Volksentscheide als Medizin gegen den totalen Parteienstaat
Vater Staat - das war einst ein geflügeltes Wort. Und damit war eigentlich alles gesagt. Heute klingt das Wort seltsam fremd. Denn schaut man sich den Umgang mit Steuergeldern, den Filz und die seit Jahrzehnten betriebene Abtreibung des deutschen Volkes an, kann man nicht mehr von einem »Vater« Staat sprechen.
Wo liegen die Gründe für diesen Wandel? Der Buchautor und Rechtsanwalt
Klaus Kunze gibt in seiner Abhandlung »Das Plebiszit als Sollbruchstelle des Parteienstaates« eine Antwort:
Die Parteien haben sich den Staat zur Beute gemacht und einen totalen Parteienstaat errichtet. Kunze
nennt das den Absolutismus der (Parteien-)
Gesellschaft.
Einen Staat, wie ihn sich die meisten
Menschen gerne vorstellen - unparteiisch, unbestechlich und auf das Gemeinwohl achtend - den gebe es nicht in diesem
Land. Auch wenn in Fernsehen, Presse und
Rundfunk Tag für Tag in fast religiöser Form die Werte der Demokratie und Gewaltenteilung
gebetsmühlenartig wiederholt werden, so
sehe die Realität doch völlig anders aus.
Gemeinwohl
gegen Einzelinteressen
Jeder
kennt das Problem: Wenn alle nur ihre
(durchaus berechtigten) Interessen
durchsetzen wollen und keiner das große Ganze im Blick hat, kann nichts
Gutes dabei herumkommen, weder in der Familie, noch in der Firma, schon gar
nicht in einem Land. Deshalb braucht ein gesundes Gemeinwesen eine unbestechliche
Instanz, die darüber wacht, daß das große Ganze, z.B. der Staat, nicht aus den
Augen verloren wird, wenn einzelne Interessengruppen
ihre Anliegen vorbringen und durchsetzen wollen.
Nach jahrhundertealter Tradition ist
laut Kunze die Regierung, als König oder als Kanzler, für die Interessen des Staates eingetreten,
während im Parlament die Einzelinteressen verschiedener gesellschaftlicher
Gruppen vorgebracht wurden. Dies konnte nur sinnvoll funktionieren, wenn beide Teile unabhängig voneinander und
die Machtverhältnisse einigermaßen ausgeglichen waren. Ist dies nicht der
Fall, komme es regelmäßig zu einem zerstörerischen
Ungleichgewicht: Entweder unterdrücken König bzw. Regierung
rücksichtslos die Interessen gesellschaftlicher Gruppen, oder aber gesellschaftliche Gruppen bestimmen die Politik und unterhöhlen damit die Idee des
Staates als Gemeinwesen mit der Folge, daß sich jeder nur noch am Staat
bedient und keiner mehr sein erster Diener sein
will, wie Friedrich der Große es
einst als Aufgabe eines Königs formuliert hatte.
Aufhebung
der Gewaltenteilung
Die
fehlende Unabhängigkeit von Staat und gesellschaftlichen Gruppen, so Kunze weiter, kann man
heutzutage daran ablesen, daß alle wesentlichen Staatsgewalten in der Hand von
(gesellschaftlichen) Parteien sind. »Die Gewaltenteilung wird dadurch
unterlaufen, daß ein und dieselbe Partei etwa im Bundestag die Gesetze macht,
als Regierungspartei anwendet und durch parteikonforme Richter überprüfen läßt. Die institutionelle Trennung der
Gewalten wird praktisch bedeutungslos vor
dem Hintergrund der gemeinsamen Parteizugehörigkeit der jeweiligen
Amtsträger.« Man könne den Staat und die Parteien kaum noch auseinanderhalten,
da es so gut wie keine parteilosen Machtträger mehr gebe. Die Parteien hätten
sich den Staat zur Beute gemacht, lassen
sich von ihm finanzieren und beherrschen zudem den halbstaatlichen
Bereich wie das Fernsehen uneingeschränkt. Mißliebige
Konkurrenten können dadurch ohne weiteres zu Staats-
oder Verfassungsfeinden erklärt werden.
