Herrhausens Tod

 

Gesichert scheint inzwischen auch, daß nicht nur hochrangige Mafiosi wie der bis zu seiner Ermordung 1982 als Boss der Bosse geltende Stefano Bontade zum «Ordens»-Zirkel gehörten, sondern auch zahlreiche Geheimdienstler und Polizisten, die im Verdacht stehen, den obersten Mafia‑Boss Totò Riina und andere hochkarätige Gangster vor der Verhaftung gewarnt und möglicherweise auch die Vorbereitungen zur Ermordung der Untersuchungsrichter Falcone und Borsellino unterstützt zu haben. So etwa der ehemalige Leiter des Morddezernats und Überfallkommandos von Palermo, Bruno Contrada, den Bischof Cassisa höchstpersönlich in den Orden eingeführt und mit Bontade zusammengebracht haben soll. Eine große Rolle spielte im Orden auch Graf Arturo Cassina ‑ Baulöwe, Spekulant, vor allem aber, unter dem Schutz der jeweils gerade herrschenden Mafiabosse, größter Auftragnehmer staatlicher Projekte der Insel; und Miteigentümer zahlreicher Bauartikel‑Exportfirmen, die mit dem Fall der Mauer auch stark in den Osten expandierten. Cassina war bis 1988 weltlicher Statthalter der sizilianischen Abteilung des Ordens.

 

Aber auch außerhalb Italiens war und ist der Orden höchst aktiv ‑ so etwa in Deutschland. Hier ergab sich schon seit Kriegsende eine überaus merkwürdige Konstellation, die sich in den 70er und 80er Jahren noch stark verdichtete: Der Orden hat einen ansehnlichen Teil der deutschen Hochfinanz und des Bankwesens fest in der Hand. In den Führungsetagen der Deutschen Bank sind zahlreiche Ordensritter ebenso vertreten wie in der Bayerischen Hypotheken‑ und Wechselbank; Ritter trifft man auch im Sparkassen‑ und Giroverband und in Kreditinstituten Nordrhein‑Westfalens, in großen Bekleidungsfirmen und in den Führungsetagen großer Handelshäuser an.

 

Der ehemalige Chef der Deutschen Bank und Adenauer­-Berater Hermann Josef Abs, der im Februar 1994 verstarb, gehörte ebenso dazu wie Adenauer selbst und der famose erzreaktionäre bayerische Kultusminister Aloys Hundhammer; der kürzlich aus dem Amt geschiedene Präsident des Sparkassenverbandes, Helmut Geiger, und der Vorstandschef der Bayerischen Hypotheken‑ und Wechselbank, Eberhard Martini, legen ebenso gerne mal den Rittermantel um wie der Leiter der krisengeschüttelten Frankfurter DG‑Bank oder der erste ZDF‑Intendant Karl Holzamer und der ehemalige Chef des Saarländischen Rundfunks, Hubert Rohde. Ritter sind auch die ehemaligen Ministerpräsidenten Max Streibl (Bayern, über die berühmte Amigo‑Affäre gestolpert) und Hans Filbinger (Baden-­Württemberg, nach Enthüllungen über seine Zeit als NS‑Richter zurückgetreten).

 

Mitunter gerieten die «Ritter» kräftig mit «Nicht‑Rittern» aneinander, gerade wenn es um Fragen der Ost‑Expansion ging. Nicht zum frommen Verein gehörte der 1989 ermordete Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen ‑ doch er war nahezu vollständig von «Rittern» des merkwürdigen Ordens umgeben, und just mit diesen lag er ständig im Clinch. Angeblich wurde ihnen der flinke und selbstherrliche Mann zu mächtig, doch tatsächlich drehten sich nach Insiderberichten die Auseinandersetzungen vor allem um Herrhausens Manöver im Ausland und speziell im Osten. Noch wenige Tage vor seiner Ermordung flogen dieserthalben im Vorstand die Fetzen: Herrhausen hatte die Bedingungen für einen Drei‑Milliarden‑Kredit an die Sowjetunion nach Ansicht der «Rittersleute» zu sanft formuliert, zu wenig an demütigende Bedingungen geknüpft. Das Foto, auf dem er Frau Gorbatschowa die Hand küßt, galt in den «Ritter»‑Burgen Deutschlands als Dokument des Kotaus vorm immer noch nicht gereinigten « Reich des Bösen ».

