Oberstaatsanwalt Roman Reusch, Berlin – Auszüge aus dem SPIEGEL-STREITGESPRÄCH mit dem Strafrechtsprofessor Bernd-Rüdeger Sonnen, Hamburg
(...) Gehen Sie doch mal durch Berliner Viertel wie Neukölln. Da gibt es Ecken, in die sich selbst die Polizei nur noch mit mehreren Streifenwagen traut. Ein einzelner Wagen ist dort sofort von einer Menschentraube umgeben. Die Jugendlichen betrachten die Polizei als fremde Besatzungsmacht – wie Iraker in Bagdad die Amerikaner ...
(...) Die Schläger von heute nutzen nicht nur ihre
Füße und Fäuste, die greifen ohne Hemmung zum Messer. Da reicht ein schiefer
Blick, und die Klinge wird gezückt.
(...) Wir sehen in der täglichen Arbeit, dass das Problem förmlich explodiert. 2005 haben wir bei der Staatsanwaltschaft in Berlin 613 Täter gezählt, die schon zehn oder mehr Gewalttaten begangen hatten – fast alle sehr junge Menschen. Ein Jahr später gab es von denen schon 772. Und die Täter werden immer jünger.
(...) Wir stehen vor einem Mengenproblem. Es gibt zu viele Täter – und zu wenige, die sich darum kümmern können. In Teilen der Stadt besteht die Bevölkerung fast nur aus Problemfällen. So viele Sozialarbeiter, Jugendgerichtshelfer und Lehrer gibt es überhaupt nicht. Und wer sollte sie bezahlen?
(...) Knapp 80 Prozent
meiner Täter haben einen Migrationshintergrund, 70 Prozent sind orientalische
Migranten. Jeder Einzelne
dieser ausländischen Täter hat in diesem
Land nicht das Geringste verloren.
Jeder, der sich in dieser Weise aufführt, verdient es, dieses Landes
verwiesen zu werden. Hier sind die
gesetzlichen und praktischen
Möglichkeiten einfach erbärmlich
gering. Unser Gesetz strotzt von Ausweisungsschutz
über Ausweisungsschutz ...
(...)
Die sprechen kein Türkisch, aber größtenteils auch kein Deutsch.
Sie haben ein Vokabular von 500 Wörtern, weitgehend
grammatikfrei. Aber in diesem Land regiert das liberale
Bildungsbürgertum, das in anderen Gegenden wohnt und nichts davon mitbekommt. Diese Leute
lehnen sich zurück, schwingen große Reden
und erbringen keinerlei
Integrationsleistungen, das
überlässt man der Unterklasse.
(...)
Fragen Sie mal eine Verkäuferin bei Schlecker, die schon
dreimal von einer Horde jugendlicher Migranten überfallen worden
ist, mit der Waffe eins übergezogen bekommen hat und jetzt
jeden Morgen Beruhigungsmittel nimmt, um weiterarbeiten zu
können - weil sie es sich nicht leisten kann, nicht zu arbeiten. Das
ist eine Heldin des Alltags! Was können all die Opfer dafür, dass
der Staat die Täter aus falsch verstandener Rücksicht nicht ausweist? Ich
fürchte, wir nehmen auf die Falschen Rücksicht.
(...) Es gab in den
zurückliegenden Jahren eine ganz klare Tendenz, dieses Problem der Migration unter den Teppich zu kehren. Man hatte wohl die keineswegs unbegründete Befürchtung, dass ein offener Umgang mit diesen Zahlen zu
Fremdenfeindlichkeit führen kann.
Quelle: DER SPIEGEL 19 /
2007 / 42 – 46 (Auszüge aus „Das Problem explodiert“)
Fortsetzung: DER SPIEGEL 21
/ 2007 / 20 berichtet, daß die Berliner Justizsenatorin Gisela von der Aue
(SPD) von Staatsanwälten und Kriminalbeamten kritisiert werde, weil sie
Oberstaatsanwalt Roman Reusch nach dessen oben auszugsweise wiedergegebenen
SPIEGEL-Gespräch öffentlich gemaßregelt habe. Da kann man mal wieder sehen, wer
denn so alles mit Parteibuch und Quote hohe Staatsämter erklimmen kann. Deshalb
ganz langsam und zum Mitschreiben für Frau von der Aue: Nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – vgl. etwa NJW 1996, 210 ff –
steht es weder dem Beamten, noch dem Vorgesetzten zu, einen nach außen
getragenen Meinungskampf gegeneinander zu führen. Wer Oberstaatsanwalt Reusch
den Rücken stärken möchte, faxe an 030-9014-3310 und wer die Justizsenatorin
zum Rücktritt auffordern möchte, tue dies zur Nummer 030-9013-2000.