Die
Durchwucherung des Staates durch die Parteien in unserem Land zerstört das,
was uns als Volk in unserem eigenen Interesse zusammenhalten müßte. Der Staat versagt in seiner wichtigsten
Aufgabe, nämlich das große Ganze, also das
deutsche Volk und seine Interessen, zu repräsentieren und zu schützen. Kunze sieht einen wichtigen Grund dafür in der unumschränkten Macht des Bundestages. Der Bundestag
mache die wesentlichen Gesetze, bestimme zusammen mit dem Bundesrat die
Verfassungsrichter, bilde mit der Wahl des Kanzlers eine von ihm jederzeit
abhängige und kontrollierbare Regierung und
habe das Recht, die Verfassung zu
ändern bzw. die verfassungsmäßigen Grenzen seiner Macht selbst zu
bestimmen. Die Souveränität des Volkes dagegen bleibe eine Fiktion, so Kunze, da »Volksabstimmungen
[...] im Grundgesetz zwar als möglich vorgesehen, aber nicht in
effektiv wirksamen Einzelgesetzen geregelt
(sind).«
Abhängige
Abgeordnete
Abgeordnete,
die laut Grundgesetz Entscheidungsfreiheit haben, seien in der Realität in
ein Geflecht von persönlichen Abhängigkeiten mannigfacher Art eingebunden und
unterliegen einer überaus strengen Fraktionsdisziplin. Wer ausschere, werde nicht wieder auf die Wahlliste gesetzt, so
daß die Parteien ihre entsandten Abgeordneten über die Listenwahl beherrschen. Durch die hohe Ämterkombination
zwischen Partei- und Parlamentsamt und Regierungs- und Verwaltungsamt haben die Parteien neben das innere Gerüst
staatlicher Strukturen ein personell identisches zweites Gerüst gesetzt.
Parteien
als Postenverteilkartelle
Aber
es gibt doch unterschiedliche Parteien, könnte ein müder und satter Optimist
einwenden. Durchaus geben sich die regierenden
Parteien die unterschiedlichsten Namen, aber vor dem Hintergrund einergrundsätzlichen ideologischen Übereinstimmung, erklärt
Kunze, »spielt es keine Rolle mehr, ob
sich der totale Parteienstaat als Mehrparteienstaat zeigt, als Blockparteienstaat oder als
Einparteienstaat. Die Macht befindet sich vollständig in den Händen eines
Parteienkartells, dessen Teilsysteme nach
außen hin Schaukämpfe austragen, inhaltlich
aber nicht für Alternativen stehen. Ihr Wahlkampf ist Schwindel, weil
er programmatische Verschiedenheit
vortäuscht. Es ist, mit den Worten George Orwells aus seinem Roman 1984 gesprochen,
das gleiche wie die Kämpfe zwischen
gewissen Wiederkäuern, deren Hörner
in einem solchen Winkel gewachsen
sind, daß sie einander nicht verletzen können. Wenn es aber auch nur ein
Scheingefecht ist, so ist er doch nicht zwecklos, [sondern] hilft, die
besondere geistige Atmosphäre aufrecht und unsere Gesellschaftsstruktur intakt
zu halten. So besteht der Zweck der Großparteien
heute hauptsächlich darin, Wahlverein für
den einen oder den anderen Kanzler
zu sein: Postenverteilungskartelle auf Dauer.«
Daß
sich dabei vor allen Dingen eines vermehrt - und zwar das Geld - gehört dazu.
