Kriminalitätsstatistik (2)
Auf
scharfe Kritik des Bundes Deutcher Kriminalbeamter (BDK) ist die Praxis der
Behörden gestoßen, in den Kriminalstatistiken
nur noch zwischen Deutschen und Ausländern zu unterscheiden, aber nicht die
eingebürgerten Ausländer nach Herkunftsregionen zu betrachten.
Dieses führt nach Angaben des
stellvertretenden BDK-Bundesvorsitzenden Rolf Rainer Jaeger dazu, daß eine
erfolgreiche Verbrechensverhütungspolitik seit Jahren nicht mehr möglich ist.
Erkenntnisse zu Herkunftsregionen, Erziehungs‑ und Sozialisierungsprozessen
in den einzelnen Regionen, Nationen oder Religionen seien aber von
entscheidender Bedeutung, um in einer "immer multikulturelleren Gesellschaft"
wirksam Kriminalprävention und ‑repression betreiben zu können, sagte
Jaeger.
Besonders der Verzicht auf die
Erhebung von Herkunftsländern von Straftätern mit deutschem Paß beeinträchtige
die Qualität der Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erheblich. So
bestehen Jaeger zufolge aus kriminalpolitischer, kriminalistischer und kriminologischer
Sicht teilweise sehr erhebliche Unterschiede zwischen hier geborenen und hier
aufgewachsenen Herkunftsdeutschen, Auslandsdeutschen mit langjährigen
Aufenthaltszeiten im Ausland sowie Rußlanddeutschen, Eingebürgerten mit anderen
Nationalitäten und nichtdeutschen Tatverdächtigen.
Dies ergebe sich unter anderem
auch dadurch, daß Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsregionen häufig unter
völlig unvergleichbaren Lebensbedingungen aufwachsen. Zudem seien auch ihre
Erziehungs‑ und Sozialisationsprozesse miteinander nicht vergleichbar.
Insbesondere die religiöse Prägung der Menschen sei bedeutsam für ihr weiteres
Leben und Verhalten, was sich aktuell am Phänomen des islamischen Terrorismus
zeige.
In der Praxis habe sich
gezeigt, so Jaeger, daß "bestimmte Kriminalitätsformen nur bei bestimmten
Bevölkerungsgruppen feststellbar" seien. So sei der Taschendiebstahl,
ähnlich wie der Wohnungseinbruch, Betrügereien mit eingefärbtem und
verwaschenem Geld, wesentlich bestimmten ethnischen Gruppierungen zuzuordnen.
Und auch auf der Opferseite würden Bevölkerungsgruppen mit religiösen und
anderen Vorlieben sowie Menschen mit bestimmter Sozialisation bevorzugt.
Insofern sei es wichtig, in
der Kriminalstatistik nicht nur zwischen Deutschen und Ausländern zu
unterscheiden, sondern auch hinsichtlich der Herkunftsländer der von
eingedeutschten Ausländern begangenen Straftaten. Erst dadurch sei es möglich,
zu erkennen, ob Menschen aus anderen Herkunftsregionen in bestimmten
Deliktsbereichen besonders auffällig sind und wo andererseits die ursprünglich
deutsche Wohnbevölkerung überrepräsentiert ist. Eine derart gegliederte
Statistikwürde nach Ansicht Jaegers wichtige Erkenntnisse sowohl für
Ermittlungen gegen diese Tätergruppen als auch für sinnvolle Vorbeugungsmaßnahmen
geben. Dadurch wäre es der Polizei und anderen staatlichen Organisationen
möglich, "bei fehlgeleiteten Sozialisationsprozessen in manchen
Bevölkerungsgruppen, die nahezu zwingend in Kriminalität zu führen scheinen,
frühzeitig zu intervenieren, Kriminalität zu verhüten und Unbelehrbare
unnachgiebig und erfolgreich zu bekämpfen".
Zudem führt die jetzige Praxis
nach Ansicht Jaegers zu völlig falschen Erkenntnissen: Denn "je größer die
Zahl der eingebürgerten Deutschen ist, um so größer wird die Zahl der
kriminalstatistisch erfaßten deutschen Tatverdächtigen". Es sei dann
nämlich "nicht mehr erkennbar, ob ein eingebürgerter Deutscher oder ein
hier schon geborener Deutscher Straftaten begeht".
Quelle: JOSEF HÄMMERLING in JUNGE FREIHEIT vom 28.7.2006
("Erhebliche Unterschiede")