Hans-Joachim
Selenz
Wildwest in
den Genossen-Konzernen
Wie Manager, Politiker und Gewerkschafter nicht nur VW ausplündern /
Schonungslose Details aus dem Innersten der Macht / Interview mit Hans-Joachim
Selenz
Es ist schier unglaublich, was hinter den Kulissen der
deutschen Großkonzerne, der Politik, der Banken,, der Medien und
Staatsanwaltschaften abgeht im Zusammenhang mit Wirtschaftskriminalität und
Korruption. Keiner der wenigen immer noch ernsthaften investigativen deutschen
Journalisten hätte recherchieren können, was Hans-Joachim Selenz, früherer
Vorstandsvorsitzender der Preussag Stahl AG / Salzgitter AG, in zwei aktuellen
Büchern niedergeschrieben hat. Es ist erschütternd.
Hannover. Hans-Joachim Selenz aus
dem niedersächsischen Peine war jahrelang Mitglied in der deutschen
Management-Elite. Der studierte und promovierte Eisenhüttenkundler war
Vorstandsvorsitzender der Preussag Stahl AG / Salzgitter AG und
Vorstandsmitglied in weiteren Aktiengesellschaften. Der Honorarprofessor hatte
Zugang in die sogenannten „feinen“ Kreise und lernte sehr schnell. Doch statt
sich an den mitunter kriminellen Spielchen zu beteiligen und im Wechsel mit der
Politik zu taktieren und zu betrügen, ging er den geraden Weg, was man ihm sehr
übel nahm. Das Ergebnis: Er wurde erwartungsgemäß gefeuert. Nun hat Selenz
gleich zwei Bücher veröffentlicht, und zwar „Wildwest auf der Chefetage – Schröders
Kampf um Salzgitter und die Kanzlerschaft“ (Buch&media GmbH, 14,90 Euro,
ISBN: 3-86520-140-7) sowie „Schwarzbuch VW“ (Eichborn AG, 14,90 Euro, ISBN:
3-8218-5612-2). Beide Bücher sind im wesentlichen Abrechnungen mit dem durch
und durch korrupten System der sogenannten Deutschland AG. Enthüllt wird, wie
Manager, Politiker und Gewerkschafter Konzerne ausplündern, aber auch wie
Justiz und Medien die Machenschaften decken. Das SAAR-ECHO hat mehrfach
berichtet. Nachfolgend veröffentlichen wir mit freundlicher Genehmigung ein
aktuelles Interview, das André F. Lichtschlag für das ef-Magazin
(www.ef-magazin.de) mit Hans-Joachim Selenz führte:
ef: Herr Selenz, was genau bezeichnen Sie
als das „System VW“?
Selenz: Der Begriff „System VW“
steht für die systematische Ausplünderung einer börsennotierten
Aktiengesellschaft durch deren Organe unter dem Schutz der ruhiggestellten
Justiz. In Unternehmen unter staatlichem Einfluss wie bei VW werden
Betriebsaffären sogleich zu Staatsaffären. Staatsanwälte, die – was 99 Prozent
unserer Mitbürger nicht wissen – weisungsgebunden sind, kehren dann selbst
schwerste Betrugsfälle unter den politischen Teppich.
ef: Wie kamen Sie an die umfangreichen
Quellenbelege für Ihr „Schwarzbuch VW“?
Selenz: Durch den Hinweis eines Richters
aus Hannover bekam ich die Information, dass bei den Justizbehörden in
Braunschweig „unglaubliche Dokumente“ über VW vorlägen. Da sie allerdings von
einem „kleinen“ Mitarbeiter von VW stammten, hätte der keine Chance, bei der
Genossenjustiz in Braunschweig. Ich setzte mich daraufhin mit dem
VW-Mitarbeiter in Verbindung und stellte fest, dass mein Richter nicht
übertrieben hatte. Nachdem der VW-Mitarbeiter von der Staatsanwaltschaft die
Nachricht bekam, er solle seine Unterlagen abholen, da man sie ansonsten
„anderweitig verwenden oder vernichten“ würde, stellte er mir eine Vollmacht
aus, so dass ich die Akten in seinem Namen direkt von der Staatsanwaltschaft
Braunschweig abholen konnte. Es geht bei dem Material jenseits der aktuellen
Sex-Skandale – doch auch mit Belegen über Untreuevorgänge in Vorstand und
Aufsichtsrat – um dreistellige Millionenbeträge aus Investitionsprojekten, die
bei VW in grauen Kanälen versickerten. Da es den Staatsanwälten zu mühsam war,
sich in die trüben Geldströme einzuarbeiten, gaben sie die Unterlagen zwecks
Prüfung an die VW-Revision, die im System VW ein ausgemachter
Betrugsaufklärungsverhinderungs-Verein ist. Der zweite „Aufklärer“ KPMG hat
sich ja bereits im Flowtex-Betrugsfall einen Namen gemacht.