Kunze sieht in der völligen Ökonomisierung der Gesellschaft eine wichtige
Unterstützung für die totale Parteienherrschaft: Alles werde in Geldeinheiten
gerechnet, alles was zähle, ist das, was
Geld einbringe. Geld kennt bekanntlich keine
Grenzen. Und so sprechen denn auch die Parteien immer seltener von
Staatsbürgern, um deren Wohl zu verteidigen man angetreten ist, sondern
vielmehr von den Wählern, den Verbrauchern,
den Arbeitnehmern, den Kostenverursachern und ähnlichem mehr.
Wer es geschafft hat, in und mit den Parteien Karriere zu machen und seine Schäfchen ins Trockene
zu bringen, dem erscheinen selbstverständlich Begriffe wie drohende
Arbeitslosigkeit oder Überfremdung wie
Hieroglyphen aus einer fernen Zeit. Die oft verteidigten »Rechte und verfassungsgemäßen Pflichten« der Parteien
sind gewöhnlich nichts anderes als Maßnahmen, den weiteren Machterhalt zu sichern.
Selbstverständlich
bedient man sich, wie Kunze nachweist, auch
anderer Methoden, deren Effektivität
im Laufe der Geschichte bewiesen ist. Zunächst werden der Verfassung »ideologische Inhalte untergeschoben,
vor denen die Verfassungsväter sich unter
dem Eindruck zweier Totalitarismen schaudernd
abgewandt hätten.« Dieser Prozeß der Umdeutung unserer freiheitlichen Rechtsordnung in
eine totalitäre Parteienideologie sei in vollem Gange.
Verfassungsschutz
gegen unliebsame Konkurrenz
Im
nächsten Schritt erhalten oftmals diejenigen, welche sich gegen die totale
Parteienherrschaft und die Zersetzung des Staates äußern, einen Überraschungsbesuch
vom Verfassungsschutz. Dieser ist laut
Kunze zum Instrument der Parteienherrschaft geworden, denn die
Gesinnungsblockwarte sitzen nicht mehr »nur« in den Medien. Es sei schon
schlimm genug, daß es eine
Zentralverwaltung Wahrheit in Deutschland nach 1945 und nach 1989 wieder
gebe. Schlimmer noch, daß sie die Frechheit besitze, jedem ihre Propaganda auf
Hochglanzpapier aus unseren Steuergeldern kostenfrei in Haus zu schicken. »Am
schlimmsten aber ist es, daß ihre Ideologie
auf dem Wege über nachrichtendienstliche Beobachtungsmaßnahmen, Disziplinarmaßnahmen
und im Strafrecht Eingang in die Rechts- und Verfassungsordnung findet [...] Nach Art. 18 GG „verwirkt“ die Grundrechte
der Meinungsäußerung, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit, des Brief-, Post und Fernmeldegeheimnisses,
ja sogar dasjenige auf Eigentum, wer sie „zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht.“« Zumindest kann niemand
bemängeln, daß hier nicht aus der Geschichte gelernt worden sei.
Wege
aus dieser Krise
Was
kann dagegen getan werden? Zunächst sei es natürlich möglich, einen direkt
gewählten Präsidenten, der das Staatsinteresse gegenüber den Parteien vertritt, an die Spitze des Landes zu
stellen, ähnlich wie es in den USA der Fall sei. Dies sei auch mit der
freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Bundesverfassungsgerichtes
vereinbar, erklärt Kunze und erwähnt, daß die Türkei ein solches präsidiales
System gerade im Oktober 2007 eingeführt habe.
Es
gibt laut Kunze aber noch einen anderen Weg, dem totalen Parteienstaat
sinnvoll entgegenzutreten: Volksentscheide bzw. Volksabstimmungen. Denn »etablierte
Machteliten (scheuen) nichts mehr, als ihre Herrschaft und ihre
Entscheidungen durch allgemeine Abstimmungen zu gefährden.« Deswegen denunzieren die selbsternannten Verteidiger
von Demokratie und Rechtsstaat auch regelmäßig freie Volksentscheidungen »als
gefährliches Spiel mit dem Feuer«.
Nominell
sei das Volk der Souverän, aber
entscheiden dürfe es nur begrenzt.
