Gerhard Schirmer
Schrift über Sachsenhausen und Workuta verboten
Der spätere Bundeswehroberst
Gerhard Schirmer kam 1945 als Wehrmachtsoffizier nach Flucht aus englischer in
Mitteldeutschland in sowjetische Gefangenschaft und erlebte dann bis 1950 die
unmenschliche Haft im weitergeführten Konzentrationslager Sachsenhausen und
anschließend bis 1956 die Hölle von Workuta nördlich des Polarkreises. Als
wertvollen Bericht eines Zeitzeugen schrieb er sachlich und mit Belegen über
seine Erlebnisse die Schrift "Sachsenhausen ‑ Workuta. Zehn Jahre in
den Fängen der Sowjets", die 1992 im Grabert‑Verlag, Tübingen,
erschien und seitdem mehrere Auflagen erlebte. Unter anderem berichtet er
darüber, wie er im Herbst 1945 mit Mithäftlingen eine Gas‑ und
Genickschußkammer bauen mußte, die dann jahrelang Besuchergruppen als angeblich
von den "Nazis" errichtet und benutzt vorgeführt wurde. Auch führt er
Gespräche mit von den Sowjets weiter inhaftierten Juden an, wonach die Russen
1939 bis 1941 aus den von ihnen besetzten polnischen Gebieten mindestens 1,4
Millionen Juden nach Osten deportierten.
Am 12. September 2002 wurde
diese seit mehr als zehn Jahren laufende Schrift aufgrund eines Beschlusses des
Amtsgerichts Tübingen (Az.: 4 Gs 937/02) vom 21.8.2002, der auf Antrag der
Tübinger Staatsanwaltschaft (Az.: 15 Js 11941/02) ergangen war, ohne vorherige
Anhörung beim Verlag beschlagnahmt und ihr Vertrieb bundesweit verboten.
In der schriftlichen
Begründung des stark in die Pressefreiheit eingreifenden Einziehungsbeschlusses
wird dem Verfasser "teilweise Leugnung", "Bagatellisierung"
und "Verharmlosung" des Völkermordes an den Juden (§ 130 Abs. 2, 3
und 4 StGB) vorgeworfen. Als Belege dafür werden einzelne aus dem Zusammenhang
gerissene Zitate angeführt, z.B. Vergleiche mit der Zahl der deutschen Bombenopfer,
die Erwähnung der "jüdischen Kriegserklärung" vom 24. März 1933 oder
Gedanken darüber, warum die Alliierten ‑ sowohl in West als auch in
Mitteldeutschland ‑ nach Kriegsende Gaskammern bauen ließen und sie mit
falschen Erklärungen vorführten.
Die Bestrebungen nach einer
einseitigen Geschichtsdarstellung bestehen seitens gewisser Kreise also immer
noch. Glaubwürdige Zeitzeugen sollen, wie in diesem Falle ein angesehener
Bundeswehroberst a.D., der Öffentlichkeit vorenthalten werden. Bedauerlich und
unseres Rechtsstaates unwürdig ist, daß eine politisierte Justiz aufgrund vor
einiger Zeit eingeführter dehnbarer Sonder‑Strafrechtsparagraphen sich zu
dieser Einschränkung der Meinungsfreiheit mißbrauchen läßt.
aus: " Das Freie Forum " Nr. 4 / Nov. 2002
Kommentar:
In einem Rechtsstaat kann es
keine politisierte Justiz geben; denn ein solcher verfügt aufgrund seiner
parlamentarischen Kontrollinstanzen über die Mittel und hat auch die Pflicht,
ein gesetzwidriges Abdriften seiner Justiz zu verhindern. Da er diese Pflicht
nicht wahrnimmt, sondern sogar offen in die Unabhängigkeit des Richters
eingreift, um ein anderes Urteil in seinem Sinne zu erhalten (Kohl‑Deckert,
Walendy, u.a.) und durch Gesetze mit entsprechenden Kommentaren diese Tendenz
fördert, kann sich letztlich nicht Rechtsstaat nennen. Allein die Wahl der
Richter nach dem Parteienproporz und nicht ausschließlich nach Befähigung und
Würde für das Amt in demokratisch geheimer Wahl durch das Volk, stellt zusammen
mit dem Wahlgesetz und dessen unausbleiblichen Folgen nicht nur einen Betrug
des Bürgers, sondern Hochverrat am Prinzip der Demokratie dar.
In der ersten in Deutschland
erlassenen Direktive ICG 1067 der amerikanischen Militärregierung im April 1945
steht geschrieben:
"Deutschland wird nicht mit dem Ziel der Befreiung besetzt werden,
sondern als eine besiegte feindliche Nation zur Durchsetzung wichtiger
alliierter Interessen."
In Erfüllung und Durchsetzung
dieser Interessen erließ der alliierte Kontrollrat eine große Anzahl
Kontrollratsgesetze und US‑Zonengesetze. Diese Gesetze haben auch heute
nicht ihre Gültigkeit verloren oder wurden als Bundesgesetz übernommen, So auch
das Kontrollratsgesetz Nr. 4 vom 30. Oktober 1945: Reorganisation des Deutschen
Gerichtswesen.
Hier sehen wir nun, wo der
Hund begraben liegt und brauchen uns über die Gutmenschen und ihre Justiz nicht
zu wundern. Haben wir etwa den Fall Schröder-Sebnitz schon vergessen? Im
übrigen sind die Besatzer mit ihrer Direktive noch in unserem Land. Frage: Wie
lange noch? Ist es nicht herrlich zu träumen, daß wir im "Freiesten
Rechtsstaat aller Zeiten" mit unseren Freunden im tiefsten Frieden leben
dürfen ‑ auf immer und ewig?
Quelle: Anzeiger der Notverwaltung des Deutschen Ostens im Deutschen
reich, 24361 Groß Wittensee, Heft 2 / 2003, S. 15 f