ef: Welche Rolle spielten die
Gewerkschaften in Salzgitter und bei VW?
Selenz: Bei den Gewerkschaften muss
man immer unterscheiden zwischen Betriebsrat und IG Metall. Die Betriebsräte
sind in aller Regel über die betrieblichen Notwendigkeiten informiert und auch
am Fortbestand eines Unternehmens interessiert. Die IG-Metall-Bosse betreiben
dagegen in vielen Fällen schlichten Klassenkampf – ohne Rücksicht auf Verluste.
Gott sei Dank verliert die auch IG Metall-intern als „Stalinisten-Fraktion“
bezeichnete Gruppe mehr und mehr an Einfluss. Durch die
Mitbestimmungsgesetzgebung haben die Gewerkschafter einen ungeheueren Einfluss
ohne einen Hauch von Verantwortung. Wie man bei VW sieht, erkauft man sich in
vielen Fällen die Zustimmung der Arbeitnehmerseite mit illegalen oder regelrecht
kriminellen Aktionen. Das war in den Staatsbetrieben bis dato auch kein Problem
– wegen der Staatsanwälte, die trotz detaillierter Kenntnis krimineller Abläufe
unter den Genossen Strafvereitelung im Amt betrieben. Ich bezeichne die
Staatsanwaltschaften daher als „Genossenschutzvereine“. Korrekte Kollegen
innerhalb der Justiz in Niedersachsen bezeichnen das Verhalten ihrer Kollegen
in diesen Fällen von Rechtsbeugung und Strafvereitelung im Amt explizit als
„kriminell“.
ef: Sie sprechen von einem Problem der
fehlenden Rechtsstaatlichkeit der dritten Gewalt. Und von der
Regierungskriminalität. Aber ist es nicht auch ein Problem der so genannten
vierten Gewalt, der Medien? Schließlich scheinen viele Mainstream-Medien an
Ihren Enthüllungen kaum Interesse zu haben.
Selenz: Der Begriff
„Regierungskriminalität“ stammt dabei nicht von mir, sondern aus den Reihen des
Deutschen Richterbundes. Korrekte Richter und Staatsanwälte sehen das ebenso
wie ich. Was die vierte Gewalt in diesem unserem Lande angeht, so ist deren
Wirken in Teilen ein absolutes Trauerspiel. Da finden Sie Dutzende von
gekauften Journalisten, die sich von großen Firmen wie VW sponsern lassen. Mir
liegen reihenweise Listen von VW vor, die derartige Vorgänge lückenlos und
namentlich belegen. Es ist für mich völlig unverständlich, dass selbst
hochangesehene Verlage zum Teil erst jetzt anfangen, die Auslagen ihrer
Mitarbeiter im Falle der Berichterstattung über Firmen wie etwa VW selbst zu
bezahlen. Der Springer-Verlag ist da übrigens mit gutem Beispiel vorangegangen.
ef: Sie sind selbst im Internet mit einer
Art Guerilla-Journalismus tätig geworden und finden dort mit Ihren
Internetseiten auch mehr und mehr Leser. Ist das grundsätzlich eine
erfolgversprechende Möglichkeit, die Blockade der großen Verlage zu brechen?
