Opfer zweiter Klasse
Am 13.2.1999 ermordeten Ausländer den jungen Handwerker Robert Edelmann /
Christen veranstalteten Mahnwache am Tatort
Nicht nur der Fall Sebnitz mit
seiner Mobilisierung eines gewaltigen Medientrosses und hoher Politiker bis hin
zum Bundeskanzler hat gezeigt, daß es in diesem Land zwei Klassen Gewaltopfer
gibt. Solche, über deren Tod ‑ und sei ein Mord nicht einmal erwiesen -
Bestürzung und Beschämung herrscht, Entsetzen gar, und dem gegenüber solche,
denen schmale Zeitungsnotizen gelten: zur Kenntnis genommen, schlimm ‑
und fertig.
Die deutsch‑polnische
Grenzstadt Guben ist dem Medienrezipienten längst noch ein Begriff und untrennbar
mit dem Tod des Asylanten Omar ben Noui verbunden. Kurz nach dessen Tod durch
Nötigung war in Guben ein Gedenkstein aufgestellt, Mahnwachen abgehalten
worden. Durch Fernsehberichte, Talkshows und ausführliche Zeitungsartikel bis
hin zur absehbaren Bestürzung über ein "viel zu geringes" Urteil
gegen die Täter durfte ganz Deutschland teilhaben an der Trauer um den
Algerier.
Der brutale Mord, der in
Frankfurt-Griesheim just an demselben Tag im Februar 1999 an dem Offenbacher
Heizungsbauer Robert Edelmann verübt wurde, konnte nicht für fette Schlagzeilen
herhalten: Das Opfer hier ein Deutscher, die Täter aus Marokko, Eritrea, der
Türkei und Jordanien. Keine Lichterketten, keine Schweigemärsche für Robert
Edelmann. Im vergangenen Jahr nun waren in Frankfurt die Urteile gegen die
Griesheimer Messerstecher ergangen, die der Verhandlung feixend beigewohnt
hatten und bisweilen nicht mit Häme gegenüber der Opferfamilie sparten. Der
Hauptangeklagte Semere T. aus Eritrea hatte sieben Jahre, der zweite Rädelsführer,
der türkischstämmige Denis T. hatte drei Jahre Jugendhaft erhalten.
Aus "purer Lust an der
Gewalt", so der Richter bei der Urteilsverkündigung, hätten die Täter
gehandelt. Semere T., der den Kopf des bereits verblutenden Opfers vom Boden
riß, um den Jungen mit weiteren Stichen regelrecht zu erlegen, hatte sich
anschließend im Freundeskreis noch seiner Tat gerühmt. Auch späterhin
("ich habe ihn doch nur mit dem Messer gekitzelt", veränderte sich
während der Verhandlung seine subjektive Einschätzung der Tat) fanden freilich
weder er noch die Mittäter ein persönliches Wort des Bedauerns für die
trauernde Familie.
"Jeder einzelne
vergangene Tag brachte das bittere Erwachen in eine Welt, in der du nicht mehr
sein kannst. Robert, du weißt, daß wir stets bei dir sind!", so der
schmerzliche Ausruf der Hinterbliebenen in der Zeitungsanzeige, die Eltern und
Schwester zum Todestag des brutal gemordeten 23jährigen aufgaben. Bewältigt
haben die Edelmanns den Verlust von Sohn und Bruder längst nicht. "wie
auch?", fragt Lili, die 28jährige Schwester von Robert. Natürlich, beim
Weißen Ring sei man gewesen, habe psychologische Hilfe in Anspruch genommen und
fühle den Beistand von Nachbarn und Freunden. "Aber das Wort 'es wird
schon wieder' gilt hier nichts", sagt sie. Robert, der Autonarr, den Kopf
immer voller Ideen und Pläne, kommt nicht zurück. Nicht alle aber haben das
Schicksal Robert Edelmanns vergessen. So veranstaltete die christliche Gruppe
"Dialog und Versöhnung" aus Mainz am 13. Februar, dem Jahrestag des
abscheulichen Verbrechens, eine Mahnwache am Ort der Tat. Pfarrer Rolf
Sauerzapf hielt eine Andacht am Griesheimer Bahnhof, und Mitglieder der
christlichen Gemeinschaft brachten eine Gedenktafel am Bahnhofsgebäude an.
"Nur wenn deutlich wird, daß vor Gott jedes Menschenleben denselben Wert
hat, werden wir Gewalt in unserer Gesellschaft wirksam verhindern können",
sagte Gerold von Baring‑Liegnitz, Sprecher von "Dialog und Versöhnung".
Während offizielle Vertreter
des Frankfurter Stadtteils fehlten, nahmen außer interessierten Passanten
Hinterbliebene zweier weiterer Familien teil, die ein Gewaltopfer zu beklagen
haben. Elke und Jürgen Tragelehn aus Kassel hatten im Herbst 1999 ihren
zwanzigjährigen Sohn Thorsten als unschuldiges Opfer einer Messerstecherei
verloren. Die Haupttäter Ramazan Y., Öczan K. und Ramin S. wurden auch hier zu
mehrjährigen Jugendstrafen verurteilt. Rudolf und Monika Hinrichs gedachten
ihres im Mai 1999 im Landkreis Offenbach hinterrücks erstochenen Sohnes Timo,
dessen Mörder Naser und Ylber B. mittlerweile verurteilt hinter Gittern sitzen.
Ein von "Dialog und
Versöhnung" ausgelegtes Kondolenzbuch wurde nach der Gedenkstunde an
Roberts Mutter Larissa Edelmann übergeben.
Quelle: ELLEN KOSITZA in JUNGE FREIHEIT vom 23.2.2001