Auer-Druck GmbH

 

Im April 1971 stellte ein hessischer Rechtsanwalt Strafanzeige gegen die Gesellschaft Auer‑Druck in Hamburg wegen fortgesetzter Beihilfe zur Verbreitung unzüchtiger und jugendgefährdender Schriften; die Auer­-Druckgesellschaft war zu dieser Zeit der Verlag des in der ganzen Bundesrepublik verbreiteten pornographischen Wochenblattes 'St. Pauli Nachrichten', in dem sexuelle Orgien in der widerlichsten Zügellosigkeit beschrieben und abgebildet wurden. Bis zum Beginn jenes Jahres war Herbert Wehner mit über zwei Millionen Mark amtsregistermäßig eingetragener Hauptmitgesellschafter dieser Auer‑Druck GmbH, zusammen mit dem Schatzmeister der SPD, Alfred Nau. Als das ruchbar wurde, beschloß der sozialdemokratische Vorstand, daß Wehner seinen Anteil an Nau übertrage, der dadurch so gut wie Alleininhaber des Unternehmens mit einem gezeichneten Kapital von über vier Millionen Mark wurde, das allem Anschein nach Parteigeld der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ist.

 

Durch die Strafanzeige wurde die Staatsanwaltschaft genötigt, Ermittlungen einzuleiten. Man tat es so behutsam wie möglich und gab der Sozialdemokratischen Partei Gelegenheit, ihr pornographisches Geschäftsobjekt aus der Auer‑Druck GmbH in eine Scheinfirma einzubringen, die den Namen Marianne‑Druck‑ und Verlagsgesellschaft trägt. Gedruckt wurde weiterhin bei Auer‑Druck. Daraufhin wurde die Strafverfolgung eingestellt; der Schein der Rechtsstaatlichkeit blieb gewahrt.

 

Der hessische Rechtsanwalt gab den Streit nicht auf; er legte in einer Beschwerde gegen den Einstellungsbescheid dem leitenden Oberstaatsanwalt von Hamburg neues, strafrechtliches Belastungsmaterial vor; wegen verletzter Aufsicht durch die Aufsichtsratsmitglieder Herbert Wehner und Willy Brandt an der Auer‑Druck GmbH. Denn an den Maschinen dieses pornographischen Druckereibetriebes wurden Jugendliche beschäftigt, was gegen den Paragraphen 184a unseres Strafgesetzbuches verstößt. Die Beschwerde blieb unbeantwortet. Ein Rechtsstaat mit parteigebundenem Recht? Einige scheinen sich daran gewöhnt zu haben und finden nichts dabei. Der Bürgermut des hessischen Rechtsanwalts fand nicht das Lob des Bundespräsidenten. Nicht der rechte Mut zählt, es muß der linke Mut sein!

 

Das Sittlichkeitsbewußtsein des mutigen Rechtsanwalts hat einen familiären Grund. Er will nicht nur die anderen, er will vor allem auch die eigenen Kinder vor den staatlich begünstigten, zügellosen sexuellen Orgien schützen. Für einen verantwortungsbewußten Bürger ist das kein unbilliges Ansinnen. Als in seiner Heimatstadt die verfilmte Sexorgie "Schulmädchenreport" zur Aufführung kommen sollte, stellte er Anzeige beim Amtsgericht, und als diese erfolglos blieb, ging er hin und überpinselte mit schwarzer Farbe die unsittlichen Werbefotos dieses Films in den Aushängekästen des Lichtspieltheaters. "Wo einer sich den Mut nehmen läßt, etwas Gebotenes trotz möglicher Schwierigkeiten zu tun, der trägt dazu bei, daß unsere Freiheiten in Gefahr geraten!" Gut gesagt, Herr Bundespräsident, aber notwendig ist dieser Hinweis doch nur für den, der sich wider den Zeitgeist aufzulehnen versäumt, oder für den, der davor zurückscheut, sich gegen eine über Gebühr herrschende Partei auszusprechen.

 

Der Bürgermut des hessischen Anwalts wurde mit Geldstrafe belegt. Alle Beweisanträge für die Notwendigkeit seiner Tat wurden ungehört zurückgewiesen. ...

 

Quelle: "Bewußtseinsbildung für rechte und linke Deutsche" von Gerd Schmalbrock, Velbert 1972, S. 73 f