Selenz: Es sind in vielen Fällen gar
nicht die üblichen Verdächtigen, die blockieren. Abgesehen natürlich von
Verlagshäusern, die Angst um ihr Anzeigengeschäft haben. Informationsblockaden
zu den von mir aufgedeckten Betrugsvorgängen gibt es in aller Regel bei
Verlagshäusern, die im direkten Einflussbereich der SPD stehen. Bestes Beispiel
ist der Madsack-Verlag in Hannover. An einem der großen Standorte von VW hat
bis dato noch kein Hannoveraner in der örtlichen Tagespresse etwas über mein
„Schwarzbuch VW“ lesen können, geschweige denn über „Wildwest auf der
Chefetage“. Die VW-Mafia hat dieselben Wurzeln wie die Meinungs-Mafia und die
Justiz-Mafia in Hannover – die Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Daher
ist das Internet tatsächlich eine unverzichtbare Quelle unverfälschter
Informationen in Regionen, die durch ihre Tagespresse unter der Parteizensur
der SPD stehen. Ihr Begriff vom „Guerilla-Journalismus“ gefällt mir. Er
beschreibt sehr treffend den Kampf gegen die Meinungs-Mafia unter SPD-Regie.
ef: Die Enthüllungen in Ihrem Buch etwa
über das Jagdgebaren des „Patrons vom Rhein“, des Chefs der West- LB, Friedel
Neuber, erinnern stark an Überlieferungen aus osteuropäischen Diktaturen. Da
wird vorher der Wald für den Boss gefegt und es werden mit Subventionen aus
Brüssel schöne Pflanzen angelegt – und anschließend finden Saufgelage in
Kungelrunden statt. Und mittendrin der beste Freund vom Paten: Johannes Rau.
Ziehen die Auswahlkriterien der Politik und insbesondere die enge Verflechtung
von staatsnahen Unternehmen und Politik nicht gerade solche dubiose Typen an?
Und sind nicht die ehrlichen in diesem schmutzigen Geschäft ganz automatisch
die Dummen?
Selenz: Die Auswahlkriterien, die
Sie beschreiben, sind die logische Konsequenz einer Justiz, die unter einem
schweren Webfehler leidet. Solange Politiker in Deutschland sich selbst an den
eigenen Haaren aus kriminellen Vorgängen ziehen können, sind wir von einem
wirklichen Rechtsstaat noch weit entfernt. Kriminelle deutsche Politiker sind
Richter in eigener Sache. Wir blicken zwar mit Abscheu und Verachtung auf die
mafiösen Verhältnisse in Italien, übersehen dabei aber geflissentlich dieselben
Mafia-Strukturen in Deutschland. Um die Betrugsflüge von Ministerpräsident Rau
zu vertuschen wurde etwa ein nachweisbar unschuldiger Pilot der
Fluggesellschaft PJC als angeblicher Drogenkurier verurteilt, obwohl er zum
Zeitpunkt des angeblichen Drogentransportes nicht in Venezuela war, sondern in
Südostasien. Eine Auftragsjustiz in Düsseldorf hat das nicht daran gehindert,
einen Unschuldigen für Jahre hinter Gitter zu schicken. Man benötigte einen
Sündenbock zum späteren Vorzeigen. Vor dem Untersuchungsausschuss des
NRW-Landtages zur Flugaffäre wurde dieser unschuldig verurteilte Mann zum
Ergötzen der Journalistenmeute tatsächlich in Ketten vorgeführt. Wie ein wildes
Tier im Kolosseum im alten Rom. Gangster in Nadelstreifen à la Neuber werden in
diesem unserem Lande geschützt durch abhängige Paten in der Politik à la Rau.
Dieses Duo Infernal war durch vielfältige ungesetzliche Vorgänge aufs engste
miteinander verbunden. Der Ehrliche oder der Schwache, da liegen Sie richtig,
ist in diesem schmutzigen deutschen Rechtsrahmen tatsächlich automatisch der
Dumme.
ef: Können Sie im Fall des
Ex-Bundespräsidenten Rau bitte deutlicher werden?
