Ernst Kanter

 

Vom obersten Kriegsrichter in Dänemark zum obersten Staatsschutzrichter in der Bundesrepublik Deutschland

 

Dr. Ernst Kanter (geb. 1895) trat 1936 in die neu eingerichtete Militärjustiz ein. Bereits ein Jahr später arbeitete er im Oberkommando des Heeres an dem Aufbau der Militärjustiz mit. Als dieser 1939 im wesentlichen abgeschlossen war, ging Kanter an die Front, natürlich nicht an die Front, an der geschossen wird, sondern an die Front der Strafrechtspflege; er wurde Mitglied des zweiten Senats des Reichskriegsgerichts. Hier bewährte er sich im Sinne der damaligen Machthaber so sehr, daß er am 11. 2. 1943 zum Wehrmachtsbefehlshaber in Dänemark versetzt und oberster Kriegsrichter im besetzten Dänemark wurde. Die Mititärjustiz dort war der Führung zu schlapp erschienen. Während bis dahin dort gegen die Zivilbevölkerung keine Todesurteile vollstreckt waren, änderte sich jetzt das Bild. 103 Dänen wurden nach der Ankunft von Kanter von deutschen Kriegsgerichten zum Tode verurteilt und hingerichtet, Weitere 383 Dänen wurden ohne Urteil von deutschen Dienststellen oder Truppen ermordet, ohne daß die Mörder in Uniform von der Militärjustiz zur Rechenschaft gezogen worden wären. Kanter persönlich hat 12 Todesurteile gegen deutsche Soldaten zu verantworten.

 

Nach  dem  Kriege  war  Kanter  wieder  zur  Stelle. Schon während der 1. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages brachte er es zum Ministerialdirigenten im Bundesjustizministerium. Er wirkte wieder am Aufbau der deutschen Justiz mit und brachte seine wertvollen Erfahrungen ein.

 

1958 ging Kanter wieder an die Front, diesmal an die Front gegen den inneren Feind, und wurde Vorsitzender des (3.) Staatsschutzsenats des Bundesgerichtshofs. Auch hier konnte er im Zeichen des Kalten Krieges auf seine reichen, zuvor gesammelten Erfahrungen zurückgreifen.

 

Quelle: "Kampfanzug unter der Robe" von Ulrich Vultejus, Hamburg 1984, S. 93