Jochen Steffen
Vor allem unter Jochen Steffen
gehört die Nord‑SPD zu den Wortführern der Kritiker‑Phalanx gegen
Kanzler Schmidt. Steffen selbst scheidet unter Protest aus seinem Amt als
Vorsitzender der SPD‑Grundwertekommission aus. Er begründet dies in einem
Zeit-Interview am 3. Dezember 1976 und entfacht damit in Bonn einen Aufschrei
der Empörung in den eigenen Reihen:
»Was wir hier im Augenblick
betreiben, das ist Semantik auf sozialdemokratisch. Wir haben ja in unserer
pluralistischen Gesellschaft einen Konsens, wonach diese Grundwerte eben nur
bei der Sicherung einer Wachstumsrate von mindestens fünf Prozent zu
verwirklichen sind. Der olle Marx würde dies einen bürgerlichen Materialismus
nennen. Anstatt in dieser Logik ökonomisch zu verfahren, sollte man jetzt strukturelle
Veränderungen anstreben. Das bedeutet ein Sich‑Freimachen von
Sachzwängen, also die Rückkehr der SPD zu einer Reformpartei. Dies allerdings
ist unter einem Kanzler Schmidt nicht denkbar, der nur machttechnokratisch
denkt und handelt und dabei gar nicht zu merken scheint, daß er nur noch
absegnet, was Industrie und Interessengruppen des Kapitals längst in die Wege
geleitet haben. Ich habe aus diesem Grunde jetzt einen langen Brief an Willy
Brandt geschrieben, daß ich sofort den Vorsitz in der Grundwertekommission
niederlege, weil ich weder bereit bin, mit Grundwertepapieren gegen die
Regierung mobil zu machen, noch aus Opportunismus Grundwerte im Interesse der
Regierung entwickeln will, die nichts als Augenwischerei bedeuten. «
Quelle: Rainer Burchardt / Werner Knobbe "Björn Engholm - Die
Geschichte einer gescheiterten Hoffnung", Stuttgart 1993