Selenz: Nun, das Duo Infernal Rau
und Neuber hat alle Vorgaben des Aktiengesetzes und des Strafgesetzbuches
missachtet. Johannes Rau hat den Jet der Fluggsellschaft PJC zu nachweisbar
betrügerischen Bedingungen benutzt. Obwohl er anfangs abstritt, überhaupt
geflogen zu sein, liegen mir Unterlagen vor, die belegen, dass die Flüge direkt
von der Staatskanzlei bestellt wurden. Sie wurden auch mit der Staatskanzlei
abgerechnet. Dabei kam es zu unglaublichen Betrugsvorgängen. Die West LB hat im
Nachgang die betrügerisch überhöhten Rechnungen lediglich bezahlt. Mir liegen
alle Originalabrechnungen der Firma PJC vor, so dass ich diese Betrugsvorgänge
unmittelbar belegen kann. Gründe für die überhöhten Rechnungen wurden im Zuge der
Befragung innerhalb des parlamentarischen Untersuchungsausschusses des
NRW-Landtages zu Protokoll gegeben. Sie eignen sich nicht für eine Darstellung
in der Öffentlichkeit! Obwohl seine Parteigenossen die außerordentlich trübe
Historie dieses scheinheiligen Mannes kannten, machten sie ihn zum
Bundespräsidenten. Damit hat man der Bundesrepublik Deutschland schweren
Schaden zugefügt. Es gibt sicherlich wenige Menschen in Deutschland, deren
wahre Vita so sehr von ihrem Bild in der Öffentlichkeit abweicht, wie bei
Johannes Rau.
ef: Um den Nebel etwas zu lichten:
Johannes Raus letztlich vom Steuerzahler bezahlte Vorlieben unterscheiden sich
von denen einiger VW-Betriebsräte in Wolfsburg eher in der praktizierten Höhe
über dem Meeresspiegel als prinzipiell, ja?
Selenz: Alles, was ich dazu sagen
möchte, habe ich in Form einer Strafanzeige bei der Generalstaatsanwaltschaft
Berlin vom 28. Oktober 2003 formuliert. Meine Anzeige ging in Berlin
„verloren“. Daraufhin habe ich sie erneut nach Berlin geschickt. Eine Reaktion
unterblieb allerdings wieder. Im Übrigen liegen alle wesentlichen Unterlagen
nicht nur zum Fall Rau dem Generalbundesanwalt und anderen zuständigen
Dienststellen vor.
ef: Bei all den moralischen Abgründen und
möglicherweise echten Straftaten, die ungeahndet bleiben: Haben Sie auf der
anderen Seite auch anständige Menschen in diesem Umfeld kennengelernt?
Selenz: Ich lege schon Wert auf die
Feststellung, dass die Straftaten nur bisher ungeahndet blieben. Ich setze mich
dafür ein, dass sie im Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland schließlich doch
noch geahndet werden. In diesem Zusammenhang spielt die Europäische Union eine
immer wichtigere Rolle. Betrugsvorgänge wie die bei VW und bei der West
LB/Preussag-Gruppe sind mittlerweile international. Da reicht der alte Teppich
der Deutschland AG nicht mehr aus, um den Schmutz – wie bis dato üblich –
darunter zu verstecken. Das erfreulichste Kapitel bei meiner Arbeit für die
Wiederherstellung rechtsstaatlicher Verhältnisse sind die Menschen, die ich bei
meiner Arbeit kennengelernt habe. Ohne die Hilfe vieler mutiger Bürger wäre ich
nie in den Besitz der Unterlagen gelangt, die ich benötige, um die bislang
ungeahndeten Straftaten belegen zu können. Dabei gehe ich stets vom
Originalmaterial aus, um unangreifbar zu sein. Die Resonanz auf meine Bücher
ist zudem schon so groß, dass ich mit dem neuen Material bereits das
Schwarzbuch VW II auf Kiel legen kann. Wir stehen also erst am Anfang eines
langen und steinigen Weges.
ef: Sie haben sich mit Ihren Büchern sicherlich
nicht nur Freunde in sehr einflussreichen Kreisen gemacht. Hat man da nicht
mitunter auch Angst?
Selenz: Meine Familie und ich
standen zur Jahreswende 1997/98, als ich mich als Mitglied des Vorstandes
weigerte, den gefälschten Jahresabschluss der Preussag AG zu unterschreiben,
unter Polizeischutz. Die Landesregierung unter Gerhard Schröder befürchtete
Übergriffe aus dem Umfeld des als „Schwerstkrimineller“ bezeichneten West
LB-Chefs Friedel Neuber.
ef: Zwischenzeitlich haben Sie sich auch
politisch in der FDP und dann in der Schill-Partei versucht. Aus beiden
Parteien sind Sie dann recht schnell wieder ausgetreten. Warum?
