Kontaktsperre-Gesetz

 

Nach mehreren Terroranschlägen und der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer, mit der die linksextremistische Rote‑Armee‑Fraktion (RAF) inhaftierte Mitglieder freizupressen versucht, ordnet Generalbundesanwalt Kurt Rebmann (sein Spitzname "Reblaus" spielt an auf den zeitweilig unmäßigen Alkoholkonsum des LIONS-Club-Mitglieds, d.V.) an, jegliche Kontakte von RAF‑Häftlingen zur Außenwelt zu unterbinden. Eine entsprechende Bitte richtet Bundesjustizminister Hans‑Jochen Vogel (SPD, d.V.) an seine Länderkollegen; er beruft sich dabei auf den im Strafgesetzbuch niedergelegten Rechtsgedanken des rechtfertigenden Notstands. Vor dem Bundestag bezeichnet Bundeskanzler Helmut Schmidt (Bilderberger, d.V.) die Kontaktsperre als "unabweisbare Notwendigkeit". Der Berliner Justizsenator und auch eine Reihe von Richtern allerdings weisen die Kontaktsperre als rechtswidrig zurück. Die strikte Isolierung untergräbt schließlich ein grundlegendes Prinzip des Rechtsstaates, die Gewähr des Kontakts zwischen Häftling und Verteidiger. Eine Beschwerde betroffener Häftlinge weist der Bundesgerichtshof (der nach dem Krieg mit bis zu 75 % Alt-Nazis besetzt war, d.V.) zurück. Die politischen Akteure sind sich offenbar dennoch bewußt, daß das geltende Recht nicht ausreicht, um das Verbot von Verteidigerbesuchen zu decken. So erklären sich die außergewöhnlichen Anstrengungen, die verordnete Kontaktsperre nachträglich zu legalisieren: Während zwischen der Einbringung eines Gesetzentwurfs und dem Inkrafttreten des Gesetzes in der Regel Monate oder gar Jahre vergehen, benötigt man für das Kontaktsperre‑Gesetz gerade einmal fünf Tage (Da das Gesetz in der sozial-liberalen Regierungskoalition auf Widerstand stößt, kann es nur mit Hilfe der CDU/CSU-Opposition verabschiedet werden). Nach Überzeugung kompetenter Kritiker entspricht das "Blitzgesetz" weder Grundgesetz noch Menschenrechten (Die Rechtskonstruktion erlaube die Außerkraftsetzung von Grundrechten durch Feststellung und Beschluß der Exekutive, stelle einen Einbruch der Exekutivgewalt in einen bis dahin allein der Justiz unterstellten Bereich dar und bedeute die Einführung eines Ausnahmerechts im Hinblick auf die Haftbedingungen einer bestimmten Gruppe von Gefangenen, so protestiert eine Gruppe von Rechtsanwälten in einem Appell an Bundespräsident Scheel). Es ist bis heute in Kraft.

 

Quelle: "Amtsmißbrauch und Korruption. Strukturen in Deutschland Ost und West" von Michael Clemens, Münster 2000, S. 35