Anti-Kohle-Komplott

 

Seit dem Jahre 1957 bis zum Jahre 1968 wurden in der Bundesrepublik 76 Schachtanlagen, etwa 160 bis 170 Kleinbetriebe, über 25 Kokereien und ein gutes Dutzend Brikettfabriken stillgelegt. Damit wurden bisher bei Aufgabe einer durchschnittlichen Jahresförderung von über 50 Millionen Tonnen rund 3 Milliarden t (drei Milliarden Tonnen) Kohlenvorräte, d.h. einschließlich der Zechenausrüstungen ein Volksvermögen von mehreren hundert Milliarden Mark, durch Absaufenlassen der betroffenen Zechen und Gruben sinnlos vernichtet, was man "Gesundschrumpfen" nannte. Und das alles unter dem Druck der internationalen Ölkonzerne, die durch ihre betrügerischen Schleuderpreise den gesamten westeuropäischen Kohlenbergbau mit großem Erfolge weitgehend wettbewerbsunfähig zu machen wußten. Wie begrenzt demgegenüber die Welterdölreserve nach dem Urteil aller nicht im Auftrag dieser Konzerne urteilenden Fachleute in Wahrheit sind (...) und wie politisch unsicher die für uns in Frage kommenden Einfuhrgebiete für Mineralöl dabei sind (85 Prozent aus dem unruhigen Nahen Osten, wo zudem die Sowjets "am Flaschenhals" sitzen!), wurde und wird dabei bewußt verschwiegen. In dieser Ölschwemme liegt aber das ganze Geheimnis der an sich gar nicht vorhandenen "Kohlenkrise", die von der Befehlsstelle der Ölkonzerne, der sogenannten Montanunion, geflissentlich weitergeschürt wird.

 

Gleich nach 1945 ‑ man muß die Dinge im Zusammenhang sehen - verboten die Besatzungsmächte für Westdeutschland die K o h 1 e h y d r i e r u n g (Gewinnung von Treibstoffen für motorisierte Fahrzeuge aller Art auf der Erde und in der Luft), fielen die großen deutschen Hydrierwerke (Deutschland hatte zuletzt 27 nach verschiedenen Verfahren arbeitende Werke dieser Art in Betrieb) der feindlichen Konkurrenzdemontage zum Opfer. Das war "Politik auf lange Sicht", denn 12 Jahre später setzte dann die Ölschwemme aus dem Ausland ein! Nach Nichtmehrbestehen dieses Verbotes wurden alle Anregungen, Vorschläge, Forderungen auf Neuerrichtung von Hydrierwerken als Möglichkeit, den deutschen Bergbau zu erhalten und sich gleichzeitig von Fremdöleinfuhren von zweifelhafter Dauer unabhängig zu machen, mit Spott und überlegenem Lächeln auf einheitliches Kommando hin abgetan: "Unrentabel!" Und jeder kam sich weise vor, der mitlächelte. Lieber wurden Milliarden und Abermilliarden für Stillegungen und Folgelasten zum Fenster herausgeworfen ‑ Stillegungen sogar "prämiiert", Nichtmehrarbeiten bezahlt, und kaum einer merkte das Schizophrene dieser Wunderwirtschaft. Und das alles in dem Lande, in dem vor über einem halben Jahrhundert die Kohleverflüssigung erfunden und bis zur Höchstleistung von 6,5 Millionen Jahrestonnen entwickelt wurde - über die Hälfte des gesamten Treibstoffverbrauchs der Bundesrepublik im Jahre 1967 mit 12,5 Millionen t.

 

1968 war dann das "große Ziel" erreicht: Der deutsche Steinkohlenbergbau konnte (im Saarland bis zu 35 Prozent) seinen Lieferungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Die fehlende Kohle nun etwa aus Belgien von den dort ebenfalls von der Stillegung bedrohten großen Zechen einzuführen ‑ um einerseits selber so wieder über ausreichende Kohlenmengen zu verfügen, andererseits dort die drohenden Stillegungen zu verhindern ‑ verbietet die Montanunion, der sich die ihr angehörenden Länder nun einmal mit Haut und Haaren ausgeliefert haben! (Prof. v. Laun: "Ruhrstatut ist Gebietsabtretung!" d. V.) Und als Japan kürzlich einen Kommissionär entsandte, die belgische Kohle auf 50 Jahre im voraus aufzukaufen, mußte dieser ergebnislos wieder abreisen!

 

War die bisherige "Begründung" für die "Unmöglichkeit" der Kohlehydrierung deren angebliche "Unrentabilität" (die wirtschaftliche und politische S i c h e r h e i t s f r a g e ‑ in Wahrheit doch das allein Entscheidende ‑ spielte bei unseren Energie‑"Politikern" überhaupt keine Rolle !), sah man sich dann gezwungen, dem immer stärkeren Druck in dieser Sache von allen Seiten damit zu begegnen, dass man versprach, diese Frage zu "prüfen", "Forschungs­aufträge" zu erteilen, "Untersuchungs-kommissionen" zu bilden ‑ obwohl gar­ nichts mehr zu prüfen, zu erforschen und zu untersuchen war, da das alles längst praktisch erprobt und mit größtem volkswirtschaftlichen Nutzen an­gewandt worden war ‑ , so hatte man jetzt mit einmal die ganz wunderschöne Ausrede: "Ja, wir haben leider zu wenig Kohlen, als daß wir solche hydrie­ren könnten" Und gerade in diesem Zeitpunkt konnte ein Fachmann ersten Ranges, der Bergwerksdirektor Bergassessor a. D. Dr.‑Ing. Dr.‑Ing. E. h. Her­bert Barking, MdL Nordrhein/Westfalen, auf Grund sorgsamster Studien und Berechnungen feststellen. "Es geht doch!" ‑ d. h. deutsches Kohlebenzin sei absolut rentabel und wettbewerbsfähig!

