Stuttgart/Kirchheim unter Teck
‑ Dem Einsatz von verdeckten Sonderermittlern ist es zu verdanken, dass ein 49‑jähriger Mann
aus Lettland jetzt vor dem Landgericht Stuttgart wegen Schleuserei angeklagt
ist.
Am 23. Februar 1999 hatte die Polizeisondereinheit
zugeschlagen. Die Ermittler verhafteten den Mann in seiner Wohnung in
Kirchheim. Zeitgleich durchsuchte die Polizei Wohnungen in 18 verschiedenen
Städten in Deutschland, um weitere Beweismittel zu sichern. Der Vorwurf: Der
gelernte Masseur, der einen zweiten Wohnsitz in der lettischen Hauptstadt Riga
unterhielt, habe mehr als 100 Russen und Letten mit gefälschten Papieren die
Einwanderung nach Deutschland ermöglicht.
Ursprünglich war dem Letten
gemeinschaftliches, gewerbs‑ und bandenmäßiges Einschleusen von
Ausländern im Zeitraum von 1992 bis 1996 vorgeworfen worden. Die Anklage
beschränkt sich in dem Prozess vor der 14. Strafkammer aus
verfahrenstechnischen Gründen nun auf 17 Fälle aus dem Jahre 1996, bei denen
rund 50 Personen eingeschleust worden sein sollen.
Der 49-Jährige ‑ er
spricht kaum Deutsch und lebte hier von Sozialhilfe - machte sich für seine
Geschäfte eine Vereinbarung des Zentralrates des Juden mit der Bundesregierung
aus dem Jahre 1991 zu Nutze. Damals wurde ausgehandelt, dass jüdische
Emigranten aus der früheren Sowjetunion nach Deutschland übersiedeln können.
Bis 1997 sind daraufhin mehr als 70 000 Personen aus diesem Kreis legal
eingereist ‑ darunter auch die Familie des Angeklagten.
Zusammen mit einer Übersetzerin
und mehreren Notaren in Riga hat der Lette zahlungskräftigen Nichtjuden aus den
GUS‑Staaten gefälschte Familiendokumente verschafft. Dafür haben die
Schleuser pro Kunde zwischen 2000 und 10 000 US‑Dollar kassiert ‑
je nach Größe der Familie. Ob auch an die deutsche Botschaft in Riga, die die
Urkunden als echt anerkennen musste, Bestechungsgelder geflossen sind, ist
unklar. Nur so viel weiß der weitgehend geständige Mann zu sagen: Mitarbeiter
der deutschen Botschaft hätten Geld für die "schnellere Bearbeitung"
der Fälle bekommen.
Der
Strafrahmen für gewerbs‑ und bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern
erstreckt sich von einem bis zu zehn Jahren. Allerdings drohen nicht nur den
Schleusern ‑ die Übersetzerin sitzt in Riga in Haft ‑ empfindliche
Strafen. Auch die illegal übergesiedelten Familien werden belangt. Mindestens
mit dem Widerruf der Aufenthaltsgenehmigung müssen sie rechnen. "Wo genau
die Leute gelandet sind, wissen wir nicht", sagt Staatsanwältin Sabine
Mayländer. Die Familien seien in der ganzen Bundesrepublik verstreut.
"Darum müssen sich die Ausländerbehörden kümmern."
Quelle: "Backnanger Kreiszeitung" vom
5.2.2000