Gleichschaltung der autoritären BRD
Die fortschreitende
Restauration eines Sozialsystems, »das auf Unterschieden der gesellschaftlichen
Privilegien, auf Unterschieden der Chancen zur Entfaltung individueller
Produktivkräfte und auf ungleichen Möglichkeiten zur Mitbestimmung bei den für
alle Schichten gleich wichtigen Angelegenheiten« beruht, kurz: eines Systems
von Klassenherrschaft, brachte erneut
Charakteristika des autoritären Staats hervor. Wer den für die Restauration
wesentlichen Elementen der Regierungspolitik und ihren Verfechtern nicht
zustimmte, galt entweder als Dummkopf oder als (halber) Verbrecher. Solche Diffamierungen sind also nicht erst
von heute. Sie trafen ‑ die SPD ‑ ob nun wirklich noch
oppositionell oder schon nicht mehr ‑, die Gewerkschaften, linke und
liberale Intellektuelle, Studenten, Journalisten, Redakteure und
Schriftsteller.
Gleichschaltungs‑Tendenzen
im Nachrichtenwesen (Presse-Agenturen)
und der Massenkommunikation (Tageszeitungen,
Rundfunk, später Fernsehen, Illustrierte) wurden zwar schon in den ersten
Jahren der Bundesrepublik spürbar: 1952 war die dpa (Deutsche Presse‑Agentur),
1953 der Norddeutsche Rundfunk (NDR) bis 1955 der Publizist Paul Sethe (FAZ) Objekt heftiger Attacken vonseiten des Bonner Bundeskanzleramts, aber
erst gegen Ende des Jahrzehnts begannen diese Gleichschaltungs‑Tendenzen ‑
im Urteil liberaler Kritiker ‑ das Gesicht der »öffentlichen Meinung« zu
bestimmen. »Restaurativ« war auch die anwachsende, und heute unvorstellbare,
Konfessionalisierung der Öffentlichkeit. Eine heilige Allianz von
Ordnungsmächten: Regierung, Kapital, Katholizismus, verbündet mit der
kleinbürgerlichen (und öfters nationalistischen) Mentalität in breiteren
Bevölkerungs‑Schichten, sorgte für die Durchdringung des Landes mit Tabus, die nicht nur die freie
Gestaltung des geistigen und kulturellen, sondern auch die Entfaltung des
politischen Lebens einengten und bedrohten (und, als eine latente Gewaltform
bürgerlicher Herrschaft, bis in die zwischenmenschlichen, nachbarlichen Beziehungen
hinein wirksam wurden). »Metternich in
Bonn« hieß eine Schlagzeile in konkret,
13, 1961, S. 4. Es hatte sich Ende
der 50er Jahre, nach zögernden Anfängen ‑ ein richtiges System
regierungskonformer Sprachregelungen ausgebildet, ein »unausgesprochenes
Gesetz« für Berichterstattung, Kommentar und öffentliche Erörterung, das alle
gesellschafts- oder sozialkritischen Äußerungen (ohne Rücksicht auf ihre politische
Herkunft und Zielsetzung!) unter wenige schimpfwortartige Stereotype brachte:
marxistisch, ideologisch, dogmatisch, unzeitgemäß; und die, die noch Kritik
übten, unter die Stereotype »Outsider«, »Utopisten«, »Pinscher«. Wer Ereignisse
in Deutschland oder in der Welt anders als »erwünscht« kommentierte, galt sehr
leicht als Teil der fünften Kolonne (des
Kommunismus, der DDR, der SU); in manchen Zeitungen kurz und grob als
»Handlanger Ubrichts« (und natürlich als Wirrkopf).
Willy Brandt 1960: »Nach der
größten Katastrophe unserer Geschichte ( ... ) ist das Mißtrauen gegenwärtig
tonangebender Kreise gegen jede Kritik aus dem Bereich des Geistes nicht selten
so groß, daß eine ( ... ) degradierte, eine dem Angebot und der Nachfrage
unterworfene Verbrauchskultur weithin dem kritischen Intellekt vorgezogen
wird.«
Quelle: Auszug aus "Gott und Metternich in Bonn" in
"Ulrike Marie Meinhof und die deutschen Verhältnisse" von Peter Brückner,
Berlin 1976, S. 29 - 31
Anmerkung: Später wurde die unter dem Katholiken und Rotarier Konrad
Adenauer "gleichgeschaltete" Deutsche Presse-Agentur (dpa) von der
Freimaurerei gekapert und als eine gegenüber den USA und Israel
liebedienerische Veranstaltung gefestigt.