 

"Fachleute" hatten vorher das Gegenteil behauptet, ‑ Fachleute, angeheuert von der Montanunion. "Fachleute" stellen jetzt plötzlich fest ‑ angeheuert von der Reaktorindustrie: "Der Atomenergie gehört die Zukunft! Sie wird uns den billigsten Strom liefern!" Und jetzt ‑ sind mit einmal wieder Kohlen da, wenn auch nicht zum Hydrieren, sondern zum Betrieb von Atomkraftwerken! Und jetzt stellen "Fachleute" auch plötzlich fest, die Weltenergievorräte herkömmlicher Art, insbesondere die der Kohle, gehen zur Neige, wir müssen daher Atomkraftwerke bauen ‑ und alle reden es begeistert nach. Ernstzunehmende Wissenschaftler aller Fachrichtungen w a r n e n aber vor den unübersehbaren gesundheitlichen Schäden für Mensch, Tier und Pflanze, für Wasser, Luft und Erde, hervorgerufen durch solche Werke, zu deren Beurteilung es noch an jeglicher Erfahrung fehle, deren Errichtung Milliarden verschlingt (im Gegensatz zu der herkömmlicher Kohlekraftwerke), durch deren bisher vielfach zu beobachten gewesene monatelange Betriebsausfälle bereits ungeheure Kosten entstanden und von nur sehr begrenzter Lebensdauer sind, aber, stillgelegt, dann noch Gefahrenherde für Jahrhunderte darstellen.

 

"In England gab es bereits stürmische Auseinandersetzungen im Parlament wegen der sehr viel höheren Stromkosten aus Atomkraftwerken. In den USA hat man alle Aufträge auf die Errichtung solcher Werke zurückgezogen, hat man die Errichtung von 72 neuen Großkraftwerken auf K o h 1 e b a s i s beschlossen mit der Begründung, daß im letzten Jahre die Nuklearkosten um 15 Prozent gestiegen seien. Aus England, Frankreich, der Schweiz liefen unterdessen Alarmmeldungen über katastrophale Betriebsunfälle in Atomreaktoren ein. Nur in Deutschland wird der Bau weiterer solcher Werke geradezu fieberhaft mit einem riesigen Reklameaufwand und unter raffinierter Umgehung gesetzlicher Vorschriften betrieben, wurde der Vorsitzende des Atomenergieausschusses im Bundestag, der Bundestagsabgeordnete Univ.-Prof. Dr. Bechert dadurch "abgeschossen", daß mit der fünften Bundestagsperiode, also bereits 1965, dieser Ausschuß (gerade im Zeitpunkt der geplanten Massenerrichtung solcher Werke!) aufgelöst und seine Aufgaben an den ‑ Kulturausschuß (! ) überwiesen wurden, in dem zwar zehn Studienräte, Lehrer und Schulräte vertreten sind, aber nicht ein einziger Fachmann auf technischem, nuklearbiologischem oder nuklearmedizinischem Gebiet! Dafür erschien eine mit großem Aufwand ausgestattete, wunderschöne bunte Propagandaschrift "Die Bundesregierung informiert", von der der F a c h mann Prof. Bechert feststellte: keine Information, sondern bewußte Irreführung!

 

Die Wirtschaftsberichte aller Welt aber stellen fest: 1968 höchste Weltkohleförderung aller Zeiten! Die USA, die UdSSR, Polen, Rotchina steigerten ihre Kohleförderung in unvorstellbarem Ausmasse, planen weitere enorme Fördersteigerungen für 1980 ‑ für das gleiche Jahr, von dem ab die Welterdölförderung rückläufig sein wird, um gegen Ende des Jahrhunderts völlig zu erliegen. Selbst die "Brüsseler Informationsberichte der Europäischen Gemeinschaft" melden, daß Westeuropa mit seiner "Anti‑Kohle‑Politik" alleinstehe, obwohl seine Importabhängigkeit von fremdem Öl bereits katastrophale Ausmasse erreicht habe; dabei sei die Produktionskostensituation in vielen Ländern keineswegs günstiger, man betreibe in Westeuropa eine Rohstoffpolitik, die nicht nur allen Erfahrungen, sondern sämtlichen Zukunftstendenzen der ganzen übrigen Welt widerspreche ‑ eine Entwicklung, die nur auf politische Entscheidungen oder auf deren Fehlen zurückzuführen sei!

 

Quelle: Dr. Hans Riegelmann, Sulzbach/Saar, Mühlenstraße 51 - zitiert in "Gegen Gott und die Natur. Beiträge zu einer Analyse unserer historisch-politischen Situation" von Juan Maler, Buenos Aires 1971, S. 87 - 89