Generalüberholung der Republik

 

Berlin ‑ Der Historiker und Publizist Arnulf Baring plant eine neue Bürgerinitiative. Derzeit wirbt Baring bundesweit um Unterstützung für eine Resolution unter dem Titel "Bürger, auf die Barrikaden". "Schluss mit 'DDR‑Light'" heißt es in dem Thesenpapier. Baring fordert darin eine "Kraftanstrengung zur Generalüberholung der Republik". Er diagnostiziert eine "tiefe Krise" mit den Symptomen "steigende Arbeitslosigkeit, drohender Rentenkollaps, unbezahlbare Gesundheitssysteme, ausufernde Bildungsmisere und kontinuierlicher Geburtenrückgang".

 

Das Steuer‑ und Abgabensystem sei "wirr und zu kompliziert, und damit ungesetzlich geworden", heißt es in dem Papier, das der WELT vorliegt. Besonders scharf werden die Gewerkschaften kritisiert: "Sie hatten früher ihre Verdienste. Heute kämpfen sie wie Dinosaurier ums Überleben, vertreten nur noch 15 % der Beschäftigten", heißt es. "Die Arbeitslosen und die Menschen, die sie mit den durchgesetzten Lohnerhöhungen in die Arbeitslosigkeit treiben, sind ihnen gleichgültig." In den Thesen fordert Baring auch, nach dem Vorbild Nordrhein‑Westfalens Gesetze mit Verfallsdatum zu versehen. "Als Bürger dieses Landes" müssten alle reagieren. "Verbinden wir uns, schließen wir uns zusammen und wählen wir ‑ wählen wir immer wieder jene ab, die uns mit falschen Versprechungen in die Irre führen, die nicht einschneidend umgestalten, die uns belügen und als Meister von Orwells 'New Speak' bis weit in die Medienlandschaft hinein die Szene beherrschen."

 

Baring, 71, war von 1952 bis 1983 Mitglied der SPD, bis er wegen Unterstützung von Hans‑Dietrich Genscher im Bundestagswahlkampf 1983 aus der Partei ausgeschlossen wurde. Baring hatte am 19. November vergangenen Jahres durch einen Essay in der FAZ auf sich aufmerksam gemacht, in dem er das Bürgertum zum Widerstand gegen die politischen Verhältnisse aufrief.

Quelle: Die Welt, 13. Juni 2003, Seite 2