Faschistoide Denkweisen
Der Innenminister von Schleswig-Holstein,
Ralf Stegner (SPD), lehnt ein Verbot
der NPD ab bzw. hält es für unrealistisch. Statt sich nun auf die
politische Auseinandersetzung mit ihr zu
konzentrieren, wie sich das in einer parlamentarischen Demokratie und einem Rechtsstaat gehört, ruft er dazu auf, „gemeinsam nach Lösungen zu suchen, um die Unterstützer der Nazis öffentlich machen
zu können. Diese müßten öffentlich gebrandmarkt werden.“
Stegners
Äußerungen sind alarmierend. Denn „Nazi“ ist längst ein Sammelbegriff für
alle, denen Multikulti, Geschichtsklitterei
und Sozialmißbrauch nicht passen.
Und der Kreis potentieller Delinquenten wird noch größer, weil nicht nur die Nazis selber, sondern auch ihre „Unterstützer“ an den Pranger gestellt
werden sollen. Ein Synonym für „öffentlich
machen“ lautet „Öffentlichkeit herstellen“. Unter Öffentlichkeit wird das komplexe System gesellschaftlicher Kommunikations-, Informations- und Beteiligungsverhältnisse verstanden, das
die Entstehung und fortwährende Dynamik einer öffentlichen Meinung ermöglicht. Nur so ist Demokratie möglich.
Jürgen Habermas hat sich in seinem
Standardwerk „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ klug dazu geäußert. Er definiert Öffentlichkeit als ein „Netz für die
Kommunikation von Inhalten und Stellungnahmen“.
Der
promovierte Politikwissenschaftler Stegner (seine Dissertation heißt
„Theatralische Politik made in USA“) proklamiert nun einen radikalen Funktionswandel. Öffentlichkeit ist für
ihn der Ort der Brandmarkung, des Spießrutenlaufs,
eine Art Straflager. Die Brandmarkung ist eine mittelalterliche Strafe,
mit der Übeltäter für alle Zeiten als
solche kenntlich gemacht werden sollten. Mit dem Judenstern und der
Kennzeichnung von Deutschen in den Vertreibungsgebieten
erlebte das Verfahren im 20.
Jahrhundert eine schauerliche Renaissance.
In einer funktionierenden Demokratie würde Stegners Chef,
Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU), aufgeschreckt von einer
wachsamen Presse, seinen Minister scharf ins Gebet nehmen, um festzustellen,
ob die Brutalisierung seiner Sprache etwa einer
Brutalisierung seines Denkens entspricht.
Die Öffentlichkeit hat Anspruch darauf zu erfahren, wie Stegner sich die Brandmarkung vorstellt. Sollen die Namen,
Konterfeis und Adressen der NPD-„Unterstützer“ plakatiert, gesendet, ins
Internet gestellt werden, damit die
Sturmabteilung der Antifa weiß, wo und bei wem sie zulangen muß?
Unabhängig davon, ob die Äußerung des Ministers einen Anfangsverdacht nach Paragraph
240 (Nötigung), Paragraph 241 (Bedrohung) und Paragraph 241 a (politische Verdächtigung) rechtfertigt,
bekommt man den Eindruck, daß faschistoide
Denk- und Verhaltensweisen gerade
bei denen ausgeprägt sind, die sich
am lautesten dem Antifaschismus verschrieben haben.
Quelle:
Doris Neujahr in JUNGE FREIHEIT vom 1. Juni 2007 („Spießrutenlaufen, der
Volkssport des Sommers“)