Selenz: Ich habe versucht, das Thema
Rechtsstaatlichkeit über die Politik zu bewegen. Dabei musste ich feststellen,
dass sowohl die FDP als auch die Partei Rechtsstaatlicher Offensive weder
willens noch in der Lage waren, meine Forderung und die des Deutschen
Richterbundes nach Aufhebung der Weisungsgebundenheit deutscher Staatsanwälte
zu unterstützen. Die FDP hat sich in der Parteispitze für das Thema gar nicht
interessiert. Die Partei Rechtsstaatlicher Offensive war leider in ihrer Spitze
nur viert- bis fünftklassig besetzt und damit gar nicht in der Lage, ihr
eigenes Parteiprogramm umzusetzen. Es ging da nämlich nicht um „rechts“ oder
„links“, sondern um „Rechtsstaatlichkeit“ und die Befolgung unserer Gesetze. In
dieser Zeit habe ich allerdings die korrekten Richter und Staatsanwälte
kennengelernt, die mich heute tatkräftig unterstützen.
ef: . . .auf ihrem jetzt nicht mehr politischen,
sondern publizistischen Weg?
Selenz: Genau. Ich habe sehr schnell
herausgefunden, dass ich mein Ziel und das des Deutschen Richterbundes sehr
viel schneller und effektiver über publizistische Aktivitäten befördern kann.
Wenn man den Menschen aufzeigt, dass wir tatsächlich in einer Bananenrepublik
Deutschland leben, multipliziert man seine Kräfte, weil dann auch andere sich
für dieses Ziel einsetzen.
ef: Handelt es sich bei näherer
Betrachtung des Wilden Chefetagen-Westens nicht eher um ein Problem der Politik
und Politikverflechtung – und weniger um ein Problem des Kapitalismus als
solchem?
Selenz: Hier handelt es sich einzig
und allein um ein Problem der nicht vorhandenen Rechtsstaatlichkeit in
Deutschland. Solange Politiker und ihre reichen Freunde aus der staatsnahen
Wirtschaft die Justiz nach eigenem Gusto legal aushebeln können, wären sie ja
dumm, wenn sie es nicht täten. Die Preussag investierte schließlich 20
Millionen D-Mark pro Jahr über die neutrale Schweiz, um Politik und Justiz zu beeinflussen.
Regierungskriminalität ist nur zu bekämpfen, wenn Staatsanwälte Anwälte des
Staates sind und nicht Anwälte der Staatspartei, wie es zur Zeit bei uns der
Fall ist. Das Problem der Wild-West-Chefetagen haben wir wegen dieses schweren
Webfehlers unseres Rechtssystems nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in
anderen Bereichen, in denen Politiker Einfluss auf die Justiz nehmen können.
Politiker in Deutschland sind damit Richter in eigener Sache. Eine gottgleiche
Position für Menschen mit sehr oft zweifelhafter Charakterstruktur, womit wir
wieder bei Johannes Rau wären.
ef: Was an sich ein runder Schluss wäre.
Doch Johannes Rau war – wie es jeder bei Ihnen nachlesen kann – der ganz
besondere Parteifreund sprich Intimfeind von Gerhard Schröder. Deshalb
abschließend: Was bleibt von Ihrem alten Dutzfreund, dem scheidenden Kanzler?
Selenz: Gerhard Schröder ist sicher
kein Unmensch. Er ist vor allem ein genialer Polit-Schauspieler. Inhalte und
Substanz waren da leider oft zweitrangig. Er hat so gehandelt, wie es für ihn
als Politiker am günstigsten war. Das tun heutzutage fast alle Politiker in
einem auf Vordergründigkeit angelegten Medienumfeld. Daher will ich ihn dafür
nicht verdammen. Was ich allerdings vermisst habe – und das gebe ich ihm mit
auf den Weg – ist die Tatsache, dass er in voller Kenntnis der kriminellen
Abläufe innerhalb der West LB/Preussag-Gruppe die rote Karte zog, das heißt,
die Staatsanwaltschaft tatsächlich in Marsch setzte. Er hat seine Kenntnisse
der Betrugsabläufe nur für seine persönliche Politkarriere benutzt. Ob das ein
gutes Zeugnis für einen Kanzler der Bundesrepublik Deutschland ist, muss jeder
Bürger für sich selbst entscheiden.