Der Skandal um das Milliardending Brunsbüttel
Im Jahre 1984 enthüllte die
DKP, wie die schleswig‑holsteinische CDU‑Landesregierung nicht nur
Steuergelder in Höhe von 1,8 Milliarden DM den Chemiekonzernen in den Rachen
warf, sondern ihnen auch die Möglichkeit gab, giftige Abwässer in die Elbe zu
leiten. Der Leiter der DKP-Umweltschutzkommission, Dr. Jörg Heimbrecht, hatte
in einem Buch "Das Milliardending" enthüllt, wie leicht solche
Genehmigungen zu erhalten sind. Er war, als Unternehmensberater getarnt, ins
Kieler Wirtschaftsministerium gegangen und hatte dort mit Staatssekretär Dr. Keussen gesprochen, der ihm ein ebenso großzügiges wie
skandalöses "Angebot" machte. Wörtlich sagte Keussen:
"In Brunsbüttel haben einige dort ansässige Firmen Flächen, die sie in den
nächsten Jahren und Jahrzehnten nicht mehr benötigen, die aber zum Teil
erschlossen sind und für die auch für Abwässer Einleitungsgenehmigungen
vorliegen. Bayer hat z. B. mit Ciba‑Gigy ein "Joint
venture" gemacht. Da sind die ganzen
Genehmigungen, die für Bayer gegeben waren, mit hineingegangen. Ciba‑Gigy hatte deshalb viel weniger Probleme als
normalerweise ein Unternehmen, das neu anfängt. Auch die VEBA hält im Moment
wieder Ausschau nach einem Kooperationspartner in Brunsbüttel. Die hat da ca.
270 ha liegen, von denen sie 30 oder 40 bebaut hat. Da könnten sie irgendwie
mit hineinkommen, sozusagen in einen halbfertigen Anzug steigen. Was am Anfang
sicherlich viele Probleme bringen würde." Auf die Nachfrage, ob das
bedeute, daß eine Firma Genehmigungen für Abwassereinleitungen übernehmen
könne, antwortete Keussen: "Bayer hat einen
Mantel für das ganze Gelände, in den die Schelde‑Chemie
schon als "Joint venture" mit hineingerutscht
ist. Da sind gar keine Verfahren mehr nötig gewesen." In einem Schreiben
vom 6.8.1984 an die Unternehmensberatung S/S & M bestätigte der Geschäftsführer
der Entwicklungsgesellschaft Brunsbüttel, Hett, im
Auftrag von Wirtschaftsminister Dr. Westphal, daß die Übertragung von
Einleitungserlaubnissen für Abwasser, die für ein zu großes, nur teilweise
benutztes Firmengelände von den Behörden ausgestellt wurden, auf andere
Betriebe üblich sind.
Rudi Jürgensen, Mitglied des Bezirkssekretariats
der DKP und Bernd Frohböse, Mitglied des DKP‑Bezirksvorstandes Schleswig‑Holsteins,
erstatteten daraufhin Strafanzeige wegen Verunreinigung der Elbe durch
Chemiebetriebe bei Brunsbüttel. Angezeigt wurden neben dem Minister für
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten der Staatssekretär Dr. Keussen, sowie die Geschäftsführer der Firmen Bayer, Ciba‑Gigy und der Schelde-Chemie.
Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein. Die Verantwortlichen wurden
für ihre Schweinereien ebensowenig zur Rechenschaft gezogen, wie die CDU‑Landesregierung
wegen Verschleuderung von Steuergeldern. 1985 hatte der Rechnungshof
beanstandet, daß den Chemiekonzernen 1,8 Milliarden DM in den Rachen geworfen
wurden. Diesem Aufwand stehe die Schaffung von nur 2100 Arbeitsplätzen
gegenüber.
Ursprünglich hatte die
Landesregierung behauptet, allein bei Bayer würden bis 1985 5.000 und im
gesamten Wirtschaftsraum Brunsbüttel rund 30.000Arbeitsplätze geschaffen. Später
wurden die Zahlen nach unten korrigiert. Danach solltenes
aber immer noch 11 ‑14.000 Arbeitsplätze in der zweiten Hälfte der
achtziger Jahre werden.
Eine öffentliche Anhörung im
Finanzausschuß des Landtages bestätigte die Fakten. Die CDU‑Mehrheit im
Finanzausschuß sorgte aber dafür, daß Ministerpräsident Barschel und seine
Vorgänger Stoltenberg und Lemke zu den Skandalen nicht auszusagen brauchten.
Quelle: "Schwarzbuch CDU-Politik in Schleswig-Holstein",
DKP-Bezirksvorstand Schleswig-Holstein (Hg.)