verfassungsschutzpraxis ist der Staatsrechtler Dietrich Murswiek. In verschiedenen Publikationen setzte er sich mit der Problematik des Grundrechtseingriffs durch Verfassungsschützer auseinander. (Dietrich Murswiek: Staatliche Warnungen, Wertungen, Kritik als Grundrechtseingriffe - Zur Wirtschafts- und Meinungslenkung durch staatliches Informationshandeln, in: Deutsches Verwaltungsblatt 1997, S. 1021-1030; Dietrich Murswiek: Der Verfassungsschutzbericht – das scharfe Schwert der streitbaren Demokratie. Zur Problematik der Verdachtsberichterstattung, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2004, S. 769-778; Dietrich Murswiek: Meinungsäußerungen als Belege für eine verfassungsfeindliche Zielsetzung. Zu den rechtlichen Anforderungen und zur Praxis der Verfassungsschutzberichte, in: Stefan Brink / Heinrich Amadeus Wolff (Hrsg): Gemeinwohl und Verantwortung. Festschrift für Hans Herbert von Arnim zum 65. Geburtstag, Duncker & Humblot, Berlin 2004, S. 481-503; Dietrich Murswiek: Neue Maßstäbe für den Verfassungsschutzbericht - Konsequenzen aus dem JF-Beschluss des BVerfG, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2/2006, S. 121-128) Zuletzt hatte er sich im Dezember 2006 auf einer Tagung zum Thema "Islam und Verfassungsschutz" zu diesem Themenkomplex geäußert und die Praxis der Verfassungsschutzberichte erneut kritisiert. (Dietrich Murswiek, Der Verfassungsschutzbericht - Funktionen und rechtliche Anforderungen, gekürzte Fassung eines Vortrages, gehalten auf der Tagung "Islam und Verfassungsschutz" am 7.12.2006 in der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Im Internet abrufbar als PDF. Der Text ist erscheinen in: Janbernd Oebbecke / Bodo Pieroth / Emanuel Towfigh (Hrsg.), Islam und Verfassungsschutz (Islam und Recht Bd. 6), Peter Lang, Frankfurt u.a. 2007.) Murswieks Kritik richtet sich dabei vor allem gegen die sog. "Verdachtsberichtserstattung": „In den meisten Verfassungsschutzberichten wird nicht nur über erwiesene Verfassungsfeinde berichtet, sondern auch über solche Organisationen, die von der Verfassungsschutzbehörde lediglich verdächtigt werden, verfassungsfeindliche Bestrebungen zu verfolgen. Diese Praxis ist rechtswidrig. Sie findet in den Verfassungsschutzgesetzen keine Grundlage und verstößt zudem gegen das Grundgesetz.“ (Murswiek, Der Verfassungsschutzbericht, S. 3). Voraussetzung für die Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht sei laut den Verfassungsschutzgesetzen nämlich, dass es sich bei den Organisationen, über die berichtet werde, um Organisationen handele, die tatsächlich extremistische Bestrebungen verfolgten und nicht um solche, bei denen es nur tatsächliche Anhaltspunkte dafür gäbe, dass sie möglicherweise solche Bestrebungen verfolgen könnten. Der Verfassungsschutz dürfe im Verfassungsschutzbericht also nicht über alle Organisationen berichten, die er rechtmäßig beobachte. Tatsächlich habe das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg deshalb für Berlin die Verdachtsberichtserstattung verboten. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf und das Oberverwaltungsgericht Münster sowie das Bundesverfassungsgericht erklärten sie dagegen für zulässig (Nachweise in Murswiek, Der Verfassungsschutzbericht, S. 4ff.). Wenn man die Verdachtsberichtserstattung aber für zulässig erachte, so muss laut Murswiek sichergestellt sein, dass in den Berichten die Unterscheidung von Fällen erwiesener Verfassungsfeindlichkeit und von Verdachtsfällen möglich sei. Zwar habe der Verfassungsschutzbericht des Bundes aus dem Junge-Freiheit-Urteil des Bundesverfassungsgerichts mittlerweile Konsequenzen gezogen, indem er seine Rubriken ausdrücklich als "Bestrebungen und Verdachtsfälle" kennzeichne, die gegenwärtigen Verfassungschutzberichte genügten aber auch unter diesem Aspekt nicht den Anforderungen des Grundgesetzes. Es dürfe in der amtlichen Berichterstattung im Sinne einer "negativen Sanktion" keine "Herrschaft des Verdachts" herrschen: "Die Verfassungsschutzgesetze sowie die vom Bundesverfassungsgericht für den Verfassungsschutz aufgestellten Kriterien lassen nicht zu, daß die Berichterstattung nur auf den Verdacht eines Verdachts gestützt wird." (Murswiek, Der Verfassungsschutzbericht, S. 14).

Für besonders problematisch hält Murswiek die Praxis der Verfassungsschutzberichte, "Kaskaden des Verdachts" (Dietrich Murswiek, Verfassungsschutz - ­Mitarbeit als staatsbürgerliche Obliegenheit? Im Internet abrufbar als PDF. Der Text wird erscheinen in: Gedächtnisschrift für Dieter Blumenwitz. Verlag Duncker und Humblot, Berlin 2007) aufzubauen: "Der Verfassungsschutz bekämpft also Organisationen, für die er lediglich Anhaltspunkte dafür hat, daß sie verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen, genauso wie erwiesene Verfassungsfeinde, und er setzt sein Sanktionsinstrumentarium auch gegen diejenigen ein, die sich - weil sie den Verdacht nicht teilen - an der Ausgrenzung dieser des Extremismus lediglich verdächtigten Organisationen nicht beteiligen. Schon die erste Stufe - die Bekämpfung auf Verdacht hin - ist rechtsstaatswidrig. Die zweite Stufe, die Verdächtigung und Bekämpfung auch desjenigen, der den auf der ersten Stufe Verdächtigten nicht ausgrenzt, ist noch schlimmer. Konsequent weitergedacht, muß jetzt auch der auf der zweiten Stufe Verdächtigte ausgegrenzt werden, und wer das nicht tut, gilt wiederum als ausgrenzungsbedürftiger Extremist. So lassen sich Kaskaden des Verdachts konstruieren." (Murswiek, Vefassungsschutz - Mitarbeit, S. 18).

Quelle: http://de.wikipedia.org

Anmerkung: Es bleibt nachzutragen, daß nicht nur DIE GRÜNEN, sondern auch die PDS und sogar einige hochkarätige Sozialdemokraten die Abschaffung des Verfassungsschutzes gefordert haben. Oft erlahmt allerdings der liberale und demokratisch-rechtsstaatliche Eifer, wenn man an die Macht kommt, weil der Verfassungsschutz ja nicht nur ein Einfallstor der Interessenwahrnehmung einiger Siegermächte des Zweiten Weltkriegs (geblieben) ist, sondern auch ein Machtinstrument gegen die Opposition, sei sie nun parlamentarisch oder nicht.

Was Klaus Traube anbetrifft, kann auf auf den Beitrag „Fall Traube“ verwiesen werden. Der Skandal war besonders prekär und konnte nur mit Rücktritt eines Bundesministers „gesühnt“ werden, weil Traube jüdischer Abkunft ist. Sonst scheint man bei den – teilweise existenzvernichtenden – Fehlgriffen der Inlandsschlapphüte nicht so pingelig zu sein.