Alles Lumpen?
G i e ß e n (ba). Der ehemalige Rechtsanwalt Manfred Roeder hat gestern
in der Justizvollzugsanstalt an der Gutfleischstraße eine zehnmonatige
Freiheitsstrafe angetreten. Der 75‑Jährige Nordhesse musste bis 15 Uhr
einrücken; um 14.30 Uhr war er vor dem Gefängnis eingetroffen, wo ihn mehrere
Sympathisanten verabschiedeten. Roeder hatte in der Vergangenheit immer wieder
durch die Verbreitung von Gedankengut auf sich aufmerksam gemacht, das als
nationalsozialistisch bezeichnet werden könnte. Das Landgericht Frankfurt hatte
Roeder zunächst zu zwei Jahren, später dann zu den zehn Monaten wegen
Verunglimpfung des Staates verurteilt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte das
erste Urteil »kassiert«.
Unter den Augen des
Staatsschutzes kam es in der Gutfleischstraße zu einer kleinen Demonstration.
Neben allerlei anderer Gegenstände, die Roeder mit in die JVA nehmen wollte,
hielt er plötzlich eine braune Aktentasche in die Höhe mit der Aufschrift
»Deutscher Bundestag«. »Da soll der Bundestag drin sein?« fragte ein Sympathisant
und Roeder versicherte, »der komplette Bundestag.« Daraufhin öffnete er die
Tasche und ließ den Inhalt, der aus alten Kleidungsstücken bestand, auf den
Bürgersteig fallen. »Das sind ja lauter Lumpen, alles nur Lumpen«, riefen
mehrere Zuschauer, und der Initiator der Aktion betonte: »Das habe ich jetzt
aber nicht gesagt.«
Roeder war verurteilt worden,
weil er in einem Offenen Brief an den Bundestag die Bundesrepublik als
»käuflichen Saustall« bezeichnet hatte, um im Anschluss daran Kritik an der
Asylpolitik die Auflösung des Staates mit den Worten zu fordern: »Das Reich
muss wieder her.« Weite Teile des Inhaltes seien ‑ so hatte der BGH befunden
‑ von der Meinungsfreiheit gedeckt. Das Urteil wurde von 24 auf zehn
Monate reduziert. Für die Aussetzung der Strafe zur Bewährung sahen die Richter
aber noch immer keine Argumente. Roeder ist wegen Volksverhetzung und Verunglimpfung
einschlägig vorbelastet.
Der Bundesrepublik prophezeite
der 75‑Jährige gestern noch einmal den baldigen Untergang, wofür er von
seinen Anhängern Zustimmung erhielt. Bei guter Führung könnte Roeder wie jeder
andere Häftling nach zwei Dritteln der Strafe entlassen werden. Stellt er
jedoch seine extremen Ansichten und Aktivitäten nicht ein, wird er Vollzeit
verbüßen.
Den Aufmarsch weiterer
Gesinnungsgenossen von Roeder hat die Polizei gestern Mittag verhindert. Ein
Konvoi aus mehreren Fahrzeugen wurde in der Licher Straße gestoppt und nicht
bis zur Gutfleischstraße vorgelassen.
Quelle: Zeitungsartikel ohne Herkunftsangabe (Faksimile im Rundbrief der
"Deutsche Bürgerinitiative" 5 / 2005 / 3)
Anmerkung: Sofern Roeder in dem erwähnten Brief an den Deutschen
Bundestag die Bundesrepublik als "käuflichen Saustall" bezeichnete,
bietet sich ein Zitat aus dem SPIEGEL 18 / 2003 / 71 mit der ironischen
Überschrift "Kirchs Schattenkabinett" an:
Ex-Postminister Wolfgang
Bötsch beriet Kirch von 1999 bis 2002, sein Vertrag war mit jährlich 300.000
Mark dotiert.
Rupert Scholz,
Ex-Verteidigungsminister (und Rotarier, d.V.), hat Kirch nach eigener Aussage
"für einige Jahre juristisch beraten".
Christian Schwarz-Schilling,
Ex-Postminister (und Rotarier, d.V.), war für Kirch mit seinem Unternehmen in
Sachen Decoder aktiv.
Theo Waigel,
Ex-Finanzminister, konnte Kirch von 1999 bis Februar 2002 jährlich 600.000 Mark
in Rechnung stellen.
Jürgen Möllemann, einst
Vizekanzler, kassierte über seine Web/Tec von 1995 bis 2002 pro Jahr bis zu
800.000 Mark.