Das Einfordern von Volksentscheidungen schwäche also zum einen das
Parteiensystem und damit die Herrschaft von
profitsüchtigen Cliquen, zum anderen offenbare es auch das unrechtmäßige Herrscher-Gebaren der
Parteien. Jede Partei, die sich gegen Volksentscheide wende, könne dann als undemokratisch
entlarvt werden, »bis die Zahl seiner Verteidiger so weit abnimmt, daß sie
dem Veränderungsdruck nicht mehr standhält.« Alle Reizthemen, die zeigen, daß das Volk längst nicht mehr das denke, was Parteipolitiker und Medien verkünden, müßten mit einem
Volksentscheid belegt werden, der den zwangsläufigen
Widerstand der Parteien hervorrufe und ihnen die Maske vom Gesicht reiße. Es müßte die demokratische
und direkte Wahl von Machtträgern gefordert werden, die der Alleinherrschaft
der Parteien ein Ende setzen würde.
Hilfe
kommt nicht von oben
Was machen wir also mit »Vater« Staat?
Es ist die Sorge um das große Ganze, welche die Zukunft bestimmen muß, und
nicht die Sorge um Erfüllung kurzfristiger
oder finanzieller Wünsche. Von »oben«, von den Parteien wird in dieser Hinsicht
überhaupt nichts kommen, wenn man Kunze
in seinen Grundannahmen folgt - im Gegenteil. Vater Staat entsteht auf einer
ganz anderen Ebene: In Sportvereinen, in denen es nicht ums »Fit-Bleiben«
geht, sondern um Körperertüchtigung, gemeinsames Siegen und anständiges
Verlieren. Bei Stammtischen, bei denen nicht das »Unter-Leuten-Sein«, sondern
der gemeinsame, freie Gedankenaustausch im Vordergrund steht. Oder in der Familie,
die nicht mehr als finanzielle Belastung, sondern als eine der wichtigsten
Zukunftsaufgaben gesehen wird. Überall kann unser Land in freier Tat ein Stück
weit aus dem Sumpf der Parteien-Landschaft
gezogen werden. Bloß keine Hilfe »von oben«!
Beide
Aufsätze können Sie gegen Kostenerstattung anfordern: UN-Archiv 12073 (30
Seiten).
UN
– UNABHÄNGIGE NACHRICHTEN, Postfach 101706, D-46017 Oberhausen,
Telefon:
0208-840132, Telefax: 0208-8487057
»Das
Grundübel unserer Demokratie
liegt darin, daß
sie keine ist. Das
Volk, der nominelle
Herr und Souverän,
hat in Wirklichkeit
nichts zu sagen.
Besonders kraß ist
es auf Bundesebene
entmündigt,
obwohl gerade dort
die wichtigsten
politischen
Entscheidungen
fallen.«
Prof. H. H. von Arnim, vgl. UN 12/1995
Quelle: UNABHÄNGIGE NACHRICHTEN 12 / 2007 / 6 – 8
Anmerkung:
Auch in der „Rechtsbeugermafia“ hatten wir die Einführung von Plebisziten auf
Bundesebene gefordert. Das Schweizer Modell ist unserem entschieden überlegen.
Es darf aber nicht verschwiegen werden, daß die rot-grüne Bundesregierung unter
Bundeskanzler Schröder einen solchen Gesetzesentwurf in den Bundestag
eingebracht hatte, der aber die für eine Verfassungsänderung erforderliche
Zwei-Drittel-Mehrheit verfehlte, weil die Union sich versagte. Es gab zuvor
eine einmalige Gelegenheit, die Union quasi zur Zustimmung zu zwingen, als
Bundeskanzler Kohl für Änderung des Asylrechts im späteren Art. 16 a GG die
Mitwirkung der SPD-Fraktion im Bundestag benötigte. Engholm verpasste damals
die Chance, auf diesem Wege über ein Kompensationsgeschäft Plebiszite auf
Bundesebene zu etablieren.