 

Herrhausen hatte seit jeher eher eine ähnliche Linie verfolgt wie der italienische Fiat‑Konzern mit seinen Investitionen und den durch seine konzerneigenen Kreditinstitute vergebenen Anleihen an Gorbatschows Wirtschaft: möglichst flexible Bedingungen zu schaffen, um Gorbatschows eher sanfte Transformation des Sozialismus nicht durch abrupte Drehungen an der Daumenschraube der Zinsen und der Rückzahlung wirtschaftlich zu gefährden oder die Reform so zu diskreditieren, daß deren Widersacher wieder Oberwasser bekamen. Die Gegner von Herrhausen hatten zwar nicht das Geringste gegen Ostgeschäfte, im Gegenteil ‑ aber diese Geschäfte sollten auch den ideologischen Sieg über die Ungläubigen dokumentieren. Dafür bürgte schon der unverwüstliche Josef Hermann Abs: Der hatte auch noch im Pensionsalter alle Fäden in der Hand und großen Einfluß auf Teile des deutschen Bankwesens wie auf den Orden. Insider der Deutschen Bank wie der von ihr dominierten Betriebe (etwa Mercedes) murrten immer wieder, mit welcher Macht Abs noch immer seine « Ritter » dort plazierte, wo es um internationale Geschäfte ging, etwa in den Auslandsfilialen der von der Bank kontrollierten Konzerne in Ost und West.

 

Darüber hinaus hatte er sich Mitte der 80er Jahre, selbst schon 84, auch noch als Oberaufseher für das angeschlagene vatikanische Bankinstitut IOR einsetzen lassen und zog seither auch am Heiligen Stuhl mit seiner starken Ausrichtung auf den Osten viele Fäden.

 

Es waren sehr verschiedene Geschäftemacher, die sich etwa zur gleichen Zeit aufmachten, den darniederliegenden Osten zu «kolonisieren»: aggressive Banker und Finanziers wie Herrhausen und andere, die aber noch ein Auge für die politischen und sozialen Gegebenheiten, der jeweiligen Ost-­Länder hatten; ideologische Hardliner wie die Ordensritter; und ein Heer reiner Spekulanten und Dunkelmänner, von Geldschiebern bis zu Mafiosi, die weder an Ideologie noch an Sozialem interessiert waren, sondern an der Wäsche ihrer illegalen Einnahmen und an Profiten. Der Osten, der diese Gelder dringend brauchte, wurde zu einem wahren Paradies für die Investitionen illegaler Kapitalien.

 

Quelle: "Das neue Mafia-Kartell" von Werner Raith, 1996

 

Anmerkung: Über die "Ritter vom Heiligen Grabe" berichten auch Egmont R. Koch und Oliver Schröm in "Verschwörung im Zeichen des Kreuzes", Hamburg 1995. Weiterhin scheint der Hinweis geboten, daß man bei allen diesen Orden, Diensten, Clubs und Logen die gleichen mehr oder weniger undemokratischen und kriminellen Struktuten vorfindet, gleichgültig, ob es sich um die Grabes Ritter, das Opus Dei, CIA, Mossad, Rotary, Lions, Kiwanis, Freimaurer usw. handelt.

Was die Hintergründe von Herrhausens Ermordung anbetrifft, können Raiths Hinweise noch ergänzt werden:

1) Der über jeden Zweifel erhabene Ex‑Bundesminister Dr. Andreas von Bülow schreibt, der von der Familie Barschel beauftragte Detektiv sei kurz vor Abschluß seiner Ermittlungen verstorben.

 

2) Kurz vor seinem Tod hat dieser Detektiv geäußert, alle merkwürdigen Todesfälle der letzten Zeit hingen miteinander zusammen. Er verweist auf Olof Palme. Das mit der südafrikanischen Todesschwadron war eine typische Geheimdienst‑Desinformation. Es wurde in unseren Medien allgemein verschwiegen, daß der CIA‑Direktor Dr. Oswald LeWinter "desertiert" ist und in Portugal um politisches Asyl nachgesucht hat. LeWinter hat vor dem portugiesischen Parlament unter Eid ausgesagt, daß die CIA Olof Palme umgebracht habe und außerdem, was so alles an den "Anschlägen" vom 11.9.2001 faul sei. Der Umkehrschluß würde bedeuten, daß auch Barschel vom CIA umgebracht worden wäre. Das paßt wiederum zu der detailierten Schilderung von Victor Ostrovsky, der eine Ermordung Barschels durch den Mossad behauptet. In dem Verein war er früher einmal Offizier. CIA und Mossad können auf Grund der engen Beziehungen zwischen USA und Israel als eine Einheit oder eine Aktionsgemeinschaft angesehen werden.

 

3) Dies könnte weiterhin bedeuten, daß auch Alfred Herrhausen, Detlef Karsten Rohwedder, Karl Heinz Beckurts, Karry, Ernst Zimmermann und Gerold von Braunmühl vom CIA und/oder Mossad umgebracht worden sein könnten. Eine wahrlich bedrückende Vorstellung!

 

4) Der ehemalige Chefreporter der "Hör Zu" (Springer‑Verlag) und heutige Bundesvorsitzende der "Deutschen Konservativen" Joachim Siegerist hat in der 5. Auflage seines Buches "Das Testament des Uwe Barschel" behauptet Barschel sei von seinen Freimaurerbrüdern ermordet worden; es habe sich um eine rituelle Hinrichtung gehandelt.