Abrechnung mit Kohl
Der frühere Chef des Axel
Springer Verlags, Jürgen Richter, sieht sich als Opfer einer politischen
Intrige der CDU. Es war "offensichtlich nicht fehlender Erfolg", der
Ende 1997 zu seinem Abschied bei Springer geführt habe, erklärt Richter, der
bei Springer den Gewinn hochgetrieben hatte und jetzt für Bertelsmann arbeitet.
Er habe "einfach die politischen Konstellationen, in die Springer
eingebunden ist, unterschätzt", sagt Richter in einem Interview mit einer
Bertelsmann‑Hauszeitschrift. Mit seinem Appell Mitte 1997, die
Unabhängigkeit der Redaktionen zu wahren, habe er "wohl Teile eines
Netzwerks verunsichert". Richter: "Die Entscheidung folgte dann aus
politischer Taktik, die nicht innerhalb des Hauses Springer entstanden
ist." Der Ex‑Verlagschef zielt auf enge Bande zwischen Helmut Kohl
und dem Springer‑Großaktionär Leo Kirch. Nach seinem Abgang übergab
Richter dem Springer‑Aufsichtsratschef Bernhard Servatius Dokumente, die
den Verdacht erhärten sollen: Informationen über eine interne Runde im
Kanzleramt Ende August 1997, bei der Kohl den Sturz Richters vorbereitet haben
soll ‑ kurz bevor Kohl die Verlegerin Friede Springer traf. Und nach
einem Vermerk aus der bayerischen Staatskanzlei von Anfang September habe Kohl
bei einer CSU‑Klausurtagung im Kloster Andechs vor Vertrauten den
Eindruck erweckt, die Lösung des Problems Richter mache Fortschritte. Servatius
will den Vorgang nicht kommentieren: "Dazu sage ich nichts." Das
Kanzleramt bestreitet, den Sturz Richters vorbereitet zu haben.
Quelle: DER SPIEGEL 42 / 1998 / 108
Anmerkung: Servatius ist Hanseat und Katholik, vielleicht mehr Katholik als
Hanseat. Kohl ist auch Katholik, was ihn jedoch nicht hinderte, ein
langjähriges Verhältnis mit einer zur Oberregierungsrätin beförderten Sekretärin
einzugehen, die er dann auch noch in sein "Küchenkabinett" (das hat
etwas mit Richtlinienkompetenz zu tun) installierte. Kohls Gattin beging
Selbstmord und wurde als Protestantin einer katholischen Trauerfeier
unterzogen. Dr. Richter ist ein Ehrenmann und der erfolgreichste Konzernführer
seit der Gründung des Springer-Verlages.
Kohl und Kirch sind erledigt. Kohl als "Herr der schwarzen Kassen
und Konten" und Kirch als "Konkursifex Maximus". Man denkt
unwillkürlich an den Schimpf, der über den Kiwanis-Bruder Richard Nixon nach
Watergate ausgegossen wurde. Angeblich wollte kein Amerikaner von ihm mehr
einen Gebrauchtwagen kaufen. Kohl und Kirch geht es heute kaum besser. Welcher
anständige Mensch würde von denen heute noch auch nur ein Stück Brot annehmen,
wenn er hungerte? Und so trösten wir uns mit der Vorstellung, daß es (manchmal)
doch so etwas wie eine höhere Gerechtigkeit gibt.