Atomwaffensperrvertrag
Auszug aus dem SPIEGEL-Gespräch mit dem
Altbundeskanzler
Helmut Schmidt
Schmidt: Deutschland ist ein Land,
das im Nonproliferationsvertrag (Atomwaffensperrvertrag), für den ich eingetreten bin und
heute noch eintrete, ausdrücklich auf atomare
Waffen verzichtet hat. Es sollte ein Interesse
daran haben, dass auch alle übrigen Partner ihren Teil der Verpflichtungen einhalten, denn das tun sie ja nicht: Statt vertragsgemäß ihre Atomwaffen abzurüsten,
entwickeln sie neue Waffen, modernisieren ihre Arsenale, ihre Trägersysteme, Raketen,
Flugzeuge und U-Boote ...
Spiegel: ... und wecken damit
Begehrlichkeiten
anderer Staaten.
Schmidt:
Die Verstöße gegen den Vertrag sind in ihrer Häufung und
kontinuierlichen Fortsetzung
seit Jahrzehnten einer der Gründe dafür, dass wir inzwischen acht atomare
Mächte haben, die von den fünf ersten -
allerdings auch von Deutschland -stillschweigend
akzeptiert werden. Dabei ist hinzuzufügen, dass die Bundesrepublik gegenüber Israel, Indien und Pakistan keinen vertraglichen Rechtsanspruch hat, wohl aber gegenüber Amerika, Russland, China,
Frankreich und England. Dieser Umstand ist
dem deutschen Publikum wenig
bewusst und wird von der deutschen Journalistik kaum behandelt.
Spiegel: Wollen
Sie behaupten, dass wir uns in der Frage des iranischen Atomprogramms nicht
einmischen sollten?
Schmidt:
Genau. Warum sollen wir uns gegenüber Iran, wo wir nicht genau wissen, ob der
Staat überhaupt und wie weit er gegen den Vertrag verstoßen hat,
engagieren, wenn
wir gegenüber den Partnerstaaten, die ihn
erwiesenermaßen nicht erfüllen, den Schnabel
halten? Fragezeichen meinerseits.
SPIEGEL: Im
Weißen Haus gibt es offenkundig eine neue Denkweise, nach der nicht mehr die Atombombe an sich
gefährlich ist, sondern nur die Atombombe
in der falschen Hand.
Schmidt: Für
mich kein Grund, der deutschen Regierung zu empfehlen, sich der
amerikanischen Haltung anzuschließen.
Quelle: DER SPIEGEL 44 /
2007 / 34 ff (36)
Anmerkung: Es ist
erstaunlich, wie weit doch ein 88jähriger Helmut Schmidt der aktuellen
Politikerkaste voraus ist. Ob es um die Stagnation der EU, die Berliner
Außenpolitik, den EU-Beitritt der Türkei, die Merkwürdigkeiten der
US-Administration oder die Haltung gegenüber dem Atomprogramm des Iran (s.o.)
geht, es kommen fundiert begründete, rechtlich saubere und politisch abgewogene
Ansichten, wo von sich Frau Merkel und ihr Flohzirkus die eine oder andere
Scheibe